p bremenwahltagesschauZum Ausgang der Bürgerschaftswahl in Bremen

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Bremens sozialdemokratischer Bürgermeister Carsten Sieling blieb äußerlich ungerührt, als er seinem Kontrahenten von der CDU, Carsten Meyer-Heder, der angesichts eines Stimmenvorsprungs von einem Prozent bei der Bürgerschaftswahl den Anspruch zur Regierungsbildung für sich reklamiert hatte, kühl erwiderte: „Kein Gott erteilt Aufträge zur Regierungsbildung“. Für ihn ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die CDU kam auf 25,5 Prozent, die SPD auf 24,5 Prozent, ihr bisher schlechtestes Ergebnis.

Vor 50 Jahren gab es auf Bundesebene eine ähnliche Situation. Bei der Bundestagswahl im September 1969 erzielten CDU und CSU zusammen einen Stimmenanteil von 46,1 Prozent. Die SPD erreichte 42,7 Prozent, die Freien Demokraten 5,8 Prozent Damit hatten die beiden zur Überraschung der Unionsparteien rechnerisch eine Mehrheit. Willy Brandt wurde zum Bundeskanzler einer sozialliberalen Koalition gewählt. Vizekanzler und Außenminister wurde Walter Scheel von der FDP. Zusammen stellten sie die Weichen für eine neue Ostpolitik. Damit begann eine politische Ära, an deren Ende zusammenwuchs, was zusammen gehört.

Ähnlich, wenn auch nicht so geschichtsträchtig, könnte es in Bremen kommen. Allein kann die CDU mit ihrem Seiteneinsteiger Meyer-Heder an der Spitze das kleinste Bundesland nicht regieren. Sie braucht einen Koalitionspartner. Ob sich die Grünen, die mit 18 Prozent wieder ein stattliches Ergebnis erzielten, dazu bereit finden werden, bleibt abzuwarten. Angesichts der politischen Rahmenbedingungen erscheint das unwahrscheinlich. Eine Große Koalition hat die SPD in Gestalt ihres Bürgermeister Sieling kategorisch ausgeschlossen, Stattdessen brachte er ein Bündnis zwischen der SPD, den Grünen und den Linken ins Gespräch, die sich mit 12 Prozent als stabiler Faktor der Bremer Politik erwiesen haben.

Wahrscheinlich kam dieser Vorschlag zu spät, um bei den Wählern gedanklich umgesetzt werden zu können. Manch einer hätte, um eine Machtübernahme durch die CDU zu verhindern, seine fünf Kreuze nicht bei den Grünen oder den Linken gemacht, sondern bei der SPD. Nur auf diese Weise hätte verhindert werden können, dass Bremen nach 73 Jahren erstmals nicht von einem Sozialdemokraten geführt wird.

Wie es tatsächlich weitergehen wird, ist zur Stunde offen. Die neue CDU-Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer wertete das Abschneiden der Bremer CDU als großen Erfolg, obwohl man sich fragen muss, wie es um das Selbstwertgefühl einer Landespartei bestellt sein muss, die einen politische Nobody aus der Wirtschaft ohne erkennbare Bindung an die Christlich- Demokratische Union als Spitzenkandidaten nominiert. Vielleicht liegt das im Trend der Entpolitisierung der Politik. In der Ukraine wurde ein Fernsehkomiker ohne Programm und ohne eigene Partei auf Anhieb zum Staatspräsidenten gewählt.

Für die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles bedeutet das schlechte Abschneiden der traditionsbewussten Bremer SPD eine weitere herbe Niederlage. Eingedenk der Stimmenverluste bei der Europawahl sprach sie von einem „extrem enttäuschenden Ergebnis“. Ihr „Kopf hoch!“ an die eigenen Reihen spricht Bände und offenbart die eigene Ratlosigkeit. Dabei stehen die schwersten Prüfungen noch bevor, die Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen. Anders als in Bremen, wo die AfD mit 7 Prozent unter den eigenen Erwartungen blieb, werden die Rechtspopulisten dort, wenn schon nicht die erste Geige, so doch mit Sicherheit die zweite neben der CDU spielen, während die Sozialdemokraten in den Chroniken unter „Ferner liefen“ vermerkt werden dürften.

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