Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Polternder als der israelische Verkehrsminister Israel Katz (Likud) diese Woche sein Amt als interimistischer Außenminister Israels angetreten hat, wäre dies wohl kaum möglich gewesen. Keine 24 Stunden nachdem Regierungschef Binyamin Netanyahu am Montag seine Zusage wahrgemacht und Verkehrsminister Katz zum interimistischen Außenminister des Landes ernannt hatte, zerschlug dieser international bereits so viel Porzellan ,wie eine ganze Herde Elefanten es gemäss dem bekannten Sprichwort nur mit Mühe hätte tun können.
Katz, der sein Amt zunächst bis zu den Knessetwahlen vom 9. April versehen wird, hätte seinen Amtskollegen im Kabinett kaum ein fragwürdigeres Antrittsgeschenk machen können, als um eine drastische Verschärfung der glimmenden Krise mit Polen besorgt zu sein. Hatte bis Montag früh noch alles so ausgesehen, als könnte die von Premier Netanyahu in Warschau durch kritische Bemerkungen über das kontroverse polnische Holocaust-Gesetz ausgelöste Missstimmung zwischen den beiden Nationen zumindest teilweise beigelegt werden, sorgte der neue Außenminister Katz schon am gleichen Montag für ein katastrophales Wiederauflodern, wahrscheinlich noch bevor seine neuen Visitenkarten mit der zusätzlichen Amtsbefugnis die Druckmaschinen verlassen hatten.
Eine handfeste Krise
In einem Interview mit dem israelischen Radio sagte Katz unter Bezugnahme auf ein Zitat von 1989 des damaligen israelischen Premiers Itzhak Shamir, die Polen hätten den Antisemitismus «mit der Muttermilch eingenommen». Daraufhin veröffentlichte Polen ein Ultimatum nach den «rassistischen» israelischen Bemerkungen. Ohne Entschuldigung Jerusalems würde man sich von dem für Dienstag geplanten Visegrad-Gipfel zurückziehen. Was denn auch geschah. Der Anlass, an dem die Regierungschefs Ungarns, Tschechiens, Polens und der Slowakei hätten teilnehmen sollen, wurde abgesagt. Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki erklärte am Montag vor Reportern, die Bemerkungen des Interims-Außenministers Katz seien «rassistisch und inakzeptabel» und könnten nicht ohne Antwort bleiben. Katz meinte am Sonntag, dem Tag seiner Ernennung, er sei der Sohn von Holocaust-Überlebenden. «Wir werden weder vergeben noch vergessen, und es hat viele Polen gegeben, die mit den Nazis kollaboriert haben.»
Was noch am Sonntag wie eine vorübergehende Verstimmung zwischen Warschau und Jerusalem erschienen war, macht jetzt schon eher den Eindruck einer erst in ihren Anfängen stehenden handfesten Krise. Offiziell findet der Visegrad-Gipfel nun ja nicht statt, doch waren inoffizielle Treffen, wahrscheinlich nur zwischen Netanyahu mit den Delegationen Tschechiens, Ungarns und der Slowakei geplant. Mitteilungen an die Medien waren zunächst aber nicht vorgesehen, doch im Nahen Osten ist bekanntlich nichts beständiger als der Wandel. Das dürfte auch für die Tagesordnungen von offiziell gar nicht mehr stattfindenden internationalen Konferenzen gelten.
Leid auf beiden Seiten
Inzwischen gibt es weitere israelische wie auch internationale jüdische Stimmen zur Kontroverse zu verzeichnen. Dabei dürften die Komplimente, die Yair Lapid, Chef der Zukunftspartei, für «Poltergeist» Israel Katz äußerte («Ein Mann, der schon in den ersten Stunden nach seiner Ernennung zur Tat schreitet»), eher aus wahltaktischen Überlegungen, sprich Stimmen- und Kandidatenfang, gemacht worden sein und weniger aus reifen staatsmännischen Abwägungen heraus.
