Haaretz teilt gegen den Premier und den Multi-Unternehmer aus
Andreas Mink
Tel Aviv (Weltexpresso) - Der Israel-Besuch von Elon Musk provoziert Haaretz zu harscher Kritik an dem Eigner von Tesla, X und anderen Unternehmen, sowie seinem Gastgeber Binyamin Netanyahu. So nannte Chefredakteurin Esther Solomon den Milliardär auf X einen «eklatanten Antisemiten und Verbreiter von Antisemitismus» und griff damit eine neuerliche Aufregung um die Promotion eines offen judenfeindlichen X-Posts durch Musk auf: «Der offensichtliche Antisemit und Propagandist des Antisemitismus Elon Musk sollte in Israel eine unerwünschte Person sein.» Doch stattdessen lote «Netanyahu neue Tiefen amoralischer Speichelleckerei aus und lädt Musk zu einem PR-Besuch in den von der Hamas zerstörten Kibbuzim.» Dies sei «profan, korrupt und übelerregend» – und zwar im Hinblick auf Gast und Gastgeber .
Ausführlicher meldet sich David Rothkopf im Meinungsteil von Haaretz zu Wort. Der Publizist, Consultant und ex-Diplomat unter Obama wirft Netanjahu «Verrat an Juden in grossem Stil vor», weil er sich nicht allein mit Musk, sondern generell «mit den prominentesten Judenhassern der Welt anfreundet und gleichzeitig seine Kritiker als Antisemiten anprangert»: «Musk ist nur das jüngste, gefährliche Beispiel.» Aber ihn mitten im Gaza-Krieg in Israel willkommen zu heissen, sei besonders abscheulich.
Mit der öffentlichen Umarmung von Musk signalisiere die Netanjahu-Regierung nicht allein, dass sie ihre eigene Agenda über Israels historischer Kernaufgabe stelle, nämlich dem jüdischen Volk einen Zufluchtsort vor tödlichem Antisemitismus zu bieten. Netanjahu erhebe «den israelischen Ethno-Nationalismus in seiner völlig zynischen, amoralischen Herrlichkeit über die grundlegenden jüdischen Werte und über die Juden selbst». Der Premier und seine Höflinge hätten prominente Judenhasser aufgenommen und ihnen Absolution für ihre Sünden und Israels offizielle Erlaubnis zum Weitermachen angeboten. Die Botschaft sei klar: «Ich sehe über Ihren Hass auf die Juden hinweg, wenn Sie mich auf Grundlage unseres gemeinsamen Autoritarismus und Rassismus unterstützen.» In diesem Sinne habe Netanjahu «enge Beziehungen zu einem abscheulichen Club der berüchtigtsten Antisemiten der Welt geschlossen, darunter Putin, Orban, Musk, Erdogan und Trump.»
Das Netanyahu-Lager propagiere die Idee, der einzig gute Jude sei derjenige, der ihre Agenda unterstützt. Gleichzeitig würden vielen Millionen Juden verunglimpft werden, die Netanjahus «giftige Politik nicht teilen». Der Premier und seine Verbündeten versuchten, «sich den Antisemitismus zu eigen zu machen, um Andersdenkende als Antisemiten zu denunzieren.» Wer die israelische Politik wegen ihres institutionellen Rassismus und der systematischen Misshandlung von Palästinensern kritisiere und das «A-Wort» (für «Apartheid») in den Mund nehme, werde als Antisemit attackiert, «egal, ob Sie ein Rabbiner, ein Holocaust-Überlebender oder einfach ein alter, liberaler New Yorker Jude sind»
Foto:
Elon Musk und Binyamin Netanyahu am Schauplatz eines Massakers vom 7. Oktober.
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 29. November 2023