p antisemiÜber den Umgang mit dem Antisemitismus, Teil 3

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) – Die Idee, ein Meldesystem für antisemitische Vorfälle einzurichten, hatte kein langes Leben. Wie berichtet hatte sich der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, für eine solche Meldestelle ausgesprochen. Befürwortet wurde die Idee auch vom Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, dessen Wortmeldung allerdings in den eigenen Reihen als wohlwollender Debattenbeitrag herabgespielt wurde. Das von Horst Seehofer geführte Bundesinnenministerium hatte dem Plan zu diesem Zeitpunkt bereits eine Absage erteilt, hieß es in der Süddeutschen Zeitung.

Judenfeindliche Straftaten würden bereits ausreichend registriert, auch wenn sich der „Tatort an einer Schule befindet“.

Im vergangenen Jahr seien 1.453 solcher Straftaten registriert und zu 95 Prozent dem rechten Spektrum zugeordnet worden. Das Thema ist nicht neu, wie der Verfasser in seinem Buch „Die Verharmloser“ nachweist. Er zitiert darin die eben genannte Süddeutsche Zeitung, die 1962 zu einem antisemitischen Vorfall in Hamburg unter anderem schrieb, dass mit einem statistischen Abzählen der rechtsradikalen Organisationen und ihrer Mitglieder über die tatsächliche Verbreitung einer latenten Nazigesinnung wenig gesagt sei. Weiter heißt es indem Buch:

Nachdenkliche und kritische Anmerkungen dieser Art haben nicht verhindert, dass die Geschichte des Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik rückblickend als die Geschichte seiner Verharmlosung erscheint. Ehrenwerte Motive mögen dabei eine gewisse Rolle gespielt haben, etwa die Scham, nach all den Schrecknissen der Naziherrschaft mit den Urhebern zurückliegender Schandtaten in Verbindung gebracht zu werden. Ausschlaggebend war jedoch, dass die Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus bis zum Zusammenbruch der kommunistischen Staaten im Osten überlagert war vom Kalten Krieg zwischen Ost und West und dem Machtkampf gegensätzlicher Ideologien. Jedes Eingeständnis über das Fortbestehen oder Wiederaufleben nazistischen Ungeistes wurde als politische Niederlage empfunden...

Auf einer Tagung der Christlich-Demokratischen Weltunion in Rom behauptete der Erste Direktor des Bundeskriminalamts, Gerhard Boeden, ohne nähere Begründung, es gebe Anzeichen dafür, dass Nachrichtendienste des Ostblocks und ihre deutschen Helfershelfer sich nicht scheuten, nationalsozialistische Gruppen zu bilden. Damit wolle der Osten die Gefahr neonazistischer Aktivitäten in der Bundesrepublik an die Wand malen. Ähnlich seien auch manche Hakenkreuzschmierereien zu werten. Der hohe Kriminalbeamte, dessen Rede am 18. Februar 1982 auszugsweise auch vom Deutschland-Union-Dienst der CDU veröffentlicht wurde, legte den Geheimdiensten der Sowjetunion auch eine Steuerung der terroristischen „Rote Armee Fraktion“ zur Last.

Noch am selben Tag erklärte Boedens eigene Dienststelle in einer Stellungnahme, dessen Äußerungen entsprächen „in wesentlichen Punkten nicht der übereinstimmenden Einschätzung der Lage durch die deutschen Sicherheitsbehörden. Insbesondere lägen nach wie vor keine Erkenntnisse vor über eine behauptete Steuerung der RAF als auch der militanten Rechtsextremisten durch die Geheimdienste der Sowjetunion.

Auf der Suche nach den Ursachen rechtextremistischer Gewalt machte der Vorsitzende der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Helmut Linsen, Missetäter auch im eigenen Lande aus. Die Gewaltbereitschaft der Jugendlichen, meinte er 1993, habe zum nicht geringen Teil ihre Wurzeln in dem Gedankengut vieler Vertreter der 68er-Generation. Sein bayerischer Amtskollege Alois Glück nannte die „missglückte antiautoritäre Erziehung der 68er-Generation“ als Ursache für die zunehmende Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen.

Einer der wenigen, die frühzeitig laut über die Ursachen des Antisemitismus nachgedacht haben, war der hessische Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer. In einem Interview mit einer dänischen Zeitung sagte er 1960 zur Lage der Juden in der Bundesrepublik: „Unter der Oberfläche wartet ein glühender Antisemitismus, obwohl in Deutschland kein Judenproblem existiert. Der beherrschende Einfluss der Juden im Geschäfts- und Kulturleben ist gebrochen. Aber der Hass ist noch der gleiche.“

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