Rabbiner Shmuly Yanklowitz, Rabiner Avram Mlotek, Rabbiner Uri Pilichowski
New York (Weltexpresso) - Der Coronavirus bringt eine Krise, die uns reflexartig zur Sorge um uns selbst und nächste Angehörige bringt. Dies liegt in unserer Natur als Menschen. Doch wir dürfen deshalb nicht in einen engstirnigen Tribalismus verfallen. Covid-19 betrifft die ganze Menschheit und kann nur durch gemeinsame Anstrengungen bewältigt werden. Dazu möchte ich als sozial engagierter Rabbiner mit medizinischen Kenntnissen Ratschläge beitragen.
Der Coronavirus befällt nicht allein den Körper, sondern stellt unser Vertrauen in Regierungen und Wirtschaft, vor allem aber Gemeinschaften und Mitbürger in Frage. Dabei ist es ganz wichtig, dass wir keine Schuldzuweisungen betreiben und etwa Chinesen oder sogar sämtliche Asiaten verantwortlich machen.
Ein orthodoxer Rabbiner hat in bizarrer Weise LGBTQ-Menschen vorgeworfen, die Krankheit zu verbreiten. Natürlich müssen Politiker und Beamte ihre Pflicht tun und dürfen nicht straflos mit Versagen oder Lügen davon kommen. Aber statt nach Sündenböcken zu suchen, sollte Jeder helfen, wo er oder sie nur kann. Das muss unser Fokus sein.
Dennoch ist Skepsis angebracht. Furcht vor Ansteckungen ist ein starkes Motiv für Vorsichtsmassnahmen. Und wir dürfen nicht starr vor Angst werden, sondern dadurch zum Nachdenken und Handeln bewegt werden. Es mag Leser erschrecken. Aber Covid-19 stellt eine globale Gefahr dar, die mit den biblischen Amalekitern vergleichbar ist. Diese sind grausam über die Schwächsten Israels hergefallen. Unser Gebot ist erneut, Amalek zu besiegen. Aber dabei müssen wir stets die Schwächsten unter uns schützen, Alte und Kranke.
Auch hier gilt als Maxime: Wir müssen als Menschen zusammen stehen. Und das bedeutet auch, dass wir unsere Abhängigkeit voneinander erkennen und wertschätzen. Der Coronavirus zeigt, dass uns Mauern, wie sie an Grenzen errichtet werden, oder die Absonderung von Immigranten nicht schützen können. Die Krankheit lehrt, dass es kein «Wir gegen Sie» gibt – nur ein «Wir». Mitgefühl, Freundlichkeit, ein höheres Mass an Gerechtigkeit und Demut gegenüber unserer Abhängigkeit von Anderen sind der einzige Pfad vorwärts. Medizinisch gesehen, treten wir in eine so nie dagewesene Epoche von Reiseverboten und Zwangs-Isolierungen.
Dies kann wie ein Sabbath genutzt werden, als Gelegenheit zu Besinnung, Einkehr und Ruhe. Damit können auch Ideen und neue Wege zur Bekämpfung des Virus kommen. Und so leicht der der Coronavirus auch übertragbar ist: Liebe ist ebenso ansteckend. Dies reicht von Empathie mit Nachbarn zu der Einsicht, dass die Zukunft nurmehr durch eine intensivere Kooperation zwischen Staaten und Gesellschaften bewältigt und gestaltet werden kann. Verbreiten Sie daher Liebe, Wärme und Optimismus. Dann gelingt der Sieg über die Krankheit um so schneller. Rabbiner Shmuly Yanklowitz, Phoenix/Arizon
Sicherheit und Gesundheit gehen über alles
Von Rabbiner Avram Mlotek, Manhattan
Die Nachrichten sind denkbar schlecht und stellen uns vor harte Fragen. Unsere Gemeinschaft in New York wird von einer Pest-Plage befallen und wir sollen uns fortan nicht weiter versammeln, um körperliche Kontakte weitgehend zu vermeiden.
