Für Fridays for Future ist die Frankfurter Grüne Lunge existentiell, sie stellten sich zum letzten Wochenende in einer Menschenkette um die Pracht der Gärten auf – die angezählt bleibt
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Frankfurter Grüne Lunge ist hochgradig bedroht. Sie soll einem Vorhaben von ‚Instone Real Estate‘ mit mehrheitlich Eigentumswohnungen zwischen einigen Hunderttausend und 4 Millionen Euro weichen. In Frankfurt ist jeder vierte Baum krank.
Die Grüne Lunge, nordöstlich des Günthersburgparks und in Reichweite der Friedberger Landstraße gelegen, ist ein vorrangiges Kleinod des örtlichen Naturhaushalts und sorgt als Tor der Frischluftschneise vom Norden her für die Zufuhr nasskühlenden Klimas. Das umkämpfte Gebiet geht auf ein Projekt der vorherigen Stadtregierung zurück, die den Investoren noch weniger zu widerstehen vermochte als die heutige und es wird immer noch unter der verräterischen Bezeichnung ‚Innnovationsquartier“ gehandelt. Fridays für Future hatten schon vor der Niederlassung von Instone am Wiesenhüttenplatz demonstriert.
Die ABG Holding steht im Kampf um die Stadt in der Verbindlichkeit
Mit der Präsentierung des Geschäftsberichts der ABG wurde für die angespannte Lage des Frankfurter Wohnungsmarkt eine Wende eingeleitet, die aber mit Vorsicht zu genießen ist. Das politische Personal ist ohne Profil, steht vornehmlich für die Parteiklüngel. Auch die Gesellschaft ist über das, das die Zukunft bringen oder vermeiden sollte, zerstritten, wie die Reaktionen auf das Klimapaket zeigen. Es geht nach dem Motto: Mach mich nicht nass. Dass die Stadt ihre Möglichkeiten, die Verfügung über Boden und Gebäude wahrzunehmen, nicht entschlossen ergriff, sondern sich dem Spiel mächtiger Kräfte gebeugt hat, obwohl sie mit der Erhaltungs- und Milieuschutz-Satzung einiges bewegen könnte, stieß dem aufgeklärten Bürger immer wieder bitter auf.
Zwischen dem Land und der Stadt schwelt der Streit, ob mietbarer Wohnraum durch eine verweigerte Genehmigung von Umwandlung in Eigentumswohnungen oder durch ein Gesetz gegen Leerstand sichergestellt werden soll. Das Land will sich an die Verweigerung der Genehmigung halten, die Stadt will das Gesetz gegen Leerstand. Zu letzterem: Investoren haben sich einen Sport daraus gemacht, Objekte zwar aufzukaufen, dann aber zu warten, bis diese zu einem höheren Ertrag wiederverkauft werden können. Die ‚Genehmigungslösung‘ von Tarek al Wazir aber begreift nicht, dass die Umwandler am längeren Hebel sitzen und sich Zeit lassen können. Das geht locker in die Verlustrechnung ein. Inzwischen erschien eine Artikelüberschrift über „Das Sterben der Tauben“, d.h. Tauben wurden versehentlich in der obersten Etage eines Leerstands eingesperrt und verendeten dort kläglich.
Dies ist nur ein Beispiel für die verfahrene Situation, zumal die Frankfurt-CDU peinlichst darüber wacht, dass nicht etwa der Sozialismus/Kommunismus wieder ausbricht. Diesem Wachen dient das manische Schreckgespenst des Sozialismus. Haben wir denn nicht schon einen quasi-chinesischen autoritären Kommunismus von oben, während das bisschen Mini-Sozialismus da unten die Leute dauerhaft im Prekariat hält?
Es geht auf keine Kuhhaut, was die Stadt sich in den vergangenen Jahren an Grundstücken, über die sie hätte mitbefinden können, hat entgehen lassen. Der nackte Wahnsinn in Klotzbeton wurde mit dem grotesken One Forty West hochgezogen; da wo sich einst der Turm der kritischen Pädagogen-Generation erhob. Was an dessen Stelle trat, ist das schändlichste und empörendste Kapitel der Stadt. Und das neben dem Museum Senckenberg, das an das One Forty West Präparate zur Zurschaustellung ausleihen soll. Zu einer weiteren Selbstbeweihräucherung. Das One Forty West wurde nur für die Selbstbespiegelung einer herrschenden abgedrehten Klasse gebaut. Sie herrscht nur, weil wir das zulassen. Aber diesen Kreisen huldigt die Frankfurter CDU, denn sie möchte auch gerne so sein wie die oder sich wenigstens virtuell zu diesen hinzuzählen.
Es fehlt der große Wurf nach der Vorbildlichkeit eines Ernst May (Projektentwickler)
Hierzu bräuchte es einen expressiven Elan, um ein Marx-Viertel vom Schlag der Wiener Gemeindebauweise für Frankfurt zu errichten. Warum ist das so schwer? Die ABG hätte es in der Hand. Aber ihr Chef zieht – wie es immer wieder scheint - die persönliche Karriere vor einem echten Loslegen vor. Durch die angebrachte Lobbyarbeit des Oberbürgermeisters Feldmann wurde jetzt der Sozialwohnungsanteil in Richtung 50 Prozent vorangebracht. Aber auch Mittelstandswohnungen mit Förderungsanteil (aus einem höheren Topf) sind dabei. Als Ausgleich darf die ABG wieder 10 Prozent in Eigentumswohnungen errichten. Das aber ist und bleibt Illusion - wir kommen darauf zurück. Die teuersten reichen bis zu 22 000 Euro pro Quadratmeter (in Offenbach!). Das ist Betongold.
Die Mieten sind für die ABG auf 5 Prozent in fünf Jahren gedeckelt. Das Mietniveau bei Sozialwohnungen oder Mittelstandswohnungen soll sich im Korridor von 6,50 über 8,50 und 9,50 bis 10,50 bewegen. Der Geschäftsbericht der ABG weist für 2018 einen Überschuss von 112,7 Millionen Euro aus. Der Umsatz stieg auf knapp über eine halbe Milliarde, die Eigenkapitalquote hält sich bei gut einem Drittel des Gesamtkapitals. Die ABG investierte zu zwei Dritteln in Neubauten und zu einem Drittel in den Bestand.
Die Frankfurter Initiative des ‚Mietentscheids‘ will erreichen, dass in Anbetracht der katastrophalen Lage auf dem Mietmarkt für bezahlbare Wohnungen die ABG nur noch gemeinnützigen und geförderten Wohnraum errichten soll. Oberbürgermeister Feldmann will das nicht zur Norm erheben und meint, dass die ABG auf alle Märkte eine dämpfende Wirkung ausüben könne, um der Wohnungsspekulation entgegenzutreten. Sie hat mittlerweile 52 884 Wohnungen im Bestand, davon sind 30 Prozent öffentlich erstellt. Zurzeit hat sie 1968 Wohnungen im Bau. Für die Errichtung von über 8100 Wohnungen sind in den kommenden fünf Jahren Investitionen in Höhe von 2,3 Mrd. Euro geplant. Sie investiert auch ausgiebig in Nachverdichtungen (ein Trend, der über die ganze Stadt verteilt ist).
Sagenhaft: die CDU will die Profiteure zur Kasse bitten – weil sie offenbar so fragwürdig sind -: mit der Abschöpfung der Planungsgewinne
Das wäre wahrlich eine Wende in die Umverteilung, wenn sie denn hält. Der Grund ist die gespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt. Eine Meldung mit Sprengkraft lautete mal: ‚Schwarzburgstraße – 338 Prozent mehr Miete‘. Eine andere vermeldete kurz und knapp: ‚Zu teuer, zu klein, schon weg‘. Diese Meldungen bleiben unvergessen. 1990 gab es in Frankfurt am Main noch 67 000 Sozialwohnungen, 2015 nur noch 32 000. Theo Waigel hatte 1989 die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft. Man wollte die Wohnraumversorgung wieder dem freien Markt überlassen. Die Sozialbindung neuerer öffentlicher Wohnungen bleibt befristet.
Der Magistratsbeschluss zur Abschöpfung der Planungsgewinne ist noch nicht getätigt. Die Stadtregierung von CDU, SPD und Grünen möchte bis zu zwei Drittel des Gewinns abschöpfen. Das freie Spiel abgehobener Akteure soll nicht länger gelten. Städte wie München und Münster wären hierfür Vorbild. Der Investor muss lange vor Aufstellung des Bebauungsplans einer Gewinnabschöpfung von bis zu 66 Prozent zustimmen. Höhere Gerichte haben diese Abschöpfung als zulässig bestätigt. Die Stadt weiß sich am längeren Hebel. Es gibt Fälle, in denen Projektentwickler später ein Grundstück auch mit über 20-fachem Zugewinn veräußert hatten – ohne dass das Baurecht vorher tätig wurde. Es sollen im Gegenzug Interessen an die Stadt gebunden werden, die der Stadt nicht nur durch das Auge des nicht wohlverstandenen Eigennutzes begegnen.
Die CDU und ihr Eigentumsmodell
Bezeichnend ist es schon, dass die Sozialdemokraten für die ‚wohnungspolitische Verständigung‘ mit der CDU doch noch eine Kröte schlucken mussten: mit Wohnungseigentumsförderung in künftigen Neubaugebieten. Als Partei des widerchristlichen Besitzbürgermaterialismus sorgt sich die CDU um das Heil an materiellem Eigentum. Weiß sie denn nicht aus der Praxis, dass das Wohnungseigentum für die Spanne eines Kernlebens - von 20 Jahren mit Familie (und überhaupt) - sich als illusionär, ja geradezu als verfehlt erweist, sobald die Kinder aus dem Hause sind und ausgeflogen bleiben. Zumal das dem Leben Abgerungene auch in der Endphase des zurückgehenden Lebens noch recht aufwendig bewirtschaftet werden muss. Auch ein Kredit ist nie abbezahlt, immer wieder bedarf es zumindest der Erhaltungs-, wenn nicht gar der zeitgemäßen Erweiterungsinvestition. Die Jungen winken in Anbetracht des ‚alten Krempels‘ ab und werfen ihn bei nächster Gelegenheit auf den Markt der Spekulation. An diesem ideologischen Rad der Illusion – das umfangreiche Handelsakte generiert – profitieren Poll & Co. Auch müssen Anwälte und Notare eingeschaltet werden. Besser wäre die Konzeption, für jede Lebensphase die angemessene Zahl an Räumen bereitzustellen, nach der Regel 1-2-4-2-1. Auf dieser Basis wäre es zielführend, wenn die Kommunen die Errichtung hochwertigen, dem Leben der Familien mit Kindern - im Unterschied zu heute - freundlich zugedachten Wohnraums besorgen würden. In Frankfurt taugt hierzu – synonym und zeitlich versetzt - das Vorbild eines Ernst May und seiner Mannen und Frauen. Warum aber will die CDU unbedingt das Eigentum fördern? Sie will mit dem Kauf von Eigentum die Menschen an das kapitalistische Wirtschaftssystem ketten, damit eine auf Misshelligkeit und Ungleichheit angelegte Herrschaftsform gewahrt bleibe. In diesem Sinne blockiert die CDU den freien Geist und macht einen unfreien Kopf. Mit einem hohen Kredit am Bein ist der Untertan festgeschmiedet und sinnt auf keinen Ärger im Fortgang der politischen Verhältnisse. So läuft scheinbar alles wie geschmiert. Marx hat das unter „Vorgeschichte“ subsumiert.
Info:
Geschäftsbericht der ABG Frankfurt Holding, vorgestellt am 27.09.2019 in der Konzernzentrale
Fotos © Heinz Markert (Fridays for Future am 27.09.2019 auf dem Weg zur Grünen Lunge; dort traten Matthias Baumgardt und April King auf und spielten zum später klimagerecht zubereiteten Mittagessen)