p nsu opferKommentar zum Ausgang des NSU-Prozesses

Constanze Weinberg

Buxtehude (Weltexpresso) – Nein, mit dem berühmten Fiat justitia et pereat mundus hat das Urteil im NSU-Prozess nichts zu. Beate Zschäpe zu lebenslangem Freiheitsentzug zu verurteilen und damit auf eine Stufe mit den Auschwitz-Mördern zu stellen, lässt sich nur vor einer Öffentlichkeit vertreten, die mehrheitlich Null Ahnung hat von der deutschen Geschichte und ihren dunklen Seiten.

Bis auf Indizien, die im Allgemeinen – wie man liest – nicht mehr als eine Behauptung sind, aber weniger als ein Beweis, hatte das Gericht nichts in der Hand, um Beate Zschäpe des Mordes zu überführen. Haben sich die Richter jetzt ihr Mütchen gekühlt, weil die Hauptangeklagte das Ende des Verfahrens durch ihr Schweigen fünf Jahre lang hinausgezögert hat? Das anzunehmen, wäre frivol. Nachgedacht werden sollte allerdings darüber, ob die Richter wirklich frei waren in ihrer Entscheidung Blieben sie unberührt von einer Erwartungshaltung, die angesichts des zunehmenden Rechtspopulismus und fremdenfeindlicher Übergriffe von der Justiz ein scharfes Durchgreifen verlangt? Wollten sie ein Signal setzen und dem Neonazismus entgegenwirken?

p nsu Auch wenn nur ein einziger ausländischer Mitbürger ermordet worden wäre, hätte schnell und rechtsstaatlich unstrittig gehandelt werden müssen. Aber Uwe Mundlos und Uwe Böhnhard, die beiden Spießgesellen Zschäpes, konnten ungehindert zehn Jahre lang durch die Lande ziehen und neun Männer aus Migrantenfamilien ermorden. Haben Polizei und Verfassungsschutz zehn Jahre lang geschlafen, oder ließen bewusst alle Fünfe grade sein? Als der Verdacht einer Mitschuld nicht länger von der Hand zu weisen war, wurden flugs Akten geschreddert. Eigentlich hätten einige Schlapphüte ebenfalls auf die Anklagebank gehört, aber das verbot die Staatsräson. Insofern haben alle recht, die jetzt auf die Straße gehen und verlangen, dass auf keinen Fall ein Schlussstrich gezogen werden darf unter den politischen Skandal, der mit der NSU-Mordserie unübersehbar einher geht.

Was der Höchststrafe für Beate Zschäpe einen schalen Beigeschmack gibt, ist Milde deutscher Richter gegenüber Mördern aus den eigenen Reihen. Zu Hunderten bevölkerten Hitlers Blutrichter die Gerichtssäle des demokratischen Rechtsstaates und hielten schützend die Hand über ihresgleichen. Der SS-Richter Thorbeck, der die Widerstandskämpfer um Pastor Bonhoeffer und Admiral Canaris wenige Tage vor Kriegsende dem Galgen überantwortete, wurde freigesprochen, freigesprochen mit der hanebüchenen Begründung, wie jeder andere Staat habe auch der nationalistische Staat das Recht auf Selbsterhaltung gehabt. Dem ehemaligen Nazirichter Paul Reimers, der an 59 Todesurteilen mit 116 Betroffenen mitgewirkt hat, wurde zugute gehalten, „dass er aus einer gewissen Rechtsblindheit für die Todesstrafe stimmen zu müssen geglaubt habe.“ Das Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Was das mit der lebenslangen Gefängnisstrafe für Beate Zschäpe zu tun hat? Nichts, es sei denn, man erinnerte sich an den Satz des Verfassungsrichters Martin Hirsch, deutsche Juristen seien nun mal zu allem fähig. An der Neigung der Richter „zu gewissen rabulistischen Kunststückchen“ habe sich nichts geändert. Das war 1981. Inzwischen ist eine neue Richtergeneration im Amt, die manches anders sieht, aber vor Rückfällen nicht gefeit ist. Von Beate Zschäpe weiß man mit Sicherheit nur, dass sie mit zwei Mördern Tisch und Bett geteilt hat. Ob das über sie verhängte Urteil jemals rechtskräftig wird, darf bezweifelt werden. Die Verteidiger haben bereits Revision angekündigt.

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Titel: Ausschnitt: die Opfer
Text: © nsu-tribunal