berl lanzmann0Deutliche Worte von Noch-Berlinalechef Dieter Kosslick In der sonntäglichen  TTT-Sendung in Trauer um Claude Lanzmann

Romana Reich

Berlin (Weltexpresso) - Es gibt ein Leben vor dem Film "Shoah" und nach dem Film "Shoah" sagt Festivalleiter Dieter Kosslick. Er war ein Freund Lanzmanns und erfuhr von seinem Tod in Jerusalem: "Unglücklicherweise, muss ich sagen, fehlt uns so jemand, der uns daran erinnert, was eigentlich mit den Flüchtlingen wirklich los war in den dreißigern und vierzigern Jahren, mit jüdischen Flüchtlingen, über die damals übrigens in Evian verhandelt wurde, und niemand wollte eigentlich die jüdischen Flüchtlinge und heute redet man darüber, was an bayerischen Grenzen geschieht, es ist ein wirklicher Skandal."

Nur wenige Filme haben es geschaffft, sich so in das kulturelle Gedächtnis der Menschheit einzubrennen, wie "Shoah": "Es wäre absolut wichtig, das wir das heute zeigen würden – und ich würde sogar sagen, für ein paar Leute in unserem Bundestag wäre es ganz gut, wenn wir den Film noch mal im Bundestag zeigen, denn es war kein Fliegenschiss der Geschichte, sondern es waren Millionen von Menschen, die bewusst umgebracht worden sind, und niemand kann da besser dran erinnern, als der Film Shoah", so Kosslick.

berl lanzmannClaude Lanzmann hat die Todgeweihten ohne falsches Mitleid dem Vergessen entrissen. Nun ist der Meister der Erinnerung, der den Tod immer gehasst hat, im Alter von 92 Jahren, gestorben. Die Berlinale hatte unmittelbar nach dem Tod reagiert und in einer Presseerklärung den französischen Regisseur und Autor gewürdigt: „Claude Lanzmann war einer der großen Dokumentaristen. In seiner Darstellung von Unmenschlichkeit und Gewalt, von Antisemitismus und seinen Folgen hat er eine neue filmische wie ethische Auseinandersetzung geschaffen. Wir trauern um eine bedeutende Persönlichkeit des politisch-geistigen Lebens unserer Zeit“, sagt Berlinale-Direktor Dieter Kosslick.


Claude Lanzmanns Film Shoah (1985) ist als epochales Meisterwerk der Erinnerungskultur in die Filmgeschichte eingegangen. Der neuneinhalbstündige Dokumentarfilm über den Völkermord an den europäischen Juden wurde unter anderem 1986 im Forum der Berlinale gezeigt und mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet.

1925 als Sohn jüdischer Eltern in Paris geboren, kämpfte Claude Lanzmann in der Résistance, studierte in Frankreich und Deutschland Philosophie und hatte 1948/49 eine Dozentur an der neugegründeten Freien Universität Berlin inne. Seine Auseinandersetzung mit der Shoah, dem Antisemitismus und den politischen Freiheitskämpfen durchziehen sein filmisches wie journalistisches Schaffen.

1972 entstand seine erste filmische Arbeit, die Dokumentation Pourquoi Israël (Warum Israel, Frankreich 1973), in der er die Notwendigkeit der Staatsgründung Israels aus jüdischer Perspektive darstellt. In dem Film Tsahal, der 1995 im Berlinale-Forum lief, porträtiert er Frauen und Männer, die in der israelischen Armee dienen. Sobibor, 14 octobre 1943, 16 heures (Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr, Frankreich 2001) über den Aufstand im Vernichtungslager Sobibor in Polen wurde 2002 ebenfalls im Berlinale-Forum vorgestellt.

Die Berlinale hatte Claude Lanzmann 2013 mit einer Hommage geehrt und ihm den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk verliehen.

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Titel: Claude Lanzmann erhielt 2013 den Goldenen Bären der Berlinale für "Shoah"© (RIA) Deutschlandfunk Kultur
Text: HommageSobibor, 14 octobre 1943, 16 heures (Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr)Dieter Kosslick und Claude Lanzmann, Goldener Ehrenbär. Berlinale 2013. 14.2.2013 © Berlinale