WELT Corona-Update
Hamburg (Weltexpresso) - Mit dem Robert-Koch-Institut ist noch immer zu rechnen. Am Donnerstag kündigte Vizepräsident Lars Schaade an, die regelmäßigen Pressekonferenzen einzustellen. Heute Vormittag trat er dann wieder vor die Kameras – und kündigte einen neu berechneten R-Wert an. Denn der alte irritiert.
Die Reproduktionszahl lag am Montag bei 1,07, am Sonntag bei 1,13 und am Samstag bei 1,10 – immer über dem kritischen Wert von 1. Statistisch gesehen steckt ein Infizierter damit mehr als eine Person an, die Pandemie breitet sich aus. Doch die Zahl der Neuinfizierten passt nicht zu dieser Gleichung. Sie flacht ab und liegt bei 933 Personen.
Je weniger Fälle es gibt, desto ungenauer ist die Reproduktionszahl. Einzelne Hotspots beeinflussen den Quotienten, auf dem R beruht, stärker. Künftig will das RKI deshalb auch einen geglätteten oder stabilen R-Wert berechnen. Dieser Wert lag in der vergangenen Woche an keinem Tag über 1.
Damit hat Deutschland die Zahl, die zu den Lockerungen passt. Mehrere Landesregierungen haben heute mit ihren Beschlüssen das öffentliche Leben weiter wiederbelebt. Was sonst noch in Europa und der Welt passiert ist, haben wir wieder für Sie zusammengefasst.
Die Lage in Deutschland
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht Hoffnung auf eine Grenzöffnung zu unseren Nachbarländern. In einer Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag sprach Merkel von einem zweistufigen Prozess. Ihr sei es wichtig, dass die Kontrollen nicht „bis ultimo“ fortgesetzt würden, wurde Merkel zitiert. Morgen will das Kabinett über das Thema beraten.
Hamburger sollten am besten gleich bei ihrem Stamm-Italiener anrufen und einen Tisch reservieren. Denn davon dürfte es erstmal weniger geben. Ab morgen dürfen Restaurants in der Hansestadt wieder öffnen, müssen aber einen Mindestabstand von 1,50 Metern zwischen Gästen, die nicht zur selben Gruppe gehören, schaffen. Und die Tischgesellschaft darf höchstens aus zwei Haushalten bestehen.
Auch Reisen wird immer leichter wieder möglich. Der Hamburger Senat erlaubt Hotels die Unterbringung von Touristen – allerdings nur in 6 aus 10 Zimmern. In Sachsen eröffnen Hotels, Gaststätten und Pensionen ab Freitag wieder, denn die Landesregierung hat entsprechende Lockerungen vorgezogen. Ab Montag dürfen auswärtige Besitzer von Ferienhäusern oder Ferienwohnungen wieder nach Mecklenburg-Vorpommern reisen, alle anderen Urlauber ab dem 25. Mai.
Doch an der Ostsee ist nicht jeder willkommen: Die Landesregierung will keine Touristen aus Corona-Risikogebieten einreisen lassen, droht sogar mit einem Bußgeld von 500 Euro. Risikogebiete sind alle Landkreise, die die Obergrenze von 50 Neuinektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen reißen. Wie das Verbot umgesetz wird, ist noch unklar. Aber wenn es Schule macht, gilt der deutsche Reisepass künftig wohl mit Gewissheit nur noch im eigenen Landkreis.
Eine Umfrage unter Experten zeigt: Die Virologen haben begonnen, ihre Haltung zu den Maßnahmen der Bundesregierung zu ändern. Forscher des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg, der Gesellschaft für Virologie und der Universität Tübingen haben zum zweiten Mal ein Stimmungsbild unter Fachleuten ermittelt. Ein Ergebnis: Nur noch rund die Hälfte der Teilnehmer erachtet die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung als sinnvoll. Bei der Erstbefragung waren es noch 81 Prozent.
Die Lage in Europa
Die EU-Kommission will nach WELT-Informationen Fluglinien und Reiseveranstaltern entgegen kommen. Die Unternehmen geben aktuell oft Gutscheine bei einer Stornierung aus, Kunden steht aber der Reisepreis zu. Die Kommission will den Mitgliedsstaaten nun empfehlen, dass Gutscheine, die statt einer Erstattung des Reisepreises ausgestellt werden, gegen Insolvenz abgesichert sind. Die Kunden zu einem Gutschein zwingen, das dürfen die Unternehmen weiterhin nicht. Wer nicht fliegt, hat also weiterhin die Wahl.
Viele Regionen in Italien wollen die Strände so schnell wie möglich wieder öffnen. Die Emilia-Romagna will ab kommenden Montag den Zugang zum Meer wieder erlauben, auch Ligurien und Venetien sind bereit. Das Sonnen und Baden wird streng reguliert – mit Buchungspflicht, Fünf-Meter-Abstand und desinfizierten Sonnenliegen.
In Großbritannien sind nach neuesten Zahlen mehr als 40.000 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Etwa jeder vierte Todesfall wurde aus einem Pflegeheim gemeldet, Großbritannien ist damit das Land mit den meisten Corona-Opfern in Europa. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson will einige „Baby-Schritte“, wie sein Gesundheitsminister sagte, bei den Lockerungen gehen. Wales, Schottland und Nordirland gehen allerdings noch nicht mit.
Die Lage in der Welt
Das Weiße Haus ist auf der Karte der Corona-Infektionen ein nicht mehr ganz so weißer Fleck. Mehrfach betonte US-Präsident Donald Trump, es gebe nur einen Infektionsfall – tatsächlich sind aber bereits zwei Mitarbeiter infiziert. Seine Pressekonferenz am Montag im Garten des Weißen Hauses brach Trump abrupt ab. Eine Frage der CBS-Korrespondentin Weijia Jiang brachte ihn so sehr zur Weißglut, dass er das Podium verließ.
Ein anderer US-Amerikaner stimmt nachdenklichere Töne an. „Ich fühle mich schrecklich“, sagte Bill Gates dem „Wall Street Journal“. Die Reaktion der Welt auf den Ausbruch des Coronavirus sei nicht optimal gewesen, und Gates gibt sich eine Mitschuld, weil er nicht eindringlich genug vor der Gefahr gewarnt habe. Kritik an seiner Arbeit und Verschwörungstheorien über seine Stiftung wieß Gates zurück.
Zehn Tage haben die 13 Stadtbezirke in Wuhan Zeit, Corona-Tests für elf Millionen Einwohner vorzubereiten. Diese Vorgabe haben die regionalen Behörden in der chinesischen Metropole erlassen, weil die Zahl der Infizierten wieder steigt. Am Sonntag und Montag wurden in Wuhan erstmals seit einem Monat insgesamt sechs neue Infektionen registriert. Bis wann alle Einwohner durchgetestet sein sollen, ist unklar. Wie ausländische Beobachter den Massentest überprüfen können auch.
Die Lage an den Börsen
Nach einigem Auf und Ab hat sich der deutsche Aktienmarkt nicht von seinen Verlusten zum Wochenbeginn erholen können. Gute Unternehmensnachrichten hellten die Stimmung etwas auf, die Furcht vor einer zweiten Welle in der Corona-Pandemie blieb aber präsent.
Der DAX ging nach zahlreichen Vorzeichenwechseln mit einem Minus von 0,05 Prozent bei 10.819,50 Punkten über die Ziellinie. Wie schon den ganzen Mai, blieb der Leitindex damit in seiner Spanne zwischen 10.400 und 11.000 Punkten gefangen. Auch der MDAX schaffte es nicht ins Plus, er verlor am Dienstag 0,19 Prozent auf 23.819,97 Punkte.
Und was Hoffnung macht ...
Bretter raus und ab an den Eisbach! In München ist das Surfen an der berühmten Eisbachwelle wieder möglich, allerdings unter Auflagen. Die Hygienevorgaben seien strikt zu beachten, teilte die Münchner Stadtverwaltung am Dienstag mit. Personen müssten zudem einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten, auch beim Warten auf den Zutritt zum Wasser. Eine traurige Nachricht für alle Fans der Eisbach-Wellenreiter: Zuschauer sind laut Stadt nicht zugelassen.
Foto:
©
©