Aus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 24
WELT Corona-Update
Hamburg (Weltexpresso) - Obwohl in einigen Bundesländern der Unterricht für einzelne Klassen wieder angelaufen ist, kann an deutschen Schulen von einem Normalbetrieb nicht die Rede sein. Und das wird sich wohl so schnell auch nicht ändern – auch wenn sich die Kultusminister der Länder nun auf das gemeinsame Ziel geeinigt haben, dass alle Schüler noch vor den Sommerferien zumindest zeitweise in die Schulen zurückkehren sollen.
Ihr gemeinsames „Rahmenkonzept für die Wiederaufnahme von Unterricht" sollen die Ministerpräsidenten der Länder nun mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beraten. Dabei werden die Bundesländer – wenig überraschend – wohl wieder auf unterschiedliche Vorgehensweisen setzen.
Welche Eckpunkte das Konzept der Kultusminister beinhaltet, stellen wir Ihnen im heutigen Newsletter vor. Auch was sonst noch in Europa und der Welt passiert ist, haben wir wieder für sie zusammengefasst.
Die Lage in Deutschland
Trotz Corona-Krise sollen alle Schülerinnen und Schüler vor den Sommerferien zumindest vereinzelt wieder die Schule besuchen können. Das ist wohl der wichtigste Punkt des Strategiepapiers, das die Kultusminister der Länder heute beschlossen haben und über das die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am kommenden Donnerstag beraten sollen. „Jede Schülerin und jeder Schüler soll bis zu dem Beginn der Sommerferien tage- oder wochenweise die Schule besuchen können“, heißt es darin konkret. Dem Infektions-und Gesundheitsschutz sollen dabei „höchste Priorität“ eingeräumt werden – dieser sei „Maßgabe für alle weiteren Schritte“.
Einen regulären Schulbetrieb für die rund elf Millionen Schüler in Deutschland wird es vor den Sommerferien laut den Ministern aber nicht geben. Nach dem jetzigen Stand sei dies aufgrund des Abstandsgebots von mindestens 1,50 Meter nicht möglich. Stattdessen solle ein Mix aus Präsenzunterricht und Lernen daheim ausgebaut und digitales Lehren und Lernen weiterentwickelt werden. Mit den vorgelegten Eckpunkten – darunter strenge Hygieneregeln und Abstandsgebote – solle aber eine allmähliche Rückkehr zu einem „geordneten Schulbetrieb“ möglich werden.
Eine Pflicht, in den Schulen einen Nase-Mund-Schutz zu tragen, soll es nicht geben. Stattdessen wird auf kleinere und räumlich getrennte Lerngruppen und zeitversetzen Unterricht gesetzt. Abstandhalten gilt fürs Klassenzimmer, aber auch für Pausenhof oder zu Essenszeiten. Außerdem sollen alle Abschlussprüfungen in diesem Jahr stattfinden und die Abschlüsse gegenseitig anerkannt werden. Neue Termine, wann welche weiteren Jahrgänge an die Schulen zurückkehren sollen, nennt das Papier nicht.
Blieben noch die Kitas: Geht es nach dem Willen von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sollen auch sie noch möglichst vor dem Hochsommer öffnen. Nach Ansicht der Ministern gehe es hierbei auch um das Kindeswohl und den Kinderschutz. „Und deswegen bin ich der Meinung, dass wir wirklich konsequent überlegen sollten, und das ist auch das, was wir mit den Ländern besprochen haben, wie wir zu weiteren Schritten von mehr Normalität kommen können, und nicht erst am 1. August“, sagte Giffey im Deutschlandfunk.
Inmitten der Diskussionen um Schulöffnungen und der dortigen Problematik der Einhaltung von Hygienevorschriften hat der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, erneut dazu aufgerufen, sich weiter an die gültigen Regeln zu halten. Es sei "keine leichte Zeit", sagte er bei seinem heutigen Presse-Briefing. Deutschland habe das Virus anders als andere Länder bisher sehr erfolgreich in Schach halten können. Aber: „Wir wollen diesen Erfolg verteidigen. Wir wollen nicht, dass die Fallzahlen wieder zunehmen.“ Das gelte gerade vor dem Hintergrund der ersten Lockerungen. Nach einem zwischenzeitlichen Anstieg der sogenannten Reproduktionszahl (R) auf einen Faktor von 1 schätzt das RKI die Corona-Ansteckungsrate nun wieder auf einen Wert von 0,9. Das bedeutet, dass fast jeder Infizierte durchschnittlich eine weitere Person ansteckt.
Hierbei bemühte sich Wieler auch um Differenzierung: Bei dem Wert gebe es große regionale Unterschiede. Der RKI-Präsident riet deswegen davon ab, bei der Bewertung der Infektionswelle allein auf die Reproduktionszahl zu blicken. Auch ob der zwischenzeitliche Anstieg möglicherweise mit mehr Kontakten an den Osterfeiertagen zusammenhängt, könne nicht gesagt werden, so der RKI-Chef. Wichtig sei vor allem, eine Überforderung des Gesundheitssystems weiter gemeinsam zu vermeiden, forderte Wieler.
Wie sehr Kliniken und Krankenhäuser unter der aktuellen Krise leiden, zeigt auch die neue Folge unserer Podcastreihe: „Gegen den Corona-Koller“. In dieser geht es um eine 23-jährige Medizinstudentin, die sich freiwillig gemeldet hat, um in einem Krankenhaus zu helfen. Im Podcast erzählt sie von ihrem Alltag auf einer Krebs-Station und den Sorgen der Pflegekräfte und Ärzte.
Die Lage in Europa
Im Nachbarland Österreich hat die Regierung nach fast sieben Wochen die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben. „Wir können die Ausgangsbeschränkungen auslaufen lassen, wir brauchen sie nicht fortzusetzen“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in Wien. Ab dem 1. Mai sei lediglich ein Mindestabstand von einem Meter zu Menschen nötig, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Gute Nachrichten gibt es auch für Hoteliers und Gastronomen. Bereits am 15. Mai dürfen Gastronomiebetriebe ihre Türen öffnen – wenn auch nur unter strengen Auflagen. Hotels und andere Beherbergungsbetriebe dürfen ab dem 29. Mai wieder öffnen. In Österreich bewegt sich die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus seit Tagen im zweistelligen Bereich. Der Reproduktionsfaktor liegt nach Angaben der Regierung bei 0,59 und damit so niedrig wie noch nie.
In Polen hat der ehemalige polnische Ministerpräsident und frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk für Aufsehen gesorgt. Tusk rief zu einem Boykott der bevorstehenden Präsidentschaftswahl auf. Die geplante Abstimmung am 10. Mai „hat nichts mit einer Wahl zu tun“, kritisierte er in einem bei Twitter veröffentlichten Video. Die von der Regierung angestrebte Briefwahl bringe in der Corona-Pandemie Gesundheitsrisiken mit sich und halte außerdem nicht die Standards freier, gleicher und transparenter Wahlen ein. Er werde nicht an dem Wahlprozess teilnehmen, sagte Tusk.
Und Tusk ist nicht der Einzige, der die Teilnahme an der Wahl verweigern will: Auch die Präsidentschaftskandidatin der von Tusk gegründeten Bürgerplattform, Malgorzata Kidawa-Blonska, schloss ihre Teilnahme aus. Die Europäische Union und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa haben sich ebenfalls gegen die Wahl inmitten einer Pandemie ausgesprochen. Bisher hält Polens nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, PiS, jedoch daran fest, die Abstimmung wie geplant abzuhalten. Eine allein per Brief veranstaltete Wahl sei in Corona-Zeiten sicher, argumentiert sie.
Die Lage in der Welt
In Lateinamerika ist derzeit kein Land stärker von der Corona-Pandemie betroffen als Brasilien. Bisher vermeldete das Land etwa 4500 Todesfälle und rund 67.000 bestätigte Sars-CoV-2-Infektionen – und ist damit auf dem besten Weg, der nächste Corona-Hotspot zu werden. Angesichts der steigenden Infektionen und wegen der schwierigen Zustände im Gesundheitssystem sind Krankenhäuser an ihre Grenzen geraten. In Rio de Janeiro gab es keine Intensivbetten in öffentlichen Hospitälern mehr. In der Amazonas-Metropole Manaus wurde ein Kühlcontainer vor einem großen Hospital aufgestellt, um die Leichen zu lagern. Auch Massengräber wurden ausgehoben. Zudem könnten die wahren Zahlen wesentlich höher liegen, da nicht genug Tests durchgeführt werden. „Das ist der Beginn der schwierigsten Phase in Brasilien“, warnte nun der Politikwissenschaftler Mauricio Santoro von der Universität des Bundesstaates Rio de Janeiro. Präsident Jair Bolsonaro ist allerdings bisher nicht von seiner offiziellen Sicht abgerückt, wonach es sich bei der Krankheit lediglich um eine „kleine Grippe“ handle und strenge Beschränkungen nicht nötig seien.
In den ebenfalls stark von der Pandemie betroffenen USA hatten zuletzt volle Strände in Kalifornien für Kritik gesorgt. In den südkalifornischen Bezirken Orange und Ventura waren am Sonntag bei Temperaturen von über 30 Grad zahlreiche Menschen an die Strände geströmt. Die dortigen Strände sind im Gegensatz zu jenen im benachbarten Los Angeles nicht geschlossen. Nun appellierte der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, an die Bürger des US-Bundesstaates, Gedränge an den Stränden künftig zu unterlassen. „Das Virus macht am Wochenende keine Pause“, sagte Newsom in einer Online-Pressekonferenz.
Erneute diplomatische Verstimmungen gibt es auch wieder zwischen US-Präsident Donald Trump und der kommunistischen Führung in China. Seine Regierung prüfe, wie Peking für die Verbreitung des Coronavirus „zur Rechenschaft gezogen“ werden könne, hatte Trump bei einem Pressebriefing im Weißen Haus in Washington gesagt. Das wiederum rief eine erboste Reaktion der chinesischen Führung in Peking hervor: US-Politiker verbreiteten „unverschämte Lügen“ zur Corona-Pandemie und wollten nur von eigenen Versäumnissen ablenken, teilte das chinesische Außenministerium mit.
Die Lage an den Börsen
Der Leitindex Dax hat an seinen starken Wochenauftakt angeknüpft und legte weiter zu. Am frühen Nachmittag lag er bei einem Plus von 1,86 Prozent bei 10.858,73 Punkten. Zwischenzeitlich hatte das Börsenbarometer sogar ein neues Erholungshoch seit dem Tiefpunkt des Corona-Crashs Mitte März erreicht. Für den MDax der mittelgroßen Werte ging es um 1,39 Prozent auf 22 897,85 Punkte nach oben. Der EuroStoxx 50 als Leitindex der Eurozone stand gut 2 Prozent im Plus.
Und was Hoffnung macht ...
Wissenschaftler machen regelmäßig darauf aufmerksam, dass mit einem sicheren Impfstoff gegen das Coronavirus frühestens im kommenden Jahr gerechnet werden kann. Nun lässt eine Nachricht aus Großbritannien aufhorchen: Laut einem Bericht der „New York Times“ haben Forscher des Jenner Institute der Universität Oxford einen Impfstoff an sechs Affen getestet - mit Erfolg. Als die Affen dem Virus ausgesetzt wurden, zeigten sie in den folgenden 28 Tagen keine Symptome. Die britischen Forscher hoffen nun auf Eil-Genehmigungen der Regulierungsbehörden, um weitere Tests durchführen zu können. Schon im September will das Institut nach eigenen Angaben dann einige Millionen Dosen eines neuen Impfstoffes gegen das Coronavirus bereitstellen. Allerdings gelten für Zulassungen von Impfstoffen strenge Regeln – bevor dieser Fall eintritt, müssen die Forscher erst noch nachweisen, dass der Impfstoff auch für Menschen verträglich ist.
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