swr.deAus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 22

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Nach ersten Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen hat das Robert-Koch-Institut (RKI) eine eindringliche Warnung ausgesprochen. Man beobachte, dass angesichts der vergleichsweise niedrigen Fallzahlen die Auflagen infrage gestellt würden: „Dies darf nicht zu einem Erdrutsch an weiteren Lockerungen führen.“ Dass Deutschland bisher relativ gut durch die Epidemie gekommen sei, sei den frühzeitig getroffenen Eindämmungsmaßnahmen zu verdanken.

 „Wir dürfen jetzt nicht nachlässig werden“, sagte RKI-Vize-Präsident Lars Schaade in Berlin. Wenn Menschen wieder mehr enge Kontakte hätten, drohten auch wieder mehr Ansteckungen, sagte Schaade. Wie schnell es gehen könne, dass die Lage nicht mehr beherrschbar sei, habe man in anderen Ländern gesehen. Darum appellierte das RKI erneut, sich weiter an die Maßnahmen zu halten. Nach Angaben des Instituts liegt die Zahl der bestätigten Infektionen in Deutschland bei 150.383. Derzeit infizieren sich täglich noch um die 2000 Menschen.


Die Lage in Deutschland

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas hat für einen sehr vorsichtigen Lockerungskurs plädiert: „Wir werden sehr, sehr vorsichtig mit den Lockerungen umgehen“, sagte der SPD-Politiker. Maas bekräftigte, dass er nicht mit einer normalen Sommerurlaubssaison in diesem Jahr rechne. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müssen wir davon ausgehen, dass es einen Sommerurlaub, wie wir ihn kennen, in diesem Jahr nicht geben wird“, sagte er. In Deutschland gilt eine weltweite Reisewarnung für Touristen bis zum 3. Mai. Ende April soll entschieden werden, wie es damit weitergeht.

Der Tourismus ist nur eine der Branchen, welche schwer unter den Folgen der Coronakrise leidet. Laut einer Prognose des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird die deutsche Wirtschaft aufgrund der Coronakrise deutlich einbrechen. Das Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 8,4 Prozent zurückgehen, die Zahl der Arbeitslosen auf drei Millionen steigen. Die Zahl der Kurzarbeiter werde sich im Jahresdurchschnitt auf dem Rekordwert von 2,5 Millionen bewegen. „Die deutsche Wirtschaft stürzt in die schwerste Rezession der Nachkriegsgeschichte“, schreibt das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit. Lufthansa-Chef Carsten Spohr erklärte heute, er rechne mit einem Abbau von 10.000 Jobs in der Corona-Krise. Die Flotte werde um etwa 100 Flugzeuge schrumpfen, sagte der Vorstandsvorsitzende in einer internen Botschaft an die Mitarbeiter. Vor Ausbruch der Pandemie hatte der größte Luftverkehrskonzern Europas weltweit rund 130.000 Mitarbeiter und 760 Flugzeuge.

Viele Blicke richten sich derzeit auch auf die Schulen – und wie es mit dem Unterricht in Zukunft weitergehen soll. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) erklärt nun, sie halte Samstagsunterricht für eine Möglichkeit, den Schulbetrieb während der Corona-Pandemie fortzusetzen. Falls Schüler abwechselnd unterrichtet werden sollten, „also nur jeden zweiten Tag, wird man womöglich den Samstag brauchen, um alle dreimal pro Woche zu unterrichten“, sagte sie dem „Spiegel“. Zurückhaltend äußerte sie sich zu Vorschlägen, die Sommerferien zu verkürzen. Zugleich befürwortete Karliczek eine Maskenpflicht für Schüler in Situationen, wo kein Abstand eingehalten werden kann – zum Beispiel im Schulbus.

In Hessen müssen die Schüler der vierten Klasse aber vorläufig ohnehin nicht zurück in die Schulen - der Unterricht bleibt ausgesetzt, teilte das Kultusministerium mit. Die obersten Verwaltungsrichter des Landes in Kassel hatten zuvor dem Eilantrag einer Schülerin aus Frankfurt stattgegeben, die sich gegen eine Landesverordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie richtet. Die Viertklässler würden im Vergleich zu Schülern, denen aus Gründen des Infektionsschutzes der Schulbesuch bis zum 3. Mai weiter untersagt werde, ohne hinreichenden Grund ungleich behandelt und in ihrem Grundrecht verletzt.

Die meisten Kinder und Jugendlichen sind aber übrigens krisenfester als Erwachsene oft meinen - sagt die Kinder- und Jugendpsychologin Silvia Schneider. Was sie damit meint, können Sie sich hier in der neuen Folge unseres Podcasts "Gegen den Corona-Koller" anhören.


Die Lage in Europa

Nach dem EU-Gipfel sind viele Details des geplanten Wiederaufbaufonds noch immer umstritten. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten am Donnerstag ein bereits verabredetes Paket mit Kredithilfen im Umfang von bis zu 540 Milliarden Euro gebilligt und zusätzlich die Gründung eines Wiederaufbaufonds vereinbart, über den noch einmal 1000 Milliarden Euro oder mehr verteilt werden sollen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen soll bis Mitte Mai ein für alle akzeptables Modell ausarbeiten. Ein genaues Datum nannte ein Sprecher noch nicht. Von der Leyen hat bereits grob skizziert, wie sie vorgehen will. Sie will für den geplanten „Recovery Fund“ die finanziellen Spielräume im EU-Haushaltsrahmen ausweiten. Zusätzliche Zusagen der EU-Länder sollen für Garantien genutzt werden, um damit über Anleihen am Kapitalmarkt Geld für die wirtschaftliche Erholung aufzunehmen. Ein Teil der Hilfen sollen Zuschüsse für die besonders betroffenen Länder sein, ein weiterer Kredite. Hierin steckt großes Streitpotenzial: Einige nördliche EU-Staaten wollen, dass nur Kredite vergeben werden, die von den Empfängern zurückgezahlt werden müssen. Einige südlichen Staaten wollen Zuschüsse ohne Rückzahlung.

Italiens Außenminister Luigi Di Maio lobte die Grundsatzentscheidung für den Wiederaufbaufonds als Schritt in die richtige Richtung, drängte aber, dass die finanziellen Mittel sofort zur Verfügung stehen müssten. Bundesfinanzminister Scholz sagte dagegen im Deutschlandfunk, das 500-Milliarden-Paket sei bereits „ein ziemlich schneller Schritt, auf dem wir jetzt erstmal für die nächste Zeit aufbauen können“. Vor allem im Vergleich zur Finanzkrise vor zehn Jahren werde schnell gehandelt.

Indes hat die Regierung in Tschechien eine Kehrtwende vollzogen und ihre strikten Maßnahmen gegen das Coronavirus erheblich gelockert: Das Ausreiseverbot für die eigenen Bürger und die Ausgangsbeschränkungen sind seit Freitag aufgehoben. Die Regierung hatte das  kurzfristig beschlossen. Sie reagierte damit auch auf ein richterliches Urteil, das die Maßnahmen aus formalen Gründen als rechtswidrig eingestuft hatte. Der weitgehende Einreisestopp für Ausländer gilt weiter – mit neuen Ausnahmen für Geschäftsleute aus EU-Staaten. Die Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Österreich wurden bis zum 14. Mai verlängert.


Die Lage in der Welt

Man ist von US-Präsident Donald Trump einiges gewohnt. Aber nun äußerte der Präsident vor Journalisten ein Gedankenspiel, das selbst hart gesottene Beobachter seiner Politik noch erstaunt: Trump hat Forscher ermuntert, im Kampf gegen das neuartige Coronavirus zu prüfen, Menschen direkt Desinfektionsmittel zu spritzen. Eine solche Prozedur wäre aber höchstwahrscheinlich lebensgefährlich.

Trump sagte im Weißen Haus vor Journalisten, es wäre „interessant“, das zu prüfen. Unmittelbar vorher hatte bei der Pressekonferenz ein Regierungsexperte erklärt, dass Bleich- und Desinfektionsmittel den Erreger Sars-CoV-2 zum Beispiel auf trockenen metallischen Flächen wie einer Türklinke rasch abtöteten. „Gibt es einen Weg, wie wir so etwas machen könnten – durch Spritzen oder fast Säubern ... wäre interessant, das zu prüfen“, sagte Trump. Das müsste man natürlich den Ärzten überlassen, fügte er hinzu. Auch über die Möglichkeit eines Einsatzes von Licht gegen das Coronavirus spekulierte Trump. Die Katastrophenschutzbehörde des US-Bundesstaats Washington warnte die Bürger im Anschluss auf Twitter vor der Einnahme von Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln: „Machen Sie eine schlechte Situation nicht schlimmer.“ Der britische Konsumgüterkonzern Reckit Benckiser, zu dessen Marken Sagrotan gehört, erklärte, dass Desinfektionsmittel „unter keinen Umständen“ verabreicht werden sollten.

Indes wollen die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Europäische Union und zahlreiche Staaten ihre Ressourcen im Kampf gegen das Coronavirus bündeln. Eine globale Initiative soll die Arbeit an Medikamenten, Tests und Impfstoffen gegen die vom Virus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 beschleunigen und die Ergebnisse allen Ländern zur Verfügung stellen. Die USA werden sich allerdings nicht beteiligen. US-Präsident Donald Trump hat die WHO als zu China-freundlich kritisiert und die Zahlungen mitten in der Corona-Pandemie eingestellt.

Das US-Präparat Remdesivir wird derzeit in weltweiten Studien untersucht. Das Medikament habe bei Patienten in der München Klinik Schwabing erste Erfolge gebracht, sagte Clemens Wendtner, Chefarzt der an der Studie beteiligten Klinik für Infektiologie. Nach zurückhaltenden Schätzungen habe die Hälfte der damit behandelten Patienten profitiert, sagte Wendtner, der keine Zahl nannte. Es sehe danach aus, dass schwer Erkrankte früher von den Beatmungsmaschinen genommen werden könnten. Auch in den USA berichteten Ärzte von ersten ermutigenden Erfahrungen. Am Donnerstag hatte jedoch überraschend eine Veröffentlichung für Wirbel gesorgt, nach der eine chinesische Studie mit Remdesivir enttäuschende Ergebnisse gebracht haben soll. Das antivirale Medikament habe sich als Flop erwiesen, hieß es in Berichten über ein auf der Seite der Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichtes Dokument – das allerdings nach kurzer Zeit wieder entfernt wurde. Die US-Herstellerfirma Gilead Sciences wies die Berichte zurück. Die Studie sei aufgrund geringer Beteiligung vorzeitig abgebrochen worden, daher könnten keine statistisch aussagekräftigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Ergebnisse weltweiter Studien mit schwer sowie moderat erkrankten Patienten würden Ende Mai erwartet. Bis dahin warnen Mediziner und Hersteller vor voreiligen Schlüssen.


Die Lage an den Börsen

Tristesse hat am Freitag am deutschen Aktienmarkt geherrscht. Der Dax verlor 1,69 Prozent auf 10.336,09 Punkte und verbuchte auf Wochensicht ein Minus von 2,7 Prozent.


Und was Hoffnung macht ...

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat deutschen Ministerpräsidenten für die Aufnahme von französischen Corona-Patienten in ihren Bundesländern gedankt. Die Staatskanzleien von Schleswig-Holstein, Thüringen und Sachsen-Anhalt berichteten  von persönlichen Schreiben Macrons. Der Präsident dankte darin für „großes solidarisches Engagement“. Die Länder stünden damit Frankreich in einer schwierigen Lage bei, „die uns alle auf eine harte Probe stellt“. Mehrere Bundesländer hatten Corona-Patienten aus Frankreich, aber auch aus Italien zur Behandlung aufgenommen.

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