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Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland Synagogen, es wurden Schaufenster jüdischer Geschäfte zertrümmert, Wohnungen jüdischer Bürger demoliert und ihre Bewohner misshandelt. Es war die Nacht, als die Feuerwehr nicht zum Löschen der Brände kam und die Brandstifter nicht ergriffen wurden. Mehr als die Hälfte aller Synagogen in Deutschland wurden beschädigt oder gänzlich zerstört. 1000 Frankfurter Juden wurden in die Messehalle gepfercht, einige starben in dieser Nacht, viele wurden ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert.
„Es wird oft gesagt, dass in dieser Nacht die Kulturgeschichte ins Mittelalter zurückfiel. Das stimmt. Es war ein Schritt, der in den Vernichtungslagern für Millionen Menschen mit ihrer Ermordung endete“, sagte Oberbürgermeister Peter Feldmann während der Gedenkveranstaltung am Montag, 9. November, am Mahnmal vor der Paulskirche. Aufgrund der aktuellen Situation wurde die Gedenkveranstaltung im Freien vor der Paulskirche abgehalten. Gemeinsam mit Leo Latasch vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde, geladenen Gästen und Frankfurtern, gedachte das Stadtoberhaupt der Opfer des Novemberpogroms und des Nazi-Regimes.
Frankfurt wurde durch seine Jüdische Gemeinde wie kaum eine andere Stadt geprägt. „Wir sagen mit Stolz: Wir sind die jüdischste Stadt Deutschlands. Unsere Universität, das reiche Stiftungswesen Frankfurts, unsere Kultur wäre ohne den Beitrag der jüdischen Gemeinschaft undenkbar. Leopold Sonnemann, Charles Hallgarten oder Bertha Pappenheim. Sie stehe dafür. Paul Ehrlich, Ludwig Edinger, Max Horkheimer oder Martin Buber. Sie stehen dafür“, sagte das Stadtoberhaupt.
„Der 9. November ist und bleibt als Gedenktag unentbehrlich. Wir gedenken der Opfer und wir erinnern uns an die Untätigkeit vieler, die schweigend mitansahen, wie ihre jüdischen Nachbarn und Freunde gedemütigt, geschlagen und deportiert wurden, wie Synagogen brannten und die Hemmschwelle der Brutalität immer tiefer sank. Das Gedenken an den 9. November ist nur einmal im Jahr, aber die Lehren müssen wir auch an alle anderen 364 Tagen ziehen. Wenn Rechtspopulisten die Geschichte umdeuten wollen, wenn rechtsextreme Positionen in der Mitte der Gesellschaft sicht- und hörbar werden, dann darf die Mehrheitsgesellschaft nicht mehr schweigen. Dies ist und bleibt Aufgabe von allen“, sagte Latasch.
„Die vier großen Frankfurter Synagogen – errichtet zwischen 1860 und 1911 – waren sichtbarste Zeichen der Größe und des Stolzes der Jüdischen Gemeinde. 1938 wurden sie zu Terrorzielen der Nazis. Die Thorarollen – das Heiligste – wurden geschändet, Rabbiner gedemütigt und misshandelt. Der Weg, der zur Ermordung von Millionen führte, begann im Kleinen: in Schulen, am Arbeitsplatz, am Küchentisch in den Familien. Er begann überall dort, wo Nazis und deutschnationale Rassisten unwidersprochen Hassreden hielten“, sagte Feldmann.
Der Oberbürgermeister betonte, dass auch heute wieder Synagogen Ziel von Terror und Juden- und Völkerhass in Parlamenten seien: „Nur eine stabile Holztür hat ein Blutbad in der Synagoge in Halle im Oktober 2019 verhindert. Der 9. November darf für uns alle nicht nur ein Gedenktag sein: Lassen Sie uns aktiv werden für Demokratie, für Menschlichkeit und für den Schutz aller Menschen“, appellierte Feldmann.
Der Weg der Barbarei beginne mit vielen kleinen Schritten, mit Wegschauen und Weghören und mit klammheimlicher Zustimmung: „Stellen wir uns dem in den Weg: Heute, morgen, an jedem Tag! Beherzigen wir das Erbe unseres Landes und unseres Frankfurt in zwei Worten: Nie wieder!“, sagte Feldmann.
Fotos:
Oberbürgermeister Peter Feldmann legt einen Kranz am Mahnmal für die Opfer der NS-Herrschaft
3.v.li. Bürgermeister Uwe Becker, 4.v.r Leo Latasch, 2.v.r. Oberbürgermeister Peter Feldmann
beide Fotos © Stadt Frankfurt am Main, Bernd Kammerer