Reaktionen von Jerusalem bis Washington
Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Im Vordergrund für Netanyahus politische Bekanntmachungen stand zweifelsohne seine Mitteilung an Washington bezüglich des zeitweisen Stoppens der umstrittenen Justizreform. Die Reaktion der USA ließ denn auch nicht lange auf sich warten: Noch in der Nacht zum Dienstag beglückwünschte die Administration Biden die Pause in der Verwirklichung von Israels juristischem Reformpaket nach dem chaotischen Tag auf Israels Strassen und in den Medien des Landes.
Zusammen mit der Mehrheit des israelischen Volkes dürfte auch Washington die Tatsache begrüsst haben, dass die Seiten sich bereits daran machen, Arbeitsgruppen mit Präsident Isaac Herzog zu bilden. Auch die positiven Reaktionen der Oppositionspolitiker Lapid und Gantz, die beide ihre Bereitschaft zu Gesprächen haben erkennen lassen, geben Anlass zu sachtem Optimismus. Da stecken die politischen Stimmungsmacher die herbe Kritik des Oppositionspolitikers Avigdor Lieberman wohl problemlos weg, wonach die nun verkündete Gesprächsbereitschaft der Kontrahenten «nur Taktik und nicht ernst zu nehmen» sei.
Sogar die an sich bedenkliche Tatsache, dass Itamar Ben-Gvir, der rechtsextreme Minister für innere Sicherheit, sich seinen Verbleib in der Koalition mit der Bewilligung zur Errichtung einer de facto Privatmiliz unter seinem Kommando hat verschönern lassen, schlucken die ob des nach wenigen Stunden schon wieder beendeten Generalstreiks und des langsam sich wieder normalisierenden Betriebs auf dem Ben-Gurion-Flughafen so kurz vor den Pessachferien fast wieder Seligen Markt-Gewaltigen ohne Schluckauf. Wie sagt da der französische Beobachter und Alles-Besserwisser: Pourvu que ca dure – wenn das man gut geht...
Der ehemalige Premierminister Ehud Barak goß aber kaltes Wasser über die Gefühle des Optimismus und der Erleichterung, als er meinte, Netanyahu sei gar nicht interessiert an der Wiederherstellung der Ruhe. Vielmehr gehe es ihm darum, warnte Barak, seine zusammenbrechende politische Karriere zu retten.
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Protestierende Israeli am Montag
©tachles
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 28. März 2023