Friedrich MerzDie kompetente Klima-Ökonomin wird bei Lanz gegen den klimatologisch und wirtschaftlich ungebildeten CDU-Schnösel und Aufschneider losgelassen und gewinnt

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nach dem bahnbrechenden Klimaschutz-Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts, das intergenerationelle Gerechtigkeit zur Norm erhebt, setzte Claudia Kemfert im mitternächtlichen Disput in der ZDF.-Sendung Markus Lanz gleich den unbestreitbaren Punkt an den Anfang: „Wir wirtschaften derzeit zu Lasten der zukünftigen Generationen“.


„Wir schieben denen die gesamten Klimalasten zu und jetzt muss nachgesteuert werden“. Und zwar in Windeseile. Da wir uns noch nicht auf dem Paris-kompatiblen Kurs bewegen, der zugleich ein europäischer ist, muss bis 2030 der Kohleausstieg kommen. Das rief unmittelbar überlegene Heiterkeit bei Friedrich Merz hervor. Wie auch anders, denn er war immerhin mal undisziplinierter Schüler mit Lernschwierigkeiten, wie er selbst zugab.

Als Jurist erscheint es ihm dringlich, zu reklamieren, dass Klimagerechtigkeit in Ansehung der Grundgesetz-Artikel zu Freiheit und Eigentum (Art. 2, Abs. 2 und Art 14) nicht in den Katalog der Grundrechte aufgenommen sei, bestätigt aber Kemferts Diktum. “Was wir machen müssen ist, dass wie die zukünftigen Generationen berücksichtigen müssen und dafür ist Art. 20 a da (‚Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen‘). Merz dazu: „Ist richtig“. Wir haben an uns zustehendem Atmosphärenverbrauch nur noch ein maximales Budget, das ungefähr noch ein knappes Jahrzehnt reicht.

Kemfert benennt aktuell drei Dinge: Erstens: Wir haben 8700 Wind-Altanlagen, die mittels Verfahren rückgebaut werden müssen, das sog. Repowering. Zweitens: Das mit dem ‚Kohleausstieg‘ wäre weiter durch Energetische Gebäudesanierung. Drittens: Dieses Land hat einen Investitionsstau bei der ökonomisch-technischen Modernisierung, bei Investitionen in Schienenverkehr, ÖPNV, Fahrradstrecken und mehr. Durch den Spruch des Gerichtsurteils könnten wir den Pfad mit Hilfe der EU-Wirtschaftshilfen beschleunigen, nachdem mit der Partei von Friedrich Merz viele Jobs in der Solar- wie auch in der Wind-Industrie verlorengegangen seien.


Apologetik gegen Sachverstand

Merz'  Strategie ist vor allem durch Apologetik gekennzeichnet. Nach dem Gerichtsurteil haben CDU-Altmaier und Laschet sowie CSU-Markus Söder das Urteil hochtönend gefeiert. Merz‘ Taktik ist, mit in Bezugnahme auf den Sachverständigenrat die ewige Leier des Marktinstruments aufzulegen und seltsam unklar zwischen dem CO2-Preis und den Emissionszertifikaten als Instrument zu pendeln. Immer will er sich als gestandener Marktpraktiker, der er sein will, anpreisen. Aber auch „ein Mixtum“ ist ihm nicht recht. Lanz wirft einmal ein: „Alles macht der Markt?“, fragt aber auch in die Runde: „Wo kommt der Strom her“ (ohne fossile Träger), für die Chemie- und Aluminiumindustrie; wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, zumal nicht bei Merz im Sauerland. Für die Industrie kann mit Ökostrom auch Wasserstoff produziert werden. Wenn wir das nicht alleine könnten, wären geeignetere Zonen, die den Strom preiswert produzieren können, durchaus sinnvoll (Kemfert).

Für den Primärstromverbrauch, die Grundlast, so Kemfert, sei der Strom zu jeder Tages- und Nachtzeit produzierbar und auch ausreichend speicherbar, wenn wir den Markt zulassen würden, wären wir schon heute im Alltag versorgt. Merz geht dazwischen: „Ich kommen vom Land. Da scheint nachts die Sonne nicht“. – „Es gibt Tage, da weht null Wind“. Kemfert kontert: „Sie machen immer ein Extremszenario, während wir (sie meint auch die Scientists for Future) nachweisen können, dass es einmal im Jahr maximal für zehn Tage eine Flaute gäbe“. „Die restlichen Tage haben wir Erneuerbare Energien im Überfluss - und das ist wissenschaftlich belegt“.

Lanz fordert auch Merz heraus: „Herr Merz, sie sagen immer, der Markt soll's machen, soll das alles der Markt machen? - Merz: „Nicht alles, aber viel“. Amerika rückt zurzeit auch sehr vom Markt ab. Lanz gibt zu bedenken, dass dieses Land, das für Kapitalismus stehe, wie kein anderes, gerade staatlich in dieses Thema reingehe, wie kein anderes Land. Merz darauf: „Und die wollen wissen, wie wir das gemacht haben“, mit dem Green Deal. Was aber den Markt angehe, so Kemfert, „haben wir ein großes Marktversagen, wir haben nicht die Einpreisung der externen Kosten – dann reden wir aber über ganz andere CO2 Preise“. Und weiter: „Nochmal. Die sind viel höher, wenn Sie sagen, sie wollen dazu einen Markt haben alleine, dann werden wir gigantische CO2 Preise haben“. Und Lanz an Nicole Diekmann gerichtet fragt: „Wenn Sie das hören. Wie soll dann Schwarz-Grün funktionieren?“ Die Grünen nämlich liegen in Umfragen vor der Union. Merz warnt vor Schnellschüssen. Doch die Zeit habe die Union nicht. Das sei die steilste Vorlage für die Grünen.