Michael Schudrich, der Oberrabbiner Polens, verurteilte hingegen den interimistischen Außenminister für dessen Bemerkung mit dem Antisemitismus, den die Polen mit der Muttermilch eingenommen hätten, sowie für die Bekräftigung, dass niemand Israel zu sagen habe, wie es seiner Gefallenen gedenken müsse. Rabbiner Schudrich nannte Shamirs Bemerkung von 1989 «ungerecht» und dessen Wiederholung 2019 «noch ungerechter». Im Gegensatz zu Staaten wie Frankreich, den Niederlanden und Dänemark hätten die Polen unter Besetzung laut Schudrich nicht mit den Deutschen kollaboriert. Das Zitat heute zu wiederholen, beleidige die «Gerechten unter den Völkern», von denen die Polen die grösste Gruppe darstellten. «Das beleidigt auch jene», betonte der Oberrabbiner, «die heute in den Gerechten die wahren Repräsentanten der polnischen Gesellschaft sehen wollen. Es beleidigt auch uns polnische Juden, die ein Teil jener Gesellschaft sind.»
Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, meint zur Affäre: «Als jemand, der seit über drei Jahrzehnten tief engagiert ist in der Förderung des polnisch-jüdischen Verständnisses, kann ich die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Israel und Polen nur beklagen. Sowohl für Juden als auch für Polen ist es unglücklich, dass widerwärtige und offensive Stereotype, die über die Jahre hinweg so viel Schmerz und Leid auf beiden Seiten verursacht haben, zu zirkulieren fortfahren.» Eine solche Sprache sollte laut Lauder keinen Platz haben in einem zivilisierten Dialog. «Wie traurig, zu denken, dass Jahrzehnte der Kooperation und des Goodwills jetzt gefährdet sind. Lasst uns alle zusammenarbeiten, um diese Krise zu überwinden.» Laut einer Meldung des israelischen Radios ist man sowohl im Jerusalemer Aussenministerium als auch in der Botschaft Israels in Warschau, gelinde gesagt, sehr unglücklich über die kontroversen Äußerungen des neuen Interims-Chefs. Hinter den Kulissen soll sogar schon über eine mögliche Herabstufung der bilateralen diplomatischen Beziehungen durch die Polen gemunkelt werden.
Zum Wohle des nationalen Interesses
Freunde von Sprichworten sei die im Titel dieses Artikels vollzogene Verzerrung der bekannten Katze verziehen, die das Mausen nicht lassen kann. Für einmal aber konnte Ihr Korrespondent seine Gefühle nicht im Zaume halten. Nach dem vielleicht spontanen, wahrscheinlich aber (vielleicht sogar mit der stillschweigenden Genehmigung des Regierungschefs) akribisch vorbereiteten aussenpolitischen Handeln des Novizen im Aussenministerium sei diesem hiermit mit allem gebührenden Respekt und guten Wünschen für seine Amtszeit ans Herz gelegt, bei der Formulierung seines aussenpolitischen Credos nicht nur der Millionen ermordeter Holocaust-Opfer zu gedenken, sondern in gleichem Masse auch die Mitbürger und -bürgerinnen des heutigen Israel zu berücksichtigen, die der neue Aussenminister, wenn auch nur interimistisch, zu vertreten die Ehre hat. In anderen Worten: Katz, halte das Mausen in erträglichen Grenzen – wenn du kannst, vor allem aber, wenn du es im Wohle des nationalen Interesses überhaupt willst.
Foto:
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 22. Februar 2019
Eine handfeste Krise
In einem Interview mit dem israelischen Radio sagte Katz unter Bezugnahme auf ein Zitat von 1989 des damaligen israelischen Premiers Itzhak Shamir, die Polen hätten den Antisemitismus «mit der Muttermilch eingenommen». Daraufhin veröffentlichte Polen ein Ultimatum nach den «rassistischen» israelischen Bemerkungen. Ohne Entschuldigung Jerusalems würde man sich von dem für Dienstag geplanten Visegrad-Gipfel zurückziehen. Was denn auch geschah. Der Anlass, an dem die Regierungschefs Ungarns, Tschechiens, Polens und der Slowakei hätten teilnehmen sollen, wurde abgesagt. Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki erklärte am Montag vor Reportern, die Bemerkungen des Interims-Außenministers Katz seien «rassistisch und inakzeptabel» und könnten nicht ohne Antwort bleiben. Katz meinte am Sonntag, dem Tag seiner Ernennung, er sei der Sohn von Holocaust-Überlebenden. «Wir werden weder vergeben noch vergessen, und es hat viele Polen gegeben, die mit den Nazis kollaboriert haben.»
