wdrmännerKeine NS-Verherrlichung zulassen!

FIR

Berlin (Weltexpresso) - Man könnte es für eine Nachricht aus Absurdistan halten, wenn man liest, dass 80 Jahre nach der Befreiung von der nazistischen Barbarei immer noch Kommunen und größere Städte in Europa endlich den Schritt vollziehen, die Ehrenbürgerschaft von faschistischen Repräsentanten zu streichen.


Ende Februar hat nun die norditalienische Kommune Salò beschlossen, Benito Mussolini die Ehrenbürgerschaft zu entziehen. Auf der einen Seite ist es von großer symbolische Bedeutung, dass diese Kommune endlich den Schritt vollzogen hat, denn Salò war der letzte Rückzugsort der italienischen Faschisten nach der Absetzung von Mussolini und der Befreiung großer Teile des Landes durch die Alliierten und die italienische Resistenza. Ganz und gar abhängig von der deutschen Wehrmacht, die die Nordhälfte Italiens seit September 1943 besetzt hielt, errichteten Mussolini und seine Vasallen in dem Städtchen im Alpenvorland die „Republik von Salò“, ein Marionettenstaat von Nazideutschlands Gnaden. Man nannte sich offiziell Repubblica Sociale Italiana, kurz RSI. Dieses vorgeblich „Soziale“ war die radikalisierte und entfesselte Version der faschistischen Herrschaft über ganz Italien, Judenverfolgung und Deportation inklusive.

Eigentlich könnte man kritisieren, dass es längst an der Zeit gewesen wäre, diesen Schritt zu vollziehen. Dennoch ist er bemerkenswert, da die Mitte-links-Mehrheit im Gemeinderat von Salò diesen Beschluss genau zu dem Zeitpunkt vollzieht, wo in Rom eine Regierungsmannschaft herrscht, die sich in der politischen Tradition der italienischen Faschisten versteht. Der Präsident des italienischen Senats huldigt Mussolini mit einer Duce-Statue in seinem Wohnzimmer. Und die Regierungschefin Meloni hat über ihre Sympathien für Mussolini niemals Zweifel gelassen. So ist dieser Gemeinderatsbeschluss tatsächlich auch ein Zeichen gegen die faschistische Regierung in Rom.

Wenn man den Blick nach Spanien wendet, dann hätten dort auch zahlreiche Kommunen Grund und Möglichkeit, sich gegen den immer noch bestehenden Franco-Kult aktiv zur Wehr zu setzen. Das wäre ein politisches Signal gegen die Versuche der Partido Popular und der extrem rechten VOX, die ideologische Ausrichtung des Landes wieder in faschistische Richtung zu drehen. Antifaschisten führen bereits seit Jahrzehnten den Kampf, die Opfer der Franco-Herrschaft angemessen zu würdigen. Zwar sind frühere Wallfahrtsstätten für die Franquisten durch politische Beschlüsse der Zentralregierung aufgelöst worden, aber in vielen Teilen Spaniens gibt es nicht nur Erinnerungsstätten, sondern auch andere öffentliche Formen der Ehrung von Franco. Hier haben die antifaschistischen Kräfte noch große Aufgaben, nicht nur an die Kämpfer für die Spanische Republik und die Opfer der Franco Ära zu erinnern, sondern sich auch für die Auflösung von Erinnerungsorten an die Franco-Herrschaft einzusetzen.

Problematisch ist insbesondere in verschiedenen osteuropäischen Staaten die geschichtsrevisionistische Wiedereinsetzung von NS-Kollaborateuren in eine gesellschaftliche Würdigung. Skandalös ist die Ehrung des ukrainischen Nationalisten und NS-Kollaborateur Stepan Bandera. Hier handelt es sich nicht allein um die Rehabilitierung durch Neonazis und extreme Rechte, sondern der Bandera-Kult umfasst das gesellschaftliche Narrativ des heutigen ukrainischen Staates.

Seit vielen Jahren wehren sich die FIR und ihre Mitgliedsverbände gegen NS-Verherrlichung und SS-Rehabilitierung in den Baltischen Staaten oder gegen die öffentliche Würdigung von ungarischen Kollaborateuren anlässlich des „Ausbruchs“ im Februar 1945. dem so genannten „Tag der Ehre“, an dem in diesem Jahr wieder über 1000 Menschen teilgenommen haben. In Sofia ehrten Ende Februar – trotz Verbot – mehrere hundert Neonazis mit einem Fackelzug den bulgarischen General Hristo Lukov, einen Faschisten und Kollaborateur, der seit über zwanzig Jahren zur Symbolfigur des bulgarischen Neofaschismus stilisiert wird. Der “Lukov-Marsch” zieht damit Neonazis aus ganz  Europa an, darunter aus Italien, Spanien, Rumänien, Frankreich, Ungarn, Österreich und Deutschland.
80 Jahre nach der Befreiung von der Nazi-Barbarei ist es an der Zeit, eine deutliche Botschaft gegen jegliche NS-Verherrlichung zu senden. Das wäre eigentlich eine politische Aufgabe des Europäischen Parlaments. