Bildschirmfoto 2024 07 03 um 06.52.35Israelischer Historiker fordert die Zerstörung des iranischen Atomprogramms. Sonst werde Israel nicht überleben

Redaktion tachles

(Tel Aviv ) - Benny Morris ist einer der bekanntesten israelischen Historiker weltweit. Seine Werke über die Ereignisse während des israelischen Unabhängigkeitskrieges 1948, die Geschichte der Flucht und Vertreibung der Palästinenser wurde durch seine Werke neu und wissenschaftlich einwandfrei eingeordnet und interpretiert. Nun meldet sich Morris mit einem aufsehenerregenden Meinungsartikel in der israelischen Tageszeitung Haaretz. Er verlangt, nicht mehr nicht weniger, die Zerstörung des iranischen Atomprogramms durch Israel, und falls nötig sogar mit Nuklearwaffen, die Israel angeblich hat.

Morris argumentiert mit den Ereignissen der letzten Monate. Israel steht massiv unter Druck, das Militär ist ausgelaugt und erschöpft und kann kaum einen Zwei-Fronten-Krieg im Süden und Norden des Landes über so eine lange Zeit durchhalten. Die Lage wäre katastrophal, so Morris, wenn Teheran bereits selbst Atombomben hätte. Dann wäre Israel der allmählichen Vernichtung durch eine Dauerkriegssituation, ausgesetzt, der jüdische Staat hätte kaum noch eine Chance irgendwie zu überleben.

Darum müsse jetzt etwas geschehen. Die Reaktion des israelischen Militärs auf den iranischen Angriff im April, also die Zerstörung eines Raketenabwehrsystems an einer der Nuklearanlagen des Iran, nennt Morris, wie damals schon der rechtsextreme Minister Itamar Ben Gvir ebenfalls nur «Dardaleh», ein hebräischer Slangbegriff etwa für das Deutsche jämmerlich oder lächerlich. Morris betont, dass er mit Ben Gvir nichts zu tun haben will, nennt auch Netanyahu korrupt, macht letzteren aber verantwortlich für die aktuelle Situation, nicht nur wegen des 7. Oktobers, sondern wegen einer katastrophalen Politik gegenüber dem Iran.

Zwar habe Netanyahu immer und immer wieder gedroht, Israel werde eine iranische Atombombe nicht zulassen, aber letztlich nie etwas dagegen wirklich getan. Morris ist in seiner Forderung sehr klar: Israel müsse angreifen, ganz egal, was die Welt dazu sagt, er ist überzeugt, dass da nicht viel kommen werde. Und selbst wenn, beispielsweise ein Boykott, so könne man damit besser leben und vor allem überleben als mit einer Atommacht Iran, die das Ende Israels bedeuten würde. Was Morris auch klar ist: dass so ein Schritt mit der aktuellen Regierung nicht zu machen ist. Netanyahu sei dazu so oder so der falsche Mann. Er zählt auf den nächsten Premier. Wann immer der gewählt werden sollte.

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Historiker Benny Morris meldet sich zu Wort
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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 2. Juli 2024