Bildschirmfoto 2023 08 31 um 00.01.13Das Justizsystem in Israel steht kurz vor dem Kollaps. Und Justizminister Yariv Levin ist mit schuld daran

Redaktion tachles

Tel Aviv (Weltexpresso) - Nicht nur wegen der geplanten Justizreform der Regierung ist das gesamte Justizsystem in Israel in Gefahr und in der Krise. Es steht kurz vor dem Kollaps, da es an Richtern und Registerrichtern fehlt. Allein im letzten Jahr mussten die Gerichte in Israel über eine Million Anhörungen bewältigen, die Verfahren dauern inzwischen Jahre. Über 860'000 neue Fälle wurden eröffnet, etwa 2,7 Millionen Petitionen eingereicht.
Das alles lastet auf den Schultern von gerade mal 788 Richtern und 73 Registerrichtern im ganzen Land. Im Augenblick sind 21 Positionen offen, doch bis Ende des Jahres werden es 53 sein. Dass keine neuen Richter ernannt werden, liegt an Justizminister Yariv Levin. Der weigert sich das Komitee zur Berufung neuer Richter in seiner jetzigen Zusammenstellung einzuberufen. Er will das Gremium so verändern, dass die Regierung die Mehrheit hat und so die Richter einsetzen kann, die ihr genehm sind. Im Vergleich zur EU steht Israel sowieso schlecht da. Im Durchschnitt kommen auf 100'000 EU-Bürger 22,2 Richter, in Israel sind es gerade mal 7,8. Auch gibt es mehr zivilrechtliche und kriminalrechtliche Fälle in Israel als in EU. Wieder auf 100'000 Bürger gerechnet, sind es in Israel 4,5 beziehungsweise 4,68 Fälle, in der EU 2,2 und 2,72. Dass es nun zu solchen Engpässen kommt, hat viel mit den 5 Wahlen in den letzten Jahren zu tun. Während der Wahlperiode 2019 und 2020 wurde das Berufungskomitee 22 Monate nicht einberufen, 2021 fünf Monate und jetzt sind es auch schon wieder 8 Monate. Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara will deshalb beim Obersten Gericht durchsetzen, dass Levin das Komitee in seiner jetzigen Zusammensetzung einberufen muss. Auch das wird wieder ein Moment des Machtkampfs zwischen Justiz und der Regierung Netanyahu sein, der die Zukunft des Landes mit entscheiden wird.

Foto:
Der israelische Justizminister Yariv Levin
©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 30. August 2023