hz Kohletagebau 6 Menne 00820Cockpit20eines20stillgelegten20Baggers20in20Ferropolis opt 2 20171Die leitenden Westfälischen Fossil-Junkies aus Gewerkschaft, RWE und Staat wollen noch den kümmerlichen Rest des Hambacher Forsts Roden lassen - und das Recht macht sich zum Büttel

Heinz Markert
 
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Aus einem Sommer, in dem es wochenlang nicht geregnet hat, vermögen die Herren Profitjunkies nichts zu lernen. Sie möchten unbedingt den Hambacher Forst in einem Akt des von Gier getriebenen Irrationalismus über die Klinge springen lassen.
Sie gehen nach dem Motto vor: Jetzt-erst-recht-und weiter so! Nach uns die Sintflut! und: Lasst und das Glühende-Luft-Zeitalter einläuten!

 
Die Welt ist ein einziger Organismus
 
Und deutsche Richter, die dem Leben in der Natur offenbar begriffslos gegenüberstehen, machen sich zu Werkzeugen der Machtdemonstration von RWE, obwohl angesichts der heranrückenden Klimakatastrophe (> 2 Grad) und der Unwiederbringlichkeit eines hochwertigen alten Baumbestandes, besonders alter Buchen, kaum etwas mehr verfehlt ist, als eine frevelhafte Waldschlachtung. Nur weil RWE einen Rechtstitel zum Fällen sein eigen weiß, will es zur Demonstration seiner Vormachtstellung – auch Präpotenz genannt – jenen Titel auch ohne Erbarmen einlösen. Dieses Vorgehen zeugt von der Arroganz und Ignoranz eines Energiekonzerns, der die Entwicklung zu den Erneuerbaren hin bewußt verschlafen hat.
 
Es geht RWE ganz offensichtlich darum, das fossile Geschäftsmodell bis in eine weite Zukunft hinein auszuweiten und damit die Gesellschaft, die begriffen hat, worum es im globalen Raum geht, zu veräppeln. Wie wäre es denn damit, statt ungebrochen auf Braunkohle zu setzen, sich in einer Übergangszeit auf Gas zu verlegen, das eine klimaverträglichere Umweltbilanz aufweist als die Braunkohle. Braunkohlekraftwerke sind schwerfällig, lassen sich nicht im gegebenen Moment hoch- und runterfahren, können nicht so eilig herabgefahren werden wie Kraftwerksblöcke, die mit Gas betrieben werden; benötigen, um funktionstüchtig zu sein ein hybrides Maß an Bereitschaft (Stand-by-Modus).
 
Die meisten der Braunkohle-Meiler in Sicherheitsbereitschaft (acht Kraftwerksblöcke an fünf Standorten) wurden noch nie gebraucht! - „Die Kohlebranche wird fürs Nichtstun belohnt“, schrieb die FR (02.03.2018). Eine zeitlich befristete verträglichere Gaslösung (bis die Erneuerbaren ganz auf der Höhe sind) würde aber die Gewinne des Konzerns schmälern und die Anleger maulen lassen. Dafür ist RWE-Clement nicht zu haben, er will seine Anwartschaft aus politischen Zeiten, in denen er sich biegsam zeigte und die schändliche Leiharbeit eingeführt hat, voll auskosten. Einer Zeitenwende kommt es aber gleich, dass der Rückversicherer Munich Re aus der Kohle aussteigt, da er sonst mit gesellschaftlich einschneidenden Folgen rechnet. Klimawandelpolitik scheint also nicht wirklich zu teuer zu sein.
 
Indessen aber die Erneuerbaren durch eine zaudernde und willfährige Politik ausgebremst werden, um das Weiterleben der klima- und umweltschädlichen fossilen Energie zu verlängern, obwohl kurz zuvor noch eine Zwangsabgabe für die am meisten schädlichen Kraftwerke von Sigmar Gabriel, dem stets Unkalkulierbaren und Wankelmütigen, vorgesehen war.
 
Alternative: ziviler Ungehorsam aus ganz Europa
 
Aus dem kohleerdigen Land Nordrhein-Westfalen sind uns bislang eher stiernackige und betonköpfige Hardliner bekannt geworden, insbesondere in Person der Müntefering und Clement (der sich jetzt bei RWE eingerichtet hat), den Architekten des Lohndumpingprogramms zu Lasten Europas und der eigenen Gesellschaft; weswegen es auch keine Überraschung ist, dass jetzt gehandelt wird wie bereits eingeleitet und Niederlegung im Plan steht, unter Mithilfe deutscher Richter, die die Waldbesetzer ordnungspolizeilich mit dem Verstoß gegen das Baurecht (fehlende Baugenehmigungen, respektive für Baumhäuser) und Mangel an Brandschutz abschmettern: das Verwaltungsgericht Köln, das Verwaltungsgericht Aachen und das Oberverwaltungsgericht Münster, wobei Stopp der Räumung beantragt und Beschwerde gegen die Räumung eingereicht war.
 
