WELT Corona-Update
Hamburg (Weltexpresso) - Was beschloss der Bundestag nun genau? Konkret wurde unter anderem ein 600 Milliarden Euro umfassender Schutzschirm für größere Firmen verabschiedet. Der Staat will in großem Umfang Garantien geben und notfalls wichtige Unternehmen auch ganz oder zum Teil verstaatlichen.
Für kleine Firmen und Selbstständige soll es direkte Zuschüsse in Höhe von insgesamt 50 Milliarden Euro geben. Dazu wird derzeit an einer Bund-Länder-Vereinbarung gearbeitet, das Geld soll über die Länder ausgezahlt werden. Auch um dies zu finanzieren, beschloss der Bundestag einen Nachtragshaushalt: Finanzminister Olaf Scholz (SPD) plant eine Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro. Das sind rund 100 Milliarden mehr, als die Schuldenbremse im Grundgesetz erlaubt. Deswegen wurde eine Notfallregel gezogen – diese wurde mit der erforderlichen Kanzlermehrheit beschlossen.
Für Mieter beschloss der Bundestag Regelungen, dass ihnen nicht mehr gekündigt werden kann, wenn sie wegen der Corona-Krise die Miete nicht zahlen können. Außerdem sollen weitere soziale Härten abgefedert werden. Daneben gibt es eine große Finanzspritze für die Krankenhäuser. Der Bund bekommt zudem mehr Kompetenzen beim Seuchenschutz. Das Insolvenzrecht wird gelockert, sodass Firmen nicht so schnell pleite gehen. Auf welt.de haben wir die Details zum Rettungspaket noch einmal für Sie näher erläutert.
Auch weitere Beschlüsse wurden heute gefasst. So sollen die Schulabschlussprüfungen nach jetzigem Stand weiterhin stattfinden. Darauf haben sich die Kultusminister geeinigt. Die Länder vereinbarten demnach, dass „zum heutigen Zeitpunkt“ eine Absage von Prüfungen nicht notwendig sei. Die Bundesregierung verschärfte indes die Einreisebestimmungen für Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer – seit 17 Uhr gilt ein Einreiseverbot, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte. Nicht davon betroffen seien ausländische Pflegekräfte.
Zudem äußerte sich heute der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, zu der Tatsache, dass es in Deutschland bislang relativ wenige Tote gegeben hat. Dies liege zum Teil daran, dass von Anfang an breit getestet worden sei. Deshalb habe man den Erreger vergleichsweise früh entdecken können, und es habe viele milde Fälle gegeben. Zudem seien in Deutschland nicht so viele alte Menschen erkrankt. Nach Angaben der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität haben sich in Deutschland mehr als 35.300 Menschen infiziert, die Zahl der Toten ist auf mehr als 180 gestiegen.
Wieler betonte erneut: „Es ist völlig offen, wie sich diese Epidemie entwickelt.“ Es könne derzeit keine Aussage darüber getroffen werden, wann die in Deutschland bestehenden Einschränkungen wieder gelockert werden könnten. Die Epidemie werde sicher „noch einige Wochen“ im Land bleiben. Er sei aber optimistisch, dass die Maßnahmen griffen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte indes in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“, er wolle „bis spätestens Ostern“ ein Konzept für einen Weg aus den massiven Alltagseinschränkungen wegen der Corona-Krise erarbeiten. Es gehe darum, öffentliches Leben in Zeiten der Epidemie wieder möglich zu machen. Spahn erläuterte: „Ich denke an Beschleunigen und Bremsen, an eine sorgfältige Balance zwischen Eigenverantwortung und staatlicher Kontrolle.“ Und weiter: „Vielleicht müssen wir uns darauf einstellen, dass es über Wochen bestimmte Ausgangsbeschränkungen immer mal wieder und zeitlich begrenzt geben wird, je nachdem, wie sich das Virus regional ausbreitet.“
Spahn sagte, die derzeitige Situation bedeute für viele Menschen erheblichen Stress. „Das geht nicht auf längere Zeit in einer freiheitlichen Bürgergesellschaft.“ Der Schutz der Schwächeren werde aber noch einige Zeit nötig sein: „Wir werden die Älteren also möglicherweise über mehrere Monate bitten müssen, ihre Kontakte stark einzuschränken und im Zweifel zu Hause zu bleiben.“
Die Lage in Europa
Frankreich gehört zu den Ländern in der EU, die am stärksten vom Coronavirus betroffen sind – und hat nun als fünftes Land weltweit mehr als 1000 Todesopfer der Pandemie zu beklagen. Die Zahl sei um 240 auf 1100 gestiegen, teilte der Chef der Gesundheitsbehörde, Jerome Salomon, mit. Experten, die die Regierung beraten, schlagen nun vor, die vergangene Woche für 15 Tage verhängte Ausgangsbegrenzung auf mindestens sechs Wochen auszudehnen – über diesen Vorschlag will die Regierung in den nächsten Tagen entscheiden. Die Regierung stimmte die Bürgerinnen und Bürger auf eine „lange Anstrengung“ ein. „Wir sind erst am Anfang der Krise“, sagte Premier Édouard Philippe.
Italien erhöht indes die Strafen für Verstöße gegen die strengen Ausgangsbeschränkungen. Verletzungen sollen künftig mit 400 bis 3000 Euro Strafe geahndet werden, kündigte Ministerpräsident Giuseppe Conte an. Italiens Polizei hat seit Einführung der Ausgangsverbote am 10. März mehr als zwei Millionen Menschen kontrolliert. Dabei habe es mehr als 100.000 Anzeigen wegen Verstößen gegeben. Die Wohnung darf man nur verlassen, wenn man zum Beispiel unbedingt zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen muss.
In Spanien ist die Notlage mittlerweile so schlimm, dass die Armee die Nato-Partner im Kampf gegen das Coronavirus zu Hilfe ruft. Spanien habe dort Corona-Tests, Beatmungsgeräte und Schutzausrüstung angefordert, sagt Spaniens Generalstabschef Miguel Villarroya. In Spanien sind innerhalb der letzten 24 Stunden 738 Menschen an dem Virus gestorben, der stärkste Anstieg seit dem Ausbruch in dem Land.
Aus Großbritannien kam heute zudem die Meldung, dass der britische Thronfolger Prinz Charles positiv auf das neue Coronavirus getestet wurde. Der 71-Jährige habe leichte Symptome der Lungenkrankheit Covid-19 und befinde sich in Selbstisolierung auf einem königlichen Anwesen in Schottland.
Die Lage in der Welt
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat dazu aufgerufen, die Coronavirus-Pandemie in den ärmsten Ländern der Welt zu bekämpfen. „Covid-19 ist eine Bedrohung für die gesamte Menschheit – und die gesamte Menschheit muss dagegen ankämpfen.“ „Wir müssen die besonders gefährdeten Menschen unterstützen.“ Unter den betroffenen Ländern seien viele, „die sich aufgrund von Konflikten, Naturkatastrophen und dem Klimawandel bereits in einer humanitären Krise befinden“. Unterstützung für diese Länder sei nicht nur eine Frage der Solidarität, sondern auch wichtig für die Bekämpfung des Virus. Guterres startete deshalb einen Aufruf für einen Nothilfe-Fonds: Bis zum Jahresende sollen zwei Milliarden Dollar zusammenkommen – für Informationskampagnen, Labor-Tests auf das Virus sowie Anlagen zum Händewaschen.
Indes hat Russland einen Rekordanstieg bei der Zahl der Infektionen vermeldet: Gegenüber dem Vortag wurden laut Regierungsangaben 163 neue Fälle bestätigt. Die Gesamtzahl der nachgewiesenen Ansteckungen liege damit bei 658. Wegen der Krise wird auch die geplante Abstimmung über die größte Verfassungsänderung in der Geschichte des Landes verschoben – das kündigte Präsident Wladimir Putin an. Die Bevölkerung sollte ursprünglich am 22. April darüber entscheiden, ob die Verfassung mit erweiterten Machtbefugnissen für den Kremlchef in Kraft gesetzt wird. Über einen neuen Termin werde nach Rücksprache mit Medizinern entschieden, so Putin.
In den USA machten Republikaner und Demokraten den Weg frei für ein zwei Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Geplant sind unter anderem direkte Hilfszahlungen an US-Steuerzahler, eine Verbesserung der Arbeitslosenversicherung, mehr Geld für Krankenhäuser und ein umfassendes Kreditprogramm für Unternehmen. Trump hat bereits vom „größten und mutigsten“ Paket der US-Geschichte gesprochen – und will, dass die Amerikaner trotz des Virus wieder zum Alltag übergehen: bis Ostersonntag, den 12. April. „Ich denke, das ist absolut möglich“, sagte er mit Blick auf die nicht einmal dreiwöchige Frist.
Dabei liegen die USA inzwischen mit mehr als 55.000 nachgewiesenen Infektionen an dritter Stelle hinter China und Italien, die Zahl der Toten sprang auf mehr als 800. Auch aus dem eigenen Lager erntete Trumps Vorschlag darum Widerspruch. Der republikanische Senator Lindsey Graham schrieb auf Twitter: „Es gibt keine funktionierende Wirtschaft, wenn wir das Virus nicht kontrollieren.“ Marylands republikanischer Regierungschef Larry Hogan zeigte sich fassungslos, der Zeitplan sei wohl mit einer „erfundenen Uhr“ erarbeitet worden. Und New Yorks demokratischer Gouverneur Andrew Cuomo erklärte: „Kein Amerikaner wird sagen, man solle die Wirtschaft auf Kosten eines Menschenlebens beschleunigen. Job Nummer eins ist, Menschenleben zu retten. Das muss Priorität haben.“
Die Lage an den Börsen
Der deutsche Aktienmarkt hat nach dem Kurssprung am Dienstag weiter zugelegt. Allerdings verlief der Handel nervös: So war der Leitindex Dax zunächst bis auf knapp 10.138 Punkte in die Höhe geschnellt, bevor er schnell wegen Gewinnmitnahmen unter Druck geriet. Am Ende jedoch berappelte sich das Börsenbarometer wieder und schaffte ein Plus von 1,79 Prozent auf 9874,26 Punkte. Gleichwohl beläuft sich der Verlust des Dax seit Beginn des Börsen-Crashs auf mehr als ein Viertel. Rückenwind für den deutschen Aktienmarkt kam unter anderem aus den USA, wo die wichtigsten Indizes nach der beispiellosen Rally am Vortag zuletzt deutlich anzogen.
Und was Hoffnung macht ...
Nach Angaben der Philipps-Universität in Marburg hat ein Team von Forschern einfache Beatmungsgeräte entwickelt, die in der Corona-Pandemie fehlende Beatmungsplätze kompensieren können. Funktionieren würden diese auf der Grundlage von sogenannten Beatmungsbeuteln, die laut Angaben der Universität in der Ersten Hilfe eingesetzt werden und in großer Stückzahl preisgünstig verfügbar sind. Sie bestehen aus einer Maske, die auf das Gesicht gedrückt wird, und einem komprimierbaren Beutel, der mit der Hand in regelmäßigen Abständen zur Beatmung zusammengedrückt wird. Das Team entwickelte nun mechanische Apparaturen, welche die Beutel periodisch zusammendrücken. Damit die Geräte weltweit nachgebaut werden können, wollen die Wissenschaftler nun alle technischen Informationen und Bauanleitungen öffentlich machen.
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