kpm Rechtsradikale randalieren in ChemnitzDie Demokratie ist bedroht – und muss endlich reagieren

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In Chemnitz marschiert das Lumpenpack und macht dem Staat das Gewaltmonopol streitig.

Wenige Tage zuvor, anlässlich eines Besuchs der Bundekanzlerin in Dresden, demonstriert PEGIDA, mittendrin ein Angehöriger des Landeskriminalamts, der die Polizei alarmiert, weil er sich durch ein Kamera-Team des ZDF in seinen Persönlichkeitsrechten gestört fühlt. Die Journalisten werden daraufhin nahezu eine Stunde überprüft. Dieses Vorgehen widerspricht sämtlichen Gesetzen und Rechtsvorschriften, sprich der Pressefreiheit. Was den sächsischen Ministerpräsidenten nicht davon abhält, sich vor die Verantwortlichen der Polizei zu stellen. Eigentlich hätte in einem Rechtsstaat zumindest der zuständige Innenminister zurücktreten und leitende Polizeibeamte hätten ihres Amtes bei Verlust der Pension enthoben werden müssen. Eigentlich.

Dabei seien die Sachsen doch ein friedliebendes Volk, wie der verstorbene Schriftsteller Erich Loest („Nikolaikirche“) einst urteilte. Zumindest in seinen letzten Lebensjahren hätte er diese Aussage relativieren können, sogar müssen.

Denn vieles deutete bereits darauf hin, dass sich die Bevölkerung des Freistaats politisch gespalten und sich eine große rechtsextreme Szene gebildet hatte. So war Loests Heimatstadt Mittweida zum Aktionszentrum der später verbotenen „freien Kameradschaft Sturm 34“ geworden. Diese hatte mehrere brutale Überfälle gegen Andersdenkende, vor allem Linke, und Einwanderer verübt. Die Prozesse gegen ihre Rädelsführer sorgten 2007 und 2008 für Schlagzeilen in den Medien.

Seit dem 20. Oktober 2014 veranstaltet die fremdenfeindliche, völkisch-nationalistische, rassistische und rechtspopulistische Gruppe PEGIDA montäglich Demonstrationen in der Dresdner Innenstadt. Schon früh gab es Beziehungen zur AfD und zu anderen Organisationen mit faschistischer Ideologie. Zu nennen sind vor allem „Der Dritte Weg“ und die „Identitäre Bewegung“.

Aber auch Teile des Bürgertums sympathisieren mit PEGIDA. Beispielsweise die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen. Ihre Buchhandlung, das „Buchhaus Loschwitz“, liegt am Fuße des Nobelstadtteils „Weißer Hirsch“, die berühmte Elbbrücke „Blaues Wunder“ ist nicht weit. In diesem Milieu hatte der Schriftsteller Uwe Tellkamp seine „Turmgesellschaft“ angesiedelt. Im Roman „Der Turm“ hatte er eine bürgerlich-intellektuelle Gesellschaft während der DDR-Zeit beschrieben, die auf deutliche Distanz zum Regime geachtet habe. Doch eine solche hat es so nie gegeben. Vielmehr bediente Tellkamp mit seinen erfundenen Sujets eine neue Form der Geschichtsklitterung.

Die Verwechslung von Realität mit persönlichen Wahnvorstellungen offenbarte sich auch in seinem Feldzug vom Frühjahr 2017 gegen die von ihm so genannte „Mainstream-Presse“, die keine andere als die von offizieller Seite gewünschte Meinung zulasse. Daraus kann man schließen, dass die Belesenheit des von Teilen des Feuilletons gelobten Literaten ihre Grenzen erreicht zu haben scheint – zumindest, was die tagesaktuellen Medien anbelangt. Und so liefert er seinen Brüdern und Schwestern im Geiste, den Ignoranten von PEGIDA, die Schlagworte. Beispielsweise das von der „Lügenpresse“.

Dem Umfeld dieser sich gern als konservativ-intellektuell bezeichnenden Sammlung entstammt auch die „Gemeinsame Erklärung 2018“ vom 15. März 2018. In diesem von der rechtslastigen CDU-Politikerin Vera Lengsfeld initiierten Aufruf sprechen sich Autoren, Publizisten, Künstler und Wissenschaftler gegen eine „Beschädigung Deutschlands“ durch eine „illegale Masseneinwanderung“ aus.

Das Fußvolk hingegen begnügt sich nicht mit Deklarationen, es schreitet zur Tat. Die Brandstifter von Hoyerswerda, die Schläger von Leipzig-Connewitz, Clausnitz, Heidenau, Freital, Ostritz und nun von Chemnitz machen es deutlich: Der Freistaat Sachsen wird von einer braunen Welle geradezu überspült. Auf den Wegen, welche die NPD geebnet hat, marschiert nun die AfD samt ihrer fünften Kolonnen. Gegenwärtig sprechen sich 25 Prozent der Sachsen für diese Partei aus, für die CDU würden 30 Prozent votieren.

Ein Kuriosum der Historie, aber nicht das einzige: Nach der Wende von 1989/90 haben auch die Sachsen offiziell um Asyl in der Bundesrepublik gebeten – der Beitritt zum westdeutschen Staat war de facto nichts anderes. Und die bei PEGIDA mitmarschierenden Rentner werden durch die westdeutsche Rentenversicherung alimentiert. Denn die der DDR war zahlungsunfähig. Wer das Schicksal von Flüchtlingen und Asylbewerbern am eigenen Leib erfahren hat, sollte menschenfreundlicher sein. Eigentlich.

Angesichts dieser Angriffe auf die Demokratie helfen Erklärungsmuster allein nicht weiter. Den Aufmärschen der Rechten muss mit Entschiedenheit begegnet werden. Falls braune Schläger die körperliche Unversehrtheit, sogar das Leben von Menschen bedrohen, sind solche Angriffe mit polizeilicher Gewalt abzuwehren. Und Parteien und Regierung müssen klarstellen: Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sowie die Verherrlichung der nationalsozialistische Ideologie sind Straftaten. Folglich erfüllen Gruppen wie PEGIDA eindeutig sämtliche Kriterien, um als kriminelle Vereinigungen zu gelten. Und gegen die AfD sollte unverzüglich ein Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt werden. Die NPD, in deren programmatischen Fußstapfen sich diese verfassungsfeindliche Organisation bewegt, mag von ihrer Anzahl her weniger bedeutend gewesen sein, weshalb sie dem Verbot entging. Bei der AfD hingegen sieht das anders aus.

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