Was noch am Sonntag wie eine vorübergehende Verstimmung zwischen Warschau und Jerusalem erschienen war, macht jetzt schon eher den Eindruck einer erst in ihren Anfängen stehenden handfesten Krise. Offiziell findet der Visegrad-Gipfel nun ja nicht statt, doch waren inoffizielle Treffen, wahrscheinlich nur zwischen Netanyahu mit den Delegationen Tschechiens, Ungarns und der Slowakei geplant. Mitteilungen an die Medien waren zunächst aber nicht vorgesehen, doch im Nahen Osten ist bekanntlich nichts beständiger als der Wandel. Das dürfte auch für die Tagesordnungen von offiziell gar nicht mehr stattfindenden internationalen Konferenzen gelten.
Leid auf beiden Seiten
Inzwischen gibt es weitere israelische wie auch internationale jüdische Stimmen zur Kontroverse zu verzeichnen. Dabei dürften die Komplimente, die Yair Lapid, Chef der Zukunftspartei, für «Poltergeist» Israel Katz äußerte («Ein Mann, der schon in den ersten Stunden nach seiner Ernennung zur Tat schreitet»), eher aus wahltaktischen Überlegungen, sprich Stimmen- und Kandidatenfang, gemacht worden sein und weniger aus reifen staatsmännischen Abwägungen heraus.
Michael Schudrich, der Oberrabbiner Polens, verurteilte hingegen den interimistischen Außenminister für dessen Bemerkung mit dem Antisemitismus, den die Polen mit der Muttermilch eingenommen hätten, sowie für die Bekräftigung, dass niemand Israel zu sagen habe, wie es seiner Gefallenen gedenken müsse. Rabbiner Schudrich nannte Shamirs Bemerkung von 1989 «ungerecht» und dessen Wiederholung 2019 «noch ungerechter». Im Gegensatz zu Staaten wie Frankreich, den Niederlanden und Dänemark hätten die Polen unter Besetzung laut Schudrich nicht mit den Deutschen kollaboriert. Das Zitat heute zu wiederholen, beleidige die «Gerechten unter den Völkern», von denen die Polen die grösste Gruppe darstellten. «Das beleidigt auch jene», betonte der Oberrabbiner, «die heute in den Gerechten die wahren Repräsentanten der polnischen Gesellschaft sehen wollen. Es beleidigt auch uns polnische Juden, die ein Teil jener Gesellschaft sind.»
Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, meint zur Affäre: «Als jemand, der seit über drei Jahrzehnten tief engagiert ist in der Förderung des polnisch-jüdischen Verständnisses, kann ich die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Israel und Polen nur beklagen. Sowohl für Juden als auch für Polen ist es unglücklich, dass widerwärtige und offensive Stereotype, die über die Jahre hinweg so viel Schmerz und Leid auf beiden Seiten verursacht haben, zu zirkulieren fortfahren.» Eine solche Sprache sollte laut Lauder keinen Platz haben in einem zivilisierten Dialog. «Wie traurig, zu denken, dass Jahrzehnte der Kooperation und des Goodwills jetzt gefährdet sind. Lasst uns alle zusammenarbeiten, um diese Krise zu überwinden.» Laut einer Meldung des israelischen Radios ist man sowohl im Jerusalemer Aussenministerium als auch in der Botschaft Israels in Warschau, gelinde gesagt, sehr unglücklich über die kontroversen Äußerungen des neuen Interims-Chefs. Hinter den Kulissen soll sogar schon über eine mögliche Herabstufung der bilateralen diplomatischen Beziehungen durch die Polen gemunkelt werden.
Zum Wohle des nationalen Interesses
Freunde von Sprichworten sei die im Titel dieses Artikels vollzogene Verzerrung der bekannten Katze verziehen, die das Mausen nicht lassen kann. Für einmal aber konnte Ihr Korrespondent seine Gefühle nicht im Zaume halten. Nach dem vielleicht spontanen, wahrscheinlich aber (vielleicht sogar mit der stillschweigenden Genehmigung des Regierungschefs) akribisch vorbereiteten aussenpolitischen Handeln des Novizen im Aussenministerium sei diesem hiermit mit allem gebührenden Respekt und guten Wünschen für seine Amtszeit ans Herz gelegt, bei der Formulierung seines aussenpolitischen Credos nicht nur der Millionen ermordeter Holocaust-Opfer zu gedenken, sondern in gleichem Masse auch die Mitbürger und -bürgerinnen des heutigen Israel zu berücksichtigen, die der neue Aussenminister, wenn auch nur interimistisch, zu vertreten die Ehre hat. In anderen Worten: Katz, halte das Mausen in erträglichen Grenzen – wenn du kannst, vor allem aber, wenn du es im Wohle des nationalen Interesses überhaupt willst.
Foto:
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 22. Februar 2019