Bildschirmfoto 2019 01 31 um 23.49.27ISRAELS WAHLKAMPF  im Januar: Gemischte Reaktionen auf seine Programmrede

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Kritiker von Rechts von ex-Generalstabschef Benny Gantz (Israels Unverwüstlichkeit) nannten die kurz vor seinem ersten öffentlichen Auftritt vom Dienstagabend bekanntgegebene Listenverbindung mit ex-Generalstabschef und ex-Verteidigungsminister Moshe Yaalon für die Knessetwahlen vom 9. April spöttisch eine «Allianz der Schwachen».

Abgesehen davon aber war seine in Tel Aviv gehaltene Programmrede nach monatelangem Schweigen eine rhetorische Glanzleistung, die inhaltlich aber außer den zu erwarten gewesenen Repliken auf die Person von Premier Binyamin Netanyahu («Er ist spalterisch und nicht vereinend, kein Führer ist König, unser Land braucht eine andere Führung, die uns nicht von innen her schwächen wird») leicht enttäuschte.

Konkret stach vielleicht sein Versprechen hervor, keiner Regierung Netanyahu beitreten zu wollen, sollte gegen den heutigen Premier tatsächlich Anklage erhoben werden, während seine Absicht, sich um das Amt des nächsten israelischen Regierungschef bewerben zu wollen, in der rauen Wirklichkeit des Landes den Test wohl kaum bestehen wird. Die Erkenntnis, wonach der Kampf zwischen links und rechts das Volk auseinander reisse und das Ringen zwischen Juden und Nichtjuden Israel zermürbe, ist keine Erfindung von Benny Gantz und beeindruckte kaum. 

Mit seiner Schlussfolgerung sodann, dass Netanyahu nach einer Anklageerhebung nicht im Amt verbleiben dürfe («Das ist lächerlich in meinen Augen»), platzierte der ex-Generalstabschef sich zwar klar ausserhalb des rechts-nationalen Lagers, erfand aber aus das Rad nicht neu. Und mit dem Versprechen, dass es unter seiner Führung keine Kultur der Hetze oder Attacken gegen die Medien oder das Rechtswesen geben werde, positionierte Ganz sich in «gefährliche» Nähe der Linken.

Mit den ersten Umfragen zu dem jetzt nicht mehr schweigenden Gantz wird wahrscheinlich schon im Laufe des Mittwochs zu rechnen sein, und dann dürfte sich der Realwert seiner Rede herauszukristallisieren beginnen. Dass «Haaretz» am Mittwoch jubilierte, ein neuer Führer sei geboren, ist wahrscheinlich im Endeffekt Wunschtraum und auch die Schlussfolgerungen von Parteien wie die «Neue Rechte» oder des Likuds wonach Gantz keine Führungspersönlichkeit sei, sind als Zweckpessimismus oder Angst vor etwas Neuem einzustufen. Dass Gantz einerseits den Friedensprozess fördern und das umstrittene Nationen-Staatsgesetz ändern, gleichzeitig aber Siedlungsblöcke stärken, das Jordantal als Israels Sicherheitsgrenze behalten und den Golan «nie» aufgeben wolle, mutet auf den ersten Blick wie ein vielleicht naiver Versuch des Möchte-gerne-Premiers an, bis zum 9. April doch noch Stimmen aus dem gemässigten Rechtslager zu ergattern.

Foto:
Benny Gantz bei der Präsentation seiner Wahlkampagne
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 30. Januar 2019