Heinz Markert
Horst Seehofer trifft sich 2016 mit dem Faschisten Orbán bei Händeschütteln, Lächeln und Schulterklopfen. Als dessen Kumpel biedert er sich bei den Stammtischen an, wenn er dem ungarischen Rechtsausleger - peinlich, peinlich - umgehend zum Wahlsieg gratuliert. Mittlerweile freut sich der Heimatminister Seehofer öffentlich über Abschiebungen an seinem Geburtstag (man sah ihn wie er sich dabei im Anzug räkelte und grinste). Die neben ihm saßen, schienen etwas konsterniert zu sein, übernahmen aber sein Grinsen aus falschverstandener Loyalität.
Nicht nur, dass Seehofer seinen 69. Jubeltag (den 4. Juli) perfide mit den am selben Tag durch die Medien gejagten 69 Abgeschobenen verknüpft, er düpiert auch - seltsam undeutsch, wie eine Helferin der Geflüchteten meinte (während sie leistet, was Behörden nur ungenügend zustande bringen) - all jene, die brav Steuern zahlen und fordern, dass ihr Steuerbetrag für schon bestens integrierte Geflüchteten gut angelegt und nicht zum Fenster hinausgeworfen wird. 50 der 69 waren keine Gefährder und Straftäter.
Mit Geflüchteten wird verfahren wie mit unpersönlichem Fernfahrgut
Daran lässt sich erkennen, dass es Seehofer nur um die reine Lehre der öffentlichkeitswirksamen Abschiebung geht. Mit dem begangenen Akt der Abschiebung wird der Meute von den Stammtischen geopfert, die Horst mehr fürchtet als der Teufel das Weihwasser. Weil die CSU in Bayern ein Auslaufmodell ist. Kurz nach der „Verbringung“ nach Kabul, einer Stadt die, was ihren Zustand angeht, ein Produkt der verfehlten Politik Moskaus und des Westens ist, beging ein anderer Abgeschobener, der kein Gefährder und kein Straftäter war (wie 50 von 69), Selbstmord. Das verhagelte dem Horst das saubere Image.
Allahyar kam im Oktober 2015 nach Bayern. In der Zimmerei „Das Bau-Team“ von Andreas Vollrath (Panorama berichtete darüber) hat er eines seiner 4 Praktika absolviert. Er arbeitete engagiert und war stets so voll bei der Sache, dass, wie sein Chef - der er bis zum jenem 14. Juli war - meinte, „sich mancher Deutscher eine Scheibe hätte abschneiden können“. Jetzt aber ist er nach seinem Rauswurf aus Deutschland für den Betrieb und das Aufnahmeland verloren. Horst Seehofer gibt auch zu, dass keineswegs nur Gefährder und Straftäter abgeschoben werden. Das heißt, die Abgeschobenen werden einem Prinzip geopfert: dem der Reinheit des Deutschtums und der Homogenität der nordischen Rasse.
Panorama kommt auf den Punkt, dass Bayern die Abschiebe-Frage besonders streng handhabt. Viele von den nun Abgeschobenen seien noch zur Schule gegangen, waren gut integriert, wie in Neu-Ulm (die Schule wird in Panorama gezeigt). Von den 2 Berufsschulen, denen der Schulleiter Klaus Hlawatsch vorstehe, seien gleich mehrere Schüler in dem Flugzeug nach Kabul gewesen.
Steuerverschwendung von Amts wegen
Helferinnen und Helfer wie Elvira Bittner, die sich konsequent bei der Integration von Flüchtlingen engagieren, haben eine tiefsitzende Wut in Anbetracht des Versagens der Politik, die nicht genug Einsatz bringt, aber schnell dabei ist, unterschiedslos abzuschieben und Menschen über die Klinge springen zu lassen. Dem war nicht von Anfang an so. Sie fragt sich, ob ein Land das so verfährt, noch ihre Heimat ist.
Panikartig verlautete es offiziell seitens der Bundesregierung: Begrenzen, Rückführen, Härte zeigen (nach Panorama). Der Mitmenschlichkeit wurde abgesagt, der Meute von Rechtsauslegern, ‚besorgten Bürgern‘ (Sprache der LTI) und Pegida stattgebend. Die Kanzlerin zuckte zurück, wechselte in den charakteristischen Rettungsmodus ihrer Amtszeit, zeigte wieder kein Rückgrat, wie so oft schon.
Hier Steuern eingenommen, dort verschwendet
Was die engagierten Helferinnen und Helfer am meisten frustriert und provoziert ist die Willkür des Innenministeriums, wenn es in kürzester Zeit entgegengesetzte Dekrete ausgibt. Letzten Sommer hieß es plötzlich: Die Afghanen dürfen wieder arbeiten, man war erfreut und feierte dies, aber ein paar Wochen später kam die Gegenanweisung: „nö dürfen sie doch wieder nicht“ (zitiert nach Panorama). Elvira Bittner meint, das sei etwas Undeutsches, dass ein Staat ihr hart erarbeitetes Steuergeld verschwendet, wenn er Geld zum Fenster rauswirft, sofern er teuer ausgebildete Flüchtlinge dann doch wieder nicht arbeiten lässt.
Der Kulturbruch dieser Tage begab sich aber mit einem Titel der Wochenzeitung Die Zeit: ‚Rettungsschiffe schicken oder nicht?‘ – ‚Oder soll man es lassen?‘ – titelte diese Zeitung (Panorama zeigt es auf dem Bildschirm). Und die satanische Steigerung einer ehemals angesehenen Zeitung lautete zum selben Thema: ‚Private Helfer retten Flüchtlinge und Migranten im Mittelmeer aus Seenot. Ist das legitim? - Ein Pro und Contra‘.
Kommentar von Anja Reschke (Panorama) zu Pegidas Auftritt in Dresden
„Wie verroht die Debatte inzwischen ist, konnte man neulich Montag auf dem Dresdner Neumarkt beobachten, der Kundgebung von Pegida. Es ging um das Seenotrettungsschiff Lifeline, das mit 100 Flüchtlingen an Bord nirgends anlegen durfte“.
Der Agitator und Einpeitscher von Pegida tritt auf: „Ihr habt ja bestimmt gehört, was im Mittelmeer mit unserer herzallerliebsten Dresdner Schlepperorganisation gerade passiert, oder?“ – darauf Johlen, Klatschen und Rufe: Absaufen! Absaufen! Absaufen! (etliche Male)
Einpeitscher: „Nein, nein, nicht absaufen. Wir brauchen das Schiff noch, um die alle wieder zurückzufahren“.
Anja Reschke: „Dass Menschen im 21. Jahrhundert völlig schamlos, bei hellem Tageslicht auf einem der berühmtesten Plätze Dresdens rufen, dass Menschen absaufen, also sterben sollen, offenbart ein solches Ausmaß an Wertverlust, das vor einiger Zeit wirklich unvorstellbar gewesen wäre“.
Foto:
© de.wikipedia.org