Ratschläge für Sahra Wagenknecht
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sahra Wagenknecht scheint die Quellen und Prinzipien ihrer Partei vergessen zu haben.
Zumindest lassen sich ihre jüngsten Äußerungen zu den Wahlerfolgen der dänischen Sozialdemokraten so interpretieren. Denn seit den jeweiligen Gründungen im 19. Jahrhundert haben sozialistische Parteien die Solidarität der Völker zu einem ihrer zentralen Inhalte erklärt („Proletarier aller Länder vereinigt euch“ heißt es im Kommunistischen Manifest). Sie orientierten sich dabei an den Grundmaximen der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit/Geschwisterlichkeit. Dieser Internationalismus war der Gegenpol zur damaligen Frühform der Globalisierung, nämlich der Kolonialisierung. Die Aufteilung der Welt in wirtschaftliche Interessenssphären, die sich überwiegend in Bündnissen mit dort verankerten nationalen Oligarchien vollzog und nach wie vor vollzieht, ist der Hauptgrund für die weltweite Flüchtlingsbewegung, die sich möglicherweise erst in ihren Anfängen befindet.
Denn Rücksichten auf menschliche Grundinteressen (ein Leben ohne wirtschaftliche, politische und weltanschauliche Zwänge) bedeuten Ertragsschmälerungen. Folglich sind Kriege, ungehemmte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen (inklusive der Folgen für das Weltklima) und soziale Deklassierung typische Geschäftsmodelle einer Wirtschaftsordnung, in der eine kleine vermögende Minderheit (die Eigentümer der Finanz- und Produktionsmittel) den Weg bestimmt.
In den überwiegend autoritär regierten Staaten Kleinasiens und Afrikas, aber auch Südost-Europas besitzen die Menschen kaum Möglichkeiten, sich dagegen aufzulehnen. Sie können sich ihrer Misere meist nur durch Flucht entziehen. Und versprechen sich ein besseres Leben in den Vater- und Mutterländern der deregulierten Weltwirtschaft, die sie häufig nur unter Lebensgefahr erreichen. Damit sie dort nicht die längst wieder aufgeflammten sozialen Auseinandersetzungen (hervorgerufen durch den Strukturwandel) verstärken, werden sie zum Subproletariat erklärt und dadurch zu neutralisieren versucht. Auf dieses kann sowohl der um seinen Lohn betrogene Scheinselbstständige als auch der in die Altersarmut entlassene Rentner noch verächtlich herabblicken; Solidarität der Werktätigen sieht anders aus. Und Integration, die diesen Namen verdient, ebenfalls.
All das sollte Sahra Wagenknecht nicht neu sein. Stattdessen äußert sie besondere Sympathien für die dänischen Sozialdemokraten. Diese konnten wegen ihrer deutlich distanzierten Haltung gegenüber Flüchtlingen einen Wahlerfolg feiern. Wagenknechts Argument, dass man den Migranten am besten durch die Beseitigung der Fluchtursachen helfen könnte, überzeugt in der gegenwärtigen Situation nicht. Denn die Geflüchteten sind da und tagtäglich rütteln weitere an den Grenzen der „Festung Europa“; Unzählige verlieren dabei im Mittelmeer ihr Leben. Parallel dazu unterstützen europäische und US-amerikanische Konzerne unvermindert die Regime in Syrien, im Irak, in den Emiraten und in Saudi-Arabien – nicht zuletzt durch den Verkauf von Waffen und moderner Elektronik.
Um diesen Kreislauf von Profit, Gewalt und Elend mindestens zu unterbrechen und ihn so zum Erliegen zu bringen, helfen keine Schlagworte, die sich rasch als Problemverdrängung entpuppen. Ich vermisse gemeinsame und andauernde Protestaktionen von Einheimischen und Geflüchteten vor arabischen Vertretungen und deren deutschen/europäischen Handelspartnern (vergleichbar den „Fridays for Future“). An deren Spitze dürfte sich gern Sahra Wagenknecht stellen. Schließlich muss Solidarität populär gemacht werden.
Foto:
Briefmarke aus der DDR zur internationalen Solidarität.
Leider blieb es bei der Propagierung der Ziele, umgesetzt wurde sie nicht.