Dennoch ist Skepsis angebracht. Furcht vor Ansteckungen ist ein starkes Motiv für Vorsichtsmassnahmen. Und wir dürfen nicht starr vor Angst werden, sondern dadurch zum Nachdenken und Handeln bewegt werden. Es mag Leser erschrecken. Aber Covid-19 stellt eine globale Gefahr dar, die mit den biblischen Amalekitern vergleichbar ist. Diese sind grausam über die Schwächsten Israels hergefallen. Unser Gebot ist erneut, Amalek zu besiegen. Aber dabei müssen wir stets die Schwächsten unter uns schützen, Alte und Kranke.
Auch hier gilt als Maxime: Wir müssen als Menschen zusammen stehen. Und das bedeutet auch, dass wir unsere Abhängigkeit voneinander erkennen und wertschätzen. Der Coronavirus zeigt, dass uns Mauern, wie sie an Grenzen errichtet werden, oder die Absonderung von Immigranten nicht schützen können. Die Krankheit lehrt, dass es kein «Wir gegen Sie» gibt – nur ein «Wir». Mitgefühl, Freundlichkeit, ein höheres Mass an Gerechtigkeit und Demut gegenüber unserer Abhängigkeit von Anderen sind der einzige Pfad vorwärts. Medizinisch gesehen, treten wir in eine so nie dagewesene Epoche von Reiseverboten und Zwangs-Isolierungen.
Dies kann wie ein Sabbath genutzt werden, als Gelegenheit zu Besinnung, Einkehr und Ruhe. Damit können auch Ideen und neue Wege zur Bekämpfung des Virus kommen. Und so leicht der der Coronavirus auch übertragbar ist: Liebe ist ebenso ansteckend. Dies reicht von Empathie mit Nachbarn zu der Einsicht, dass die Zukunft nurmehr durch eine intensivere Kooperation zwischen Staaten und Gesellschaften bewältigt und gestaltet werden kann. Verbreiten Sie daher Liebe, Wärme und Optimismus. Dann gelingt der Sieg über die Krankheit um so schneller. Rabbiner Shmuly Yanklowitz, Phoenix/Arizon
Sicherheit und Gesundheit gehen über alles
Von Rabbiner Avram Mlotek, Manhattan
Die Nachrichten sind denkbar schlecht und stellen uns vor harte Fragen. Unsere Gemeinschaft in New York wird von einer Pest-Plage befallen und wir sollen uns fortan nicht weiter versammeln, um körperliche Kontakte weitgehend zu vermeiden.
Wie damit umgehen? Die Geschichte lehrt, dass die Beachtung medizinischer Vorsichtsmassnahmen auch die Erfüllung des höchsten Glaubens-Gebotes bedeutet: pikuach nefesh – die Rettung menschlichen Lebens. Wer also Symptome der Virus-Erkrankung fühlt und sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht, vollzieht damit eine Mitzwah. Dazu ein Beispiel aus der New Yorker Cholera-Epidemie von 1846. Diese erreichte zu Jom Kippur einen Höhepunkt. Der Überlieferung nach stieg damals Rabbiner Yisrael Salanter auf die Kanzel, wusch seine Hände und sprach einen Segen aus, als er am heiligsten Tag unseres Kalenders ein Stück Brot as. Der jüdischen Gemeinschaft war bang vor der Verletzung religiöser Normen. Doch Rabbiner Salanter führte ihnen vor Augen: Angesichts einer lebensbedrohenden Krankheit war Essen an Jom Kippur kein Bruch des jüdischen Gesetzes, sondern im Gegenteil eine Befolgung der Torah. Vor die Wahl zwischen Leben oder Tod gestellt, müssen Juden stets leidenschaftlich Leben wählen. Und in Zeiten solcher Not sehen wir stets kreative Abhilfen. Dies war zu erleben, als die jüdische Tagesschule «SAR Academy» nördlich von Manhattan nach einem Virus-Fall den Unterricht umgehend auf Online verlegt hat. Dazu hat Rebbe Nachman von Bratzlav geschrieben: «Es gibt in der Welt keine Verzweiflung.» Der Rebbe war depressiv, lebte in für Juden ausserordentlich schwierigen Zeiten und hatte seinen Sohn verloren. Was wollte er sagen? Er bietet uns eine Lebensphilosophie: «Die ganze Welt ist eine schmale Brücke. Das massgebliche Prinzip: Habt keine Furcht.» Achten wir also auf Sicherheit und schützen wir die Gesundheit. Und vergessen Sie niemals den Leitspruch seit den Tagen von Passover: Trotz allem, Juden bestehen fort.
Quarantäne als spirituelle Quelle
Von Rabbiner Uri Pilichowski, Modi´in
Als ich jüngst nach Israel zurück gekehrt bin, wurde mir eine Quarantäne auferlegt. Ich hatte an der Aipac-Konferenz in Washington teilgenommen. Wie sich später heraus stellte, hatten daran auch mit Coronavirus infizierte Menschen teilgenommen. Ich stellte fest, dass der hebräische Begriff für Quarantäne «Bidud» lautet. Und dieses Wort erinnerte mich unwillkürlich an das Klagelied «Megillat Eichah», das wir an Tischa beAv lesen. Dort ist von der «Einsamkeit» des zerstörten Jerusalems die Rede. Und eben dieses Wort dient heute zur Bezeichnung von Quarantäne. Abgeschnitten von Freunden, Familie, Kollegen und Mitmenschen, ist eine Person in Quarantäne tatsächlich zutiefst einsam. Ein Telefonat oder der Austausch über Email und Video-Konferenz ist kein Ersatz für die physische Präsenz anderer Menschen. Es kann für eine Umarmung, Kuss oder auch nur einen Handschlag keinen Ersatz geben. Allein die Gegenwart Anderer vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und Komfort. Und wer als Jude die Rituale unseres Glaubens mit ihrer Gemeinsamkeit schätzt, muss auch die medizinisch verordnete Einsamkeit um so härter spüren. Doch darin liegt auch eine Chance. Quarantäne bringt Einsamkeit, die mit Gott geteilt werden kann. Und dies auf tiefere Weise, als je zuvor. Gott hört unsere Stimmen in Ewigkeit und harrt unserer Gebete. Die durch die Abtrennung von gemeinschaftlichen Ritualen gerissene, spirituelle Lücke kann durch eine stärkere Verbindung zu Gott gefüllt werden.
Foto:
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 12. März 2020
Quarantäne als spirituelle Quelle
Von Rabbiner Uri Pilichowski, Modi´in
Als ich jüngst nach Israel zurück gekehrt bin, wurde mir eine Quarantäne auferlegt. Ich hatte an der Aipac-Konferenz in Washington teilgenommen. Wie sich später heraus stellte, hatten daran auch mit Coronavirus infizierte Menschen teilgenommen. Ich stellte fest, dass der hebräische Begriff für Quarantäne «Bidud» lautet. Und dieses Wort erinnerte mich unwillkürlich an das Klagelied «Megillat Eichah», das wir an Tischa beAv lesen. Dort ist von der «Einsamkeit» des zerstörten Jerusalems die Rede. Und eben dieses Wort dient heute zur Bezeichnung von Quarantäne. Abgeschnitten von Freunden, Familie, Kollegen und Mitmenschen, ist eine Person in Quarantäne tatsächlich zutiefst einsam. Ein Telefonat oder der Austausch über Email und Video-Konferenz ist kein Ersatz für die physische Präsenz anderer Menschen. Es kann für eine Umarmung, Kuss oder auch nur einen Handschlag keinen Ersatz geben. Allein die Gegenwart Anderer vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und Komfort. Und wer als Jude die Rituale unseres Glaubens mit ihrer Gemeinsamkeit schätzt, muss auch die medizinisch verordnete Einsamkeit um so härter spüren. Doch darin liegt auch eine Chance. Quarantäne bringt Einsamkeit, die mit Gott geteilt werden kann. Und dies auf tiefere Weise, als je zuvor. Gott hört unsere Stimmen in Ewigkeit und harrt unserer Gebete. Die durch die Abtrennung von gemeinschaftlichen Ritualen gerissene, spirituelle Lücke kann durch eine stärkere Verbindung zu Gott gefüllt werden.
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© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 12. März 2020