Haltet euch fern von einer SPD der untergehenden Ära des Fossilzeitalters, die SPD an Rhein und Ruhr ist eine CDU und FDP im Gewand der SPD. Den deutschen Richtern geht die andere Dimension der Verankerung von Recht ab. Ihnen fehlt der Sinn für das ungeteilte Naturrecht; das Recht auf Erhalt des konsumierenden Menschen geht ihnen über alles, das Recht von Bio- und Atmosphäre, von Tier- und Pflanzenreich kennen sie noch nicht oder haben es in der Erwachsenenwerdung vergessen. Die noch aufzuschlagende Seite des humanisierten Naturrechts ist ein echtes Tierrecht und das Recht der Gesamtnatur; es geht um die Würde, die auch für die außermenschlichen empfindsamen Wesen und die zahlreichen Organismen gilt; und wir leben in einer endlichen Welt, die ab einem Punkt nicht mehr restituierbar sein könnte, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

 
Unbegreifliche Richterschaft
 
Im Unterschied zu den angelsächsischen Richtern steckt die deutsche Richterschaft zutiefst fest in der Weltfremdheit, der Praxisfremdheit und der Lebensfremdheit. Sie sitzt hinter ihren weltlosen Akten, an denen sie aus Fremdheit zur Welt schon elend für die Wahrnehmung von Kreatürlichkeit erblindet ist (um eine Formulierung Nietzsches ein wenig abzuwandeln). Richter erscheinen als eine verfehlte Variante von Archivaren und Aktenhengsten.
 
Die Gefahr für den Fortbestand des kümmerlichen Rests des angezählten Hambacher Forsts ist auch mit der Tatsache verbunden, dass die Ex-Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und Stanislaw Tillich die Kohlekommission leiten sollen, denen ein alter Draht zu den Kumpeln zugeschrieben wird. Wobei die Ironie hinzukommt, dass Platzeck zu den Gründungsmitgliedern der Grünen Liga der DDR gehört. Aus dem Mund eines Ökonomen, der auf klassischer Grundlage weiterdenkt, war mal zu vernehmen: Den Kohleabbau abwickeln und die Kumpel zu Landschaftspflegern machen (ist schon 15 Jahre her). Landschaftspflege wird ohnehin kommen müssen, wie sie auch für die Gegend um Bitterfeld schon Realität wurde. Landschaftspflege ist keine ehrenrührige Arbeit, es ist keine Degradierung von ehrbaren Kumpeln, denn sie können sich mit dem neuen Umweltauftrag ein staatlich abgesichertes Standbein sichern. Sozialer Auftrag und Umweltauftrag, das bildet in der fortgeschrittenen modernen Welt eine Einheit, was noch nicht immer so gesehen wird.
 
Sollten die beiden ehemaligen Ministerpräsidenten ein Übergewicht in der Kohlekommission - die das Ende des Kohleabbaus vorausplant - bekommen, dann besteht die Gefahr, dass der Bund Umwelt- und Naturschutz sich aus der Kohlekommission zurückzieht. Es gibt kein Großvorhaben und Langfristmodell, das diese Bundesregierung zumindest leidlich zu vollenden imstande wäre.

Das Recht hat einen blinden Fleck. Es kommt weltfremd, praxisfremd und lebensfremd daher, kommt nicht zur wesentlichen Sache, die der Gesellschaft unter den Nägeln brennt und sie tatsächlich zu bedrohen imstande ist. Schon wieder tauchen im Finanzsystem erhebliche Risiken auf (‚Geheimakte Finanzkrise‘, ZDF-zoom). Den Ausfall des Rechts hat auch der inkompetente Umgang der Gerichtsbarkeit mit den Voraussetzungen und Folgen der Finanzkrise, die sich am 14.09.2018 zum zehnten Mal jährte, gezeigt. Wo sind die Kläger und die Richter, die dieses große Vergehen gegen die Gesellschaft zur Anklage bringen und für den Ausgleich zwischen Opfern und Tätern, zwischen Gesellschaft und Finanzakteuren einstehen.

Nach Aufforderung durch das Oberverwaltungsgericht Münster hat RWE angeblich eine Stillhaltezusage bis zum 14. Oktober gegeben. Trotzdem wird im Hambacher Forst mit rücksichtslosen Praktiken gegen den Protest gegen ein angesagtes Umweltverbrechen vorgegangen.
 
Foto © Peter Menne

Info:
Verweis auf einen unserer Artikel zu Peter Mennes Foto-Ausstellung ‚Kohletagebau brachial‘ im Monat August 2017: