Bildschirmfoto 2020 12 08 um 23.44.08Gideon Saar verlässt den Likud und will mit neuer Partei Netanyahu herausfordern

Richard C. Schneider

Berlin (Weltexpresso) - Nur wenige Tage nach der ersten Abstimmung zur Auflösung der Knesset, erklärte Gideon Saar am gestrigen Dienstag, dass er den Likud verlassen, eine neue Partei gründen und als Kandidat und Gegner von Benjamin Netanyahu für das Amt des Premierministers bei Neuwahlen antreten werde. Schon lange kritisierte Saar nicht nur Netanyahu, sondern auch dessen Umgang mit seiner Partei: »Der Likud hat in den letzten Jahren seinen Weg mehr und mehr dramatisch verändert. Die Bewegung ist ein Mittel für die Interessen des Premiers geworden, einschließlich jener, die mit seinem Strafprozess zu tun haben« erklärte Saar heute grimmig.

Schon in der Vergangenheit hat der Politiker immer wieder das auf Personenkult getrimmte Verhalten des Likuds gegeißelt, ebenso die Politik Netanyahus scharf kritisiert. Nach der zweiten Knessetwahl letztes Jahr, bei der der Premier erneut keine Koalition zustande brachte, riet ihm Sa’ar, er solle sich aus der Politik zurückziehen. Erste Mitstreiter für seine neue Partei hat Saar bereits: Yifat Shasha-Biton, die sich in den letzten Monaten mehrmals mit Netanyahu anlegte, wenn er sich über das Corona-Komitee der Knesset hinwegsetzen wollte, zudem Yoaz Handel und Zvi Hauser der Splittergruppe »Derech Eretz« und möglicherweise sogar den früheren Generalstabschef Gadi Eisenkot, über den in letzter Zeit häufig gesagt wurde, dass er in die Politik gehen und Netanyahu verhindern will.

Auch wenn Sa’ar 2019 gegen Netanyahu die Wahl zum Parteivorsitzenden mit 27,5% zu 72,5% der Stimmen klar verloren hatte, gilt er dennoch als äußerst beliebter Politiker in weiten Teilen jener Rechten, die von Netanyahu inzwischen enttäuscht sind. Ob er eine Chance hat? Bislang gelang es dem amtierenden Premier noch immer, jegliche Herausforderer politisch zu vernichten.

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Gideon Saar sagt Benjamin Netanyahu den Kampf an
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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 8. Dezember 2020