Bildschirmfoto 2024 07 03 um 06.44.35Die Parteivorsitzende Giorgia Meloni liebt Juden - ihre Partei eher nicht. Sie weiss das. Und musste nun nach Veröffentlichungen reagieren.

Redaktion tachles

Rom (Weltexpresso) - Es ist inzwischen ein altbekanntes «Modell» der Neuen Rechten, vor allem in Europa: Die Führungsfiguren stehen an der Seite Israels, verurteilenAntisemitismus, lassen keine Foto-Op aus, um sich mit jüdischen Funktionären des jeweiligen Landes ablichten zu lassen. Doch darunter, in den Parteien selbst, ist Antisemitismus gang und gäbe, gehört er zum «Gedankengut» der Ultras, die lediglich begriffen haben, dass man mit offenem Antisemitismus keine Punkte macht.

Insofern darf einen nicht verwundern, was das linke Nachrichtenportal «Fanpage» in Italien mittels zweier Videos, die heimlich und investigativ gedreht wurden, aufdeckte: Dass es in Giorgia Melonis «Fratelli d’Italia» Partei, bei der sogenannten «Nationalen Jugend» Antisemitismus gibt. Ein erstes 12 Minuten-Vido zeigt, wie dort ein Lied zu Ehren von Mussolini, dem «Duce», gesungen wird, gefolgt von «Sieg Heil»-Rufen und der Glorifizierung einer neofaschistischen Terrorgruppe, die in den 1970er und 80er Jahren Hunderte Menschen ermordet hatte.

Viele verurteilten die Ereignisse, doch die jüdischen Gemeinden blieben erstaunlich still. Dann veröffentlichte Fanpage ein zweites Video, mit eindeutig antisemitischem Inhalt. Eine der etwas älteren Aktivistinnen der Partei, Flaminia Pace, machte sich über Ester Mieli, einer Senatorin der «Fratelli d’Italia» lustig, weil sie Jüdin ist, ein weiterer Aktivist der Jugendorganisation der Partei sagt, die Juden seien eine «Kaste, die ihren Lebensunterhalt mit dem Holocaust verdient».

Das Video zeigt auch WhatsApp-Gruppen, in denen von der «Jüdischen Rasse» geschwafelt wird. Was Fanpage veröffentlichte, kam zum etwa selben Zeitpunkt wie die Veröffentlichung antisemitischer Messages eines Pressereferenten von Melonis Partei durch die Zeitung «La Repubblica». Ministerpräsidentin Meloni übte sich in Schadensbegrenzung, schmiss die im Video gezeigten Personen aus der Partei, erklärte, Antisemitismus habe keinen Platz in ihrer Bewegung, wer das suche, solle zu einer anderen Partei gehen – das Übliche, was Parteiführer in solchen Momenten sagen.

Die jüdische Gemeinde Italiens, allen voran die Vorsitzenden der beiden großen Gemeinden in Rom und Mailand mussten sich nun auch äußern und kritisierten heftig, was da zutage gekommen sei. Warum aber schwiegen sie bis dahin? Ähnlich wie in anderen Ländern – siehe Serge Klarsfeld in Frankreich – versucht man sich mit den Rechtsextremen gut zu stellen, da man sie mittlerweile für das kleiner Übel gegenüber den Islamisten und den Linken hält und obendrein ihre Loyalität zu Israel (eigentlich zu: Netanyahu) schätzt.

Ein Pakt mit dem Teufel? Gewiss, denn nach wie vor ist es so, dass die meisten physischen Angriffe auf jüdische Personen und Einrichtungen von Rechtsextremen kommen, zumindest ist das in den meisten Ländern Europas so, vielleicht mit Ausnahme Frankreichs, wo sich vor allem islamistischer Antisemitismus gewaltsam ausdrückt.


Foto:
Giorgia Meloni
©tachles


Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 2. Juli 2024