Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Wie schon die erste Sitzung des Obersten israelischen Gerichtshofs vom Sonntag wurde auch die zweite Marathonsitzung vom Montag kraft seiner nationalen Wichtigkeit live vom Fensehen übertragen. Das Thema war denn auch wichtig genug: Bis in die feinsten Fasern wurde während neun Stunden das Koalitionsabkommen zwischen Premier Netanyahu und Blauweiss-Chef Benny Gantz von den elf anwesenden Richtern zerzaust.
Dabei waren diverse Petitionen gegen das Abkommen zu hören gewesen. Der Oberste Gerichtshof dürfte sein Urteil spätestens am Mittwochabend Mitternacht verkünden. Das wäre in etwa der letztmögliche Zeitpunkt für das Unterfangen. Wenn nämlich bis dann die zwei Spitzenpolitiker von den Juristen kein grünes Licht für ihr ungeliebtes Bündnis erhalten haben, würde das Verdikt jenes sein, das im Volk noch um ein Quentchen unbeliebter wäre als die Koalition der beiden grundverschiedenen Brüder: Neuwahlen – der vierte Urnengang innert weniger als einem Jahr.
Zum Schluss der Mega-Debatte sagte Gerichtspräsidentin Esther Hayut, es sei die Anstrengung unternommen worden, nicht nur zu einer Schlussfolgerung zu gelangen («Es ist schwierig, die Schlussfolgerung eines elfköpfigen Richtergremiums in diesem Zeitrahmen abzugeben»). Vielmehr wollten wir eine Zusammenfassung der Entscheidungen geben». Im Wesentlichen ging es auch um Detailfragen. So fragte Oberrichterin Hayut Netanyahus Anwalt, warum das Abkommen festhalte, dass in den ersten sechs Monaten der Regierung keine wichtigen Ernennungen vorgenommen werden würden. «Wa ist der Zusammenhang zwischen dem Coronavirus und der Ernennung etwa eines Polizeikommandanten?», fragte Esther Hayut, wobei ihr leichter Sarkasmus nicht zu überhören war. Rechtsanwalt Rabello erwiderte: «In einer Notzeit ist es wichtig, die Abkommen zwischen den Blöcken zu erhalten». Damit spielte Rabello auf die Tatsache an, dass es sich um eine «Notstandsregierung» handle. Richter Vogelman warf die Tatsache ein, dass hochrangige Ernennungen wegen drei Wahlgängen verschoben worden seien. Er warnte vor einer Periode, die charakterisiert sei durch «Unsicherheit und direkten Schaden am öffentlichen Interesse».
Je nach politischem Standort äusserten die Richter sich getreu den politischen Richtlinien ihrer Parteien. Sie lagen sich entlang ihrer politischen Loyalitäten in den Haaren, wobei nicht immer die in solchen Gremien normalerweise übliche elegante Zurückhaltung und gesuchte Ausdrucksweisen gepflegt wurden. Vielmehr liessen sich die würdigen Herren in ihren schwarzen Roben immer wieder dazu hinreissen, zu beweisen, dass Israel eben im Nahen Osten liegt und weder in London noch in Berlin oder sonstwo in diesen Breitengraden.
Zum Schluss der Mammmutsitzung unterstrich Oberrichterin Hayut nochmals, was sie schon am Sonntagabend betont hatte: «Egal ob wir die Petition (bezüglich der Möglichkeit für Netanyahu, eine Regierung zu bilden) annehmen oder ablehnen – es wird keine Festung fallen. Das ist Populismus. Es ist undenkbar, dass eine der beiden Seiten hier stehen und behaupten wird, dass die Festung fällt, wenn wir ihre Position nicht annehmen». Dieses Argument kann pro oder contra Netanyahu und die von ihm vertretene Art des Regierens ausgelegt werden.
Dem Verdikt von spätestens Mittwochnacht kann mit freudiger Erwartung oder angstvollem Herzflattern entgegengelebt werden. Gewissermassen steht Israel vor einer schicksalsschweren politischen Première.
Foto:
Eine Aufnahme aus der Sitzung vom Montag
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 5. Mai 2020
Zum Schluss der Mega-Debatte sagte Gerichtspräsidentin Esther Hayut, es sei die Anstrengung unternommen worden, nicht nur zu einer Schlussfolgerung zu gelangen («Es ist schwierig, die Schlussfolgerung eines elfköpfigen Richtergremiums in diesem Zeitrahmen abzugeben»). Vielmehr wollten wir eine Zusammenfassung der Entscheidungen geben». Im Wesentlichen ging es auch um Detailfragen. So fragte Oberrichterin Hayut Netanyahus Anwalt, warum das Abkommen festhalte, dass in den ersten sechs Monaten der Regierung keine wichtigen Ernennungen vorgenommen werden würden. «Wa ist der Zusammenhang zwischen dem Coronavirus und der Ernennung etwa eines Polizeikommandanten?», fragte Esther Hayut, wobei ihr leichter Sarkasmus nicht zu überhören war. Rechtsanwalt Rabello erwiderte: «In einer Notzeit ist es wichtig, die Abkommen zwischen den Blöcken zu erhalten». Damit spielte Rabello auf die Tatsache an, dass es sich um eine «Notstandsregierung» handle. Richter Vogelman warf die Tatsache ein, dass hochrangige Ernennungen wegen drei Wahlgängen verschoben worden seien. Er warnte vor einer Periode, die charakterisiert sei durch «Unsicherheit und direkten Schaden am öffentlichen Interesse».
Je nach politischem Standort äusserten die Richter sich getreu den politischen Richtlinien ihrer Parteien. Sie lagen sich entlang ihrer politischen Loyalitäten in den Haaren, wobei nicht immer die in solchen Gremien normalerweise übliche elegante Zurückhaltung und gesuchte Ausdrucksweisen gepflegt wurden. Vielmehr liessen sich die würdigen Herren in ihren schwarzen Roben immer wieder dazu hinreissen, zu beweisen, dass Israel eben im Nahen Osten liegt und weder in London noch in Berlin oder sonstwo in diesen Breitengraden.
Zum Schluss der Mammmutsitzung unterstrich Oberrichterin Hayut nochmals, was sie schon am Sonntagabend betont hatte: «Egal ob wir die Petition (bezüglich der Möglichkeit für Netanyahu, eine Regierung zu bilden) annehmen oder ablehnen – es wird keine Festung fallen. Das ist Populismus. Es ist undenkbar, dass eine der beiden Seiten hier stehen und behaupten wird, dass die Festung fällt, wenn wir ihre Position nicht annehmen». Dieses Argument kann pro oder contra Netanyahu und die von ihm vertretene Art des Regierens ausgelegt werden.
Dem Verdikt von spätestens Mittwochnacht kann mit freudiger Erwartung oder angstvollem Herzflattern entgegengelebt werden. Gewissermassen steht Israel vor einer schicksalsschweren politischen Première.
Foto:
Eine Aufnahme aus der Sitzung vom Montag
© tachles
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 5. Mai 2020