p vorwartsWas es mit dem Zusammenhalt der Gesellschaft auf sich hat, Teil 2/3

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Für den CDU-Politiker Ludwig Erhard waren es – wie im ersten Teil dieses Beitrages erwähnt - die „geschichtlichen Erfahrungen unseres Volkes mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, (die) das Bewusstsein der Abhängigkeit aller von allen geweckt und bestärkt“ haben. Angesichts der Trümmerlandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg kam das bei den Menschen gut an. In abgewandelter Form begleitet uns Erhards These bis heute.

Alles hänge mit allem zusammen, hören wir aus dem Munde der Globalisierungsbefürworter, wenn es irgendwo knirscht, etwa beim unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen oder wenn die Gewerkschaften mit ihren Lohnforderungen wieder einmal die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf dem Weltmarkt gefährden, obwohl es in Wirklichkeit immer nur darum geht, ob etwas dem Profit schadet oder nutzt. Nun ist eine funktionierende Wirtschaft nicht alles, aber ohne funktionierende Wirtschaft ist andererseits alles nichts. Da wird dann ganz schnell der Gemeinschaftssinn strapaziert.

In den Wirtschaftsthesen der CDU aus dem Jahr 1965 liest sich das so: „Zur Sicherung einer freiheitlichen Gesellschaft und eines steigenden Wohlstandes müssen in einer formierten Gesellschaft alle gesellschaftlichen Gruppen zusammenwirken. Das gilt insbesondere auch für Unternehmer und Arbeitnehmer, die in gegenseitigem Verständnis und in Anerkennung ihrer besonderen Funktionen die gemeinsame Verantwortung für die Leistungsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft tragen.“ Aber wenn es mal kriselt, stehen immer nur die einen in der Schlange beim Arbeitsamt.

Dem Gemeinschaftssinn huldigen seit jeher auch die falschen Freunde der Arbeitnehmer am rechten Rand der Gesellschaft. Der einstige NPD- Vorsitzende Adolf von Thadden zum Beispiel behauptete, „dass alles verspielt sein wird, wenn wir nicht die Notgemeinschaft bilden, die in einer ungeheuren Kraftanstrengung unser Volk, Alte und Junge, alle Stände und Konfessionen, Männer und Frauen, wieder zusammenführt.“ Von dieser Notgemeinschaft ist es dann nicht mehr weit bis zur „Volksgemeinschaft“ unseligen Angedenkens, laut Meyers Konversationslexikon aus dem Jahr 1937 der „Zentralbegriff nationalsozialistischen Denkens“ Das hielt den „Industriekurier“ am 7. Oktober 1965 nicht davon ab, salopp zu erklären: „Die Demokratisierung der Wirtschaft ist ebenso unsinnig, wie eine Demokratisierung der Schulen, der Kasernen und der Zuchthäuser.“

Schnee von gestern? Was uns aus den Reihen der AfD an völkischem Wortgedröhn entgegen schallt, sollte uns eines Besseren belehren. Aber auch aus ganz anderer Richtung klingt es nicht viel besser. Ohne den Anflug eines Skrupels bekannte der Vorstandschefs des Allianz-Konzerns, Oliver Bäte, gegenüber der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 29. November 2018: „Gerechtigkeit ist für mich ein marxistischer Begriff. Ich weiß nicht, was das ist.“ So redet einer daher, der täglich über das Wohl und Wehe von vielen tausend Menschen bestimmt. „Eine Stimme der Barbarei“ nannte ihn die einsame Posaune der „Kommunisten und Sozialisten in Deutschland“ namens „Rotfuchs“.

Dass der Allianz-Chef ausgerechnet Gerechtigkeit mit Karl Marx verbindet und nicht etwa mit Epikur, über den Marx seine Doktorarbeit geschrieben hat, ist sicher kein Zufall. Gerechtigkeit soll damit als politische Größe und moralischer Gradmesser bei der Bewertung gesellschaftlicher Verhältnisse ausgeschlossen werden. Aber auch bei Epikur hätte Oliver Bäte wenig Schmeichelhaftes über Seinesgleichen gefunden. Der griechische Philosoph beschreibt Gerechtigkeit vereinfacht gesagt als eine Art Vertrag, einander nicht zu schädigen. Einklagen lassen sich die daraus resultierenden Verpflichtungen bis heute allerdings nicht. Sonst hätte es nicht dazu kommen dürfen, dass in Deutschland etwa ein Fünftel der Bevölkerung in relativer Armut lebt. Genau genommen waren das nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung 2017 in Ostdeutschland 17,8 Prozent und in Westdeutschland 15,2 Prozent. (Schluss folgt).

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Der erste Teil erschien unter
https://weltexpresso.de/index.php/kino/15216-wenn-alle-alle-lieben