DownloadDie Ordensaffäre Bütefisch , Teil 2/3

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Für die üblen Zustände in Auschwitz waren die Chefs der IG Farben mitverantwortlich. Alle schwachen Häftlinge durften von ihnen – wie es in der Sprache der Menschenverächter damals hieß – abgeschoben werden, so dass die „Gewähr für eine fast volle Leistung … herausgeholt“ werden konnte. (6) Welches Schicksal die nicht mehr arbeitsfähigen Häftlinge erwartete, konnte den Verantwortlichen angesichts rauchender Krematoriumsschlote nicht verborgen geblieben sein. Aber „die Herren der Privatindustrie fanden nicht nur nichts dabei, sich gemarterte Todeskandidaten zu mieten“, bemerkt Reinhard Henkys in seinem Buch „Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen“, „sondern sie übernahmen auch weithin die Methoden der SS.“

Einem dieser Sklavenausbeuter war nun also das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen worden, sozusagen als Krönung einer Nachkriegskarriere, die Heinrich Bütefisch ungeachtet seiner NS-Vergangenheit an die Spitze der Ruhrchemie AG in Oberhausen geführt hatte.(7) Zwei Jahre später, am 27. Oktober 1966, lehnte es derselbe Bundespräsident Lubke ab, dass die von den Nazis verfolgte katholische Pazifistin und Claudel-Übersetzerin Prof. Dr. Klara Marie Fassbinder den ihr vom franzosischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle zugesprochenen Orden „Les Palmes academiques“ entgegennahm (Die Annahme eines ausländischen Ordens durch einen deutschen Staatsbürger bedarf der Genehmigung des Bundespräsidenten). Bütefischs Nachkriegskarriere war kein Einzelfall. Auch andere Verurteilte aus dem Nürnberger Prozess kehrten in die Chefetagen der chemischen Großindustrie zurück: Dr. Otto Ambros als Aufsichtsratsmitglied der Scholven Chemie AG in Gelsenkirchen und der bundeseigenen Bergwerksgesellschaft Hibernia AG in Herne; Dr. Fritz ter Meer als Aufsichtsratsvorsitzender der Bayer AG in Leverkusen und Dr. Walther Dürrfeld als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Scholven Chemie AG.

Bütefischs Freude über die Auszeichnung dauerte nicht lange. Am 25. März 1964 meldete die Deutsche Presse- Agentur, der Bundespräsident habe die Ruckgabe des Ehrenzeichens angeordnet. Es war der erste Fall dieser Art in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Den wahren Anlass erfuhr die Öffentlichkeit erst sehr viele Jahre spater. Ich enthüllte ihn am 21. November 1990 in einer Sendung von Radio Bremen. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte sich das Bundespräsidialamt davor auf einen „Unbekannten aus Suddeutschland“ berufen; er habe, so das Hamburger Blatt am 8. April 1964, durch einen Anruf die Recherchen des Amtes ausgelost. Tatsächlich hatte das Präsidialamt einen Anruf bekommen, aber er kam weder aus Suddeutschland, noch hatte ein Unbekannter angerufen. Am Telefon war damals die Redaktion des „Israelitischen Wochenblattes für die Schweiz“ mit Sitz in Zürich, Florastraße 14. Ihr lag ein Artikel von mir vor, der an die unrühmliche Vergangenheit des neuen Ordensträgers erinnerte.

Das Blatt war am 25. März 1964 mit dem Skandal an die Öffentlichkeit gegangen. Wenige Tage davor hatte bereits die Frankfurter antifaschistische Wochenzeitung Die Tat den Vorgang aufgegriffen. Die Redaktion der jüdischen Zeitung in der Schweiz vergewisserte sich vor der Veröffentlichung durch einen Anruf bei der Ordenskanzlei des deutschen Bundespräsidenten, ob einem Manne namens Heinrich Bütefisch tatsächlich das Bundesverdienstkreuz verliehen worden sei. Und es stimmte alles. Binnen kürzester Frist ordnete Heinrich Lübke die Ruckgabe des Verdienstkreuzes an. Über die Einzelheiten unterrichtete mich die Zürcher Zeitung in einem Brief vom 30. Marz 1964. Sie schrieb unter anderem: „Es durfte Sie interessieren, dass Ihre Zuschrift den ganzen Ruckzug ausgelost hat. Unsere, routinemäßig erfolgte, sichernde Ruckfrage betreffend die Tatsachlichkeit der Ordensverleihung direkt bei der zuständigen Stelle, war die Initialzündung. Weder bei der Ordenskanzlei des
Bundespräsidenten, noch bei der nordrhein-westfälischen Regierung war vorher etwas von einem Protest gegen diese Ordensverleihung bekannt. Innerhalb einer halben Stunde jedoch wurden sowohl der Bundespräsident wie auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident mobilisiert, und es kam schließlich zu den Ihnen bekannten administrativen Folgen und dem Rauschen im deutschen Blatterwald.“ (
Schluss folgt

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Info;
6) Der Spiegel, 8. 4. 1964