Bildschirmfoto 2020 10 03 um 23.50.31Zwei Sichtweisen über zweierlei Maß und die Doppelmoral in der Politik. Teil 1/2

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) – Vor zwei Jahren, am 2. Oktober 2018, wurde der regime-kritische saudi-arabische Journalist Khashoggi im Auftrag eines Angehörigen der Herrscherfamilie seines Heimatlandes in der Botschaft Saudi-Arabiens in Istanbul auf bestialische Weise ermordet.  Anfang Januar dieses Jahres wurde der iranische General Sulaimani auf Befehl des amerikanischen Präsidenten durch eine Drohne der USA im Irak heimtückisch getötet, also ermordet.

In beiden Fällen war die Beweislage eindeutig. Hat der deutsche Außenminister Heiko Maas Saudi-Arabien und die USA deswegen jemals vor der UN-Vollversammlung nawalny 303 v videoweblangeklagt und ihnen im Namen der Europäischen Union Sanktionen angedroht, so wie er das jetzt im Fall des Giftanschlags auf den russischen Regimekritiker Nawalny ohne jeden Beweis mit Russland getan hat? Seinen Worten zufolge geht es um einen Verstoß gegen das Chemiewaffenverbot.

Demnach ist die Schuldfrage für den deutschen Außenminister geklärt. Eine entsprechende Aussage der Bundesregierung gibt es aber nicht. Für sie steht lediglich „zweifelsfrei“ fest, dass Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff der so genannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden sei. Die russische Bezeichnung insinuiert eine russische Beteiligung, obwohl die Bundesregierung laut ZDF Beweise für eine direkte Beteilung Moskaus bisher nicht vorgelegt hat. Nawalny ist inzwischen wieder putzmunter, gibt Interviews und beschuldigt den russischen Präsidenten Putin von deutschem Boden aus hinter dem Anschlag zu stecken. Russland weist alle Vorwürfe zurück, in den Fall verwickelt zu sein.

Was den Mord an Khashoggi  betrifft, erfreute sich Saudi-Arabien laut Tagessspiegel vom 2. 10. 2019 ein Jahr nach einem der schamlosesten politischen Verbrechen der jüngeren Geschichte wieder der vollen Unterstützung des Westens. Die Bundesregierung entschied zwar, vorerst keine neuen Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu genehmigen, stimmte aber der Lieferung „sondergestützter“ Geländewagen zu. In der Frage von Sanktionen gegen Saudi-Arabien konnte sich die Europäische Union nach Medienberichten nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen.

Einer Bewertung des tödlichen US-Anschlages auf den iranischen General Sulaimani ging die Bundesregierung vorsichtshalber aus dem Wege, da die Rolle des amerikanischen Luftwaffenstützpunktes Ramstein ungeklärt ist. Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken lehnte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen deutsche Bedienstete der Luftwaffenbasis ab, da sie für die „außergerichtliche Tötung des Iraners“ nicht verantwortlich gemacht werden könnten. Von Sanktionen gegen die USA war niemals die Rede. Im Gegenteil, Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer stellte ihnen eine starke Beteiligung beim  Ersatz des deutschen Atomwaffen-Kampfjets Tornado in Aussicht.

Was veranlasst einen deutschen Außenminister zu einem so ganz anderen Verhalten gegenüber Russland?  Die Wortwahl gegenüber einem Land, dem von deutscher Seite so unermessliches Leid zugefügt worden ist, sollte über alle diplomatischen Gepflogenheiten hinaus auch der historischen Verantwortung angemessen sein. Zumal da Maas für sich selbst die Latte ziemlich hoch gelegt hat, als er sagte, er sei wegen Auschwitz in die Politik gegangen? Dem Konfirmandenanzug sollte er inzwischen entwachsen sein. Doppelmoral steht einem wie ihm schlecht zu Gesicht. „Maas droht Russland“ ist ein Anachronismus, da passt etwas nicht zusammen.

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