Die Gesellschaft muss also sehr schnell vorgehen, um die Emissionen zu senken. In kürzester Zeit. Mit Kemfert gesprochen sind wir auf dem Pfad der Vermeidungskosten und demzufolge springt der CO2-Preis sehr stark nach oben. Doch die CDU wolle gar keinen hohen CO2-Preis. „Sie sagen zwar immer Markt, aber wenn der Preis hochgeht, sind Sie die Ersten, die bei Industrieausnahmen dabei sind...“. – „Also das ist immer so eine Politik: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. – Merz entgegnet: „Nein, nein, nein“. Dazu muss gesagt werden, dass die CO2-Preise weit über 60 Euro pro Tonne liegen. Sie liegen sogar eher bei 180 Euro, bei einem sehr steilen Emissionspfad und dann sogar noch darüber. Kemfert schließt den Schlagabtausch: „Wasserstoff im übrigen kostet sogar bei Vermeidungskosten über 280 Euro pro Tonne CO2“. Lanz erinnert sich - was den politisch festgelegten CO2-Preis angeht -, dass Scholz und Söder „bei den letzten Koalitionsverhandlungen an entscheidender Stelle dafür gesorgt haben, dass Sie bei 10 Euro gelandet sind“.

Um dem Gesagten und Erkannten auszuweichen, springt Merz nun apologetisch um auf den Zertifikate-Handel des Sachverständigenrates als anderes Instrument und kommt mit dem Vorwurf, dass mit der Einführung der CO2-Steuer versprochen worden sei, die EEG-Umlage und die Stromsteuer „ordentlich zu senken“. Da haben wir wieder die Dämonisierung der EEG-Umlage, die aber nur deshalb so hoch blieb, weil ausgerechnet die größten Verbraucher der Industrie – Stichwort Aluminiumdosen fürs Bier, nur als Beispiel genannt – von Sigmar Gabriel Ausnahmetatbestände, Rabatte nämlich, zugebilligt bekommen haben; wobei das gute Bier damit geschmacklich vom Aluminium kontaminiert wird, was den Eseln, die es auf ihren verwahrlosten Wegen trinken, aber egal zu sein scheint.


"Zentraler Punkt“: Woher kommt der Strom bei Rausgang aus atomarer und fossiler Energie (Kemfert)?

Claudia Kemfert stellt das folgende Konzept in den Raum: „Der Strom kommt aus Erneuerbaren Energien, weil 3 Dinge passieren und das ist die fehlerhafte Annahme, die hier zugrunde gelegt wird. Der sog. Primärenergiebedarf, das ist der der Energiebedarf, den wir auch für Wärme und Mobilität nutzen, sinkt, wenn wir den Ökostrom sofort nutzen, d.h. den Ökostrom in die Wärmepumpe plus energetische Gebäudesanierung [geben], sinkt der Primärenergiebedarf".

Der Ökostrom, die Mobilität [kein Explosionsmotor mehr], auch dort sinkt der Primärenergiebedarf, weil wir eine viel höhere Effizienz haben, wenn wir Elektromobilität nutzen. Der Primärenergiebedarf halbiert sich. Aber, der Strombedarf, Gewinnung und Verbrauch erhöht sich und da kommt es jetzt darauf an, dass wir in höherer Effizienz Wasserstoff produzieren, den in die Autos tun, dann [aber] verschwenden wir ganz viel Ökostrom und müssen dann ganz viel zubauen. Wenn wir den aber direkt in die Autos tun, dann reduzieren wir den Primärenergiebedarf und das können wir in Deutschland sicherstellen“.

Lanz wirft ein: „wir sind das einzige Land der Welt, das glaubt, dass das geht“.

Kemfert weiter: „...nicht nur glauben. Wir können es empirisch belegen, können es auch in der Fachwelt darlegen, nicht nur wir, das sind die Scientists for Future, die haben im Rahmen eines umfassenden Projekts das dargelegt, dass das funktioniert und auch wissenschaftlich bewiesen ist“.

Lanz fragt Merz noch: „Würden Sie sich an diesen Tisch setzen, wenn Annalena Baerbock Kanzlerin wäre?“ – Merz: „Ich würde bis zum 26. September alles tun, damit das nicht eintritt“. Lanz: „Aber angenommen, das träte ein“. Merz: „Was wäre wenn..., damit beschäftige ich mich am 27. September morgens neun Uhr“. Lanz gibt zu bedenken: „Auch der Kulturwandel, der dann kommt...“. Im Hinblick auf die anwesende Frau Diekmann (ZDF) an Merz gefragt: „Können Sie sich vorstellen, irgendwann auch mal zu gendern? – Dieses Thema sprengt leider an dieser Stelle den weiter lebhaften Fortgang der Unterhaltung der Beteiligten.

Nach all dem wäre noch anzumerken, dass Sonne und Wind stofflich frei sind. Wir müssen nichts aus der Erde rausbaggern. Nur müssen wir lernen, das unendliche Potential möglichst effizient zu gewinnen. Das ist die einzige Herausforderung, abgesehen von Querdenkern und Quertreibern.

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Info:
Sendung im ZDF‚ Markus Lanz‘, 6. Mai 2021.
Begleitliteratur: Das Fossile Imperium schlägt zurück, Claudia Kemfert, Murmann 2017