Kurt Schreibtisch 1Der Auschwitz-Prozess. Beginn: heute vor 60 Jahren 

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Am 10. November hat im Deutschen Bundestag eine Veranstaltung stattgefunden, mit der an den Beginn des großen Auschwitz-Prozesses am 20. Dezember 1963 in Frankfurt am Main erinnert wurde; 60 Jahre ist das jetzt her.

Die Konferenz über das Jahrhundertthema ist ohne Resonanz an der deutschen Öffentlichkeit vorbeigerauscht. Ganz offensichtlich hat sie die Erinnerung an den millionenfachen Mord an den europäischen Juden nicht sonderlich interessiert. Neue Morde an jüdischen Menschen machen inzwischen von sich reden, ohne dass ein weltweiter Protest den Unbelehrbaren in die Parade fährt.

Reden wir also von dem Mann, der als einsamer Kämpfer 1963 einige Angehörige des Volkes der Erbauer von Gaskammern zur Tötung von unschuldigen Menschen vor Gericht brachte - reden wir von dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Ihm ging es um die Bloßlegung der Wurzeln des Unheils, das mit der Machtübernahme durch die Nazis über die Menschheit gekommen war. Das verunsicherte die gesamte bürgerliche Oberschicht, die mehrheitlich mit den braunen Wölfen geheult hatte und von denen nicht wenige insgeheim und ganz offen noch weiterheulten. .

Es sei zu früh für ein abschließendes Urteil über das Dritte Reich, hielt der spätere Bundeskanzler Helmut Kohl 1962 Fritz Bauer entgegen. Mich erschreckte der hochfahrende Ton, den der Dreißigjährige im düsteren Saal des Bootshauses an der alten Nahebrücke in Bad Kreuznach während eines Streitgesprächs gegenüber seinem in der Emigration ergrauten Widersacher anschlug. Damals waren immerhin 17 Jahre vergangen, seit das Naziregime in Schutt und Asche versunken war. Und das soll immer noch zu früh gewesen sein für ein abschließendes Urteil? War es nicht eher schon zu spät?

Ein Jahr nach dem Streitgespräch begann in Frankfurt am Main der Auschwitz-Prozess. Da saß der Verfasser des offiziellen Kommentars zu den Nürnberger Rasse-Gesetzen, Hans Globke, als Staatssekretär und rechte Hand von Bundeskanzler Konrad Adenauer im Bonner Palais Schaumburg. Dabei führte sein Kommentar juristisch zu sämtlichen Gaskammern, die die Herren des Großdeutschen Reiches haben errichten lassen.

Wenige Wochen nach Beginn des Auschwitz-Prozesses, am 5. Februar 1964, zog Fritz Bauer im überfüllten Großen Hörsaal der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ein erstes Fazit des Jahrhundertverfahrens. Dort sprach er den prophetischen Satz: „Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.“ 60 Jahre nach dem Beginn des Auschwitz-Prozesses ist seine Mahnung aktueller denn je.

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Der Verfasser zur Zeit des Auschwitz-Prozesses
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