Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Rutscht die Knesset, das israelische Parlament, unrettbar in die Krise? Der Oberste Israelische Gerichtshof befand am Montag einstimmig, dass Knessetsprecher Yuli Edelstein (Likud) das Parlament bis Mittwoh einberufen müsse, um eine Abstimmung über die Wahl eines neuen Sprechers durchzuführen. Edelstein hatte sich geweigert, dies zu tun.
Die Einmischung der Gerichtsbarkeit in parlamentarische Angelegenheiten hat höchsten Seltenheitswert in der israelischen Gegenwartsgeschichte.«Hier ist die Einmischung nötig», schrieben die Richter in ihrem Befund, «denn sonst wären das ‘demokratische Lebensmuster‘ und die ‚Fundamente unseres parlamentarischen Systems‘ kompromittiert».
Das in fünfköpfiger Zusammensetzung angetretene Gericht wies Edelstein an, der Knesset zu gestatten, bis Mittwoch die Wahl eines neuen Sprechers zu diskutieren, nachdem die Blauweiss-Partei von Benny Gantz und andere politische Gruppen eine Anzahl Petitionen eingereicht hatten. Diese folgten auf Edelsteins Weigerung, das Parlament einzuberufen, um sich mit dem Thema zu befassen. Laut Edelstein würde die Wahl eines neuen Sprechers die Bemühungen des Likuds und von Blauweiss behindern, eine Einheitsregierung zu bilden.
Um ein Urteil in der Sache zu vermeiden, hatte das Oberste Gericht von Edelstein verlangt, ihm seinen Entscheid bis 21 Uhr Ortszeit am Montagabend zu unterbreiten. Edelstein weigerte sich und schrieb den Richtern: «Bei allem Respekt: So lange wie das Gericht mir und der israelischen Knesset das Ultimatum präsentiert, die Sitzung ‚nicht später als am 25.3.20‘ abzuhalten, kann ich dem nicht zustimmen».
Das würde heissen, fuhr Edelstein fort, dass die Tagesordnung der Knesset vom Obersten Gerichtshof formuliert würde und nicht von dem damit beauftragten Knessetsprecher. Die Einmischung des Gerichts in diese Angelegenheit sei von «klar politischer Natur», und sollte das Gericht entscheiden, zu intervenieren, könnte das so aufgefasst werden als würde es «seine Zehen in den politischen Sumpf eintauchen». Das wiederum würde das Vertrauen der Öffentlichkeit ernsthaft beeinträchtigen.
Edelstein sagte ferner, er werde die Angelegenheit der Wahl eines neuen Sprechers «so bald als möglich» auf die Tagesordnung setzen, wenn alle Umstände dies rechtfertigen würden, jedenfalls in den nächsten paar Tagen und «nicht später als zum Zeitpunkt der Einberufung der Knesset zum Zweck der Regierungsbildung».
Einen Termin nannte der Sprecher aber nicht. Laut Edelstein würde die Intervention des Obersten Gerichts in die Angelegenheit die «politische Ausnutzung eines schwierigen Moments in der Wahl eines Knessetsprechers gestatten, der vielleicht zum ‚Sprecher des Konflikts‘ werden würde, der der Arbeit von Knesset und Regierung schaden würde.
In der Urteilsbegründung hatte Gerichtspräsidentin Esther Hayut unter anderem geschrieben: «Die fortgesetzte Weigerung, eine volle Abstimmung in der Knesset zur Wahl eines permanenten Knessetsprechers durchzuführen, untergräbt die Fundamente des demokratischen Prozesses. Sie schädigt aufs Gröbste sowohl die Position der Knesset als unabhängige Körperschaft als auch den friedvollen Machttransfer».
Richterin Hayut machte auch geltend, dass die Sache Edelstein persönlich betreffe, weshalb seine Beurteilungsfähigkeit in der Angelegenheit nicht «breit» sei sondern äusserst «eng und limitiert». – In der Knessetdebatte meldeten sich diverse Vertreter des Likuds zu Wort, wobei vor allem Kulturministerin Miri Regev durch eine besonders grobe, ja fast unflätige Ausdrucksweise auffiel.
Foto:
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24. März 2020
Das in fünfköpfiger Zusammensetzung angetretene Gericht wies Edelstein an, der Knesset zu gestatten, bis Mittwoch die Wahl eines neuen Sprechers zu diskutieren, nachdem die Blauweiss-Partei von Benny Gantz und andere politische Gruppen eine Anzahl Petitionen eingereicht hatten. Diese folgten auf Edelsteins Weigerung, das Parlament einzuberufen, um sich mit dem Thema zu befassen. Laut Edelstein würde die Wahl eines neuen Sprechers die Bemühungen des Likuds und von Blauweiss behindern, eine Einheitsregierung zu bilden.
Um ein Urteil in der Sache zu vermeiden, hatte das Oberste Gericht von Edelstein verlangt, ihm seinen Entscheid bis 21 Uhr Ortszeit am Montagabend zu unterbreiten. Edelstein weigerte sich und schrieb den Richtern: «Bei allem Respekt: So lange wie das Gericht mir und der israelischen Knesset das Ultimatum präsentiert, die Sitzung ‚nicht später als am 25.3.20‘ abzuhalten, kann ich dem nicht zustimmen».
Das würde heissen, fuhr Edelstein fort, dass die Tagesordnung der Knesset vom Obersten Gerichtshof formuliert würde und nicht von dem damit beauftragten Knessetsprecher. Die Einmischung des Gerichts in diese Angelegenheit sei von «klar politischer Natur», und sollte das Gericht entscheiden, zu intervenieren, könnte das so aufgefasst werden als würde es «seine Zehen in den politischen Sumpf eintauchen». Das wiederum würde das Vertrauen der Öffentlichkeit ernsthaft beeinträchtigen.
Edelstein sagte ferner, er werde die Angelegenheit der Wahl eines neuen Sprechers «so bald als möglich» auf die Tagesordnung setzen, wenn alle Umstände dies rechtfertigen würden, jedenfalls in den nächsten paar Tagen und «nicht später als zum Zeitpunkt der Einberufung der Knesset zum Zweck der Regierungsbildung».
Einen Termin nannte der Sprecher aber nicht. Laut Edelstein würde die Intervention des Obersten Gerichts in die Angelegenheit die «politische Ausnutzung eines schwierigen Moments in der Wahl eines Knessetsprechers gestatten, der vielleicht zum ‚Sprecher des Konflikts‘ werden würde, der der Arbeit von Knesset und Regierung schaden würde.
In der Urteilsbegründung hatte Gerichtspräsidentin Esther Hayut unter anderem geschrieben: «Die fortgesetzte Weigerung, eine volle Abstimmung in der Knesset zur Wahl eines permanenten Knessetsprechers durchzuführen, untergräbt die Fundamente des demokratischen Prozesses. Sie schädigt aufs Gröbste sowohl die Position der Knesset als unabhängige Körperschaft als auch den friedvollen Machttransfer».
Richterin Hayut machte auch geltend, dass die Sache Edelstein persönlich betreffe, weshalb seine Beurteilungsfähigkeit in der Angelegenheit nicht «breit» sei sondern äusserst «eng und limitiert». – In der Knessetdebatte meldeten sich diverse Vertreter des Likuds zu Wort, wobei vor allem Kulturministerin Miri Regev durch eine besonders grobe, ja fast unflätige Ausdrucksweise auffiel.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24. März 2020