Verfassungsfeinde klagen vor dem Verfassungsgericht
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Möglicherweise gibt das Bundesverfassungsgericht einer Klage der AfD statt.
Das zeichnete sich für Beobachter der mündlichen Verhandlung am 10. Februar in Karlsruhe ab. Denn die AfD war im Rahmen ihrer Jagd auf den demokratischen Staat und dessen Institutionen gegen Bundesinnenminister Seehofer vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Sie fühlt sich von dessen Feststellung benachteiligt, dass sie „staatszersetzend“ und „gegen diesen Staat“ sei. Konkreter Anlass für dessen Ordnungsrufe waren verbale Angriffe der AfD auf den Bundespräsidenten. Die Worte fielen 2018 in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur, das auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht wurde.
Allem Anschein nach setzt diese Bande, die man nicht als demokratische Partei bezeichnen kann, auf das Vergessen sowohl ihrer eigenen Schandtaten als auch auf jene ihrer Vorbilder. Exemplarisch erwähnt seien in diesem Zusammenhang die Äußerungen von Alexander Gauland unmittelbar nach der Bundestagswahl 2017: „Da wir ja nun offensichtlich drittstärkste Partei sind, kann sich diese Bundesregierung [...] warm anziehen. Wir werden sie jagen, wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen – und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen."
Das war nichts anderes als die Ankündigung eines fundamentalen Verfassungsbruchs. Sollte das Bundesverfassungsgericht davon bislang keine Kenntnis haben? Sollte es sich ähnlich wie beim Nichtverbotsurteil gegen die NPD in naiver und juristisch fehlerhafter Weise seiner Verpflichtung als dritte Gewalt entledigen wollen?
Der Bundesinnenminister ist von Amts wegen im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Innere Sicherheit auch Verfassungsminister. Deswegen untersteht ihm das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Die Aktivitäten der AfD, insbesondere die der Jugendorganisation, die Blut-und-Boden-Propaganda des so genannten „Flügels“ von Björn Höcke oder die Verharmlosung der NS-Diktatur durch Alexander Gauland („Vogelschiss“) sowie dessen „Jagd“-Aufruf, sind dort aktenkundig, auch wenn die Gesamtpartei (noch) nicht beobachtet wird. Der Minister war und ist deswegen zwecks Gefahrenabwehr zur öffentlichen Stellungnahme verpflichtet. Es ging also ausdrücklich nicht um den in der Demokratie notwendigen Streit der Parteien um Sachfragen und unterschiedliche Zielvorstellungen innerhalb der grundgesetzlich garantierten Freiheiten. Und folglich auch nicht um die Benachteiligung einer konkurrierenden politischen Partei durch eine Bundesbehörde.
Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht (anders als beim NPD-Urteil) nunmehr die Gefahren für die Demokratie bannt oder Verfassungsfeinden weiterhin Entfaltungsmöglichkeiten gewährt. Das Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet.
Foto:
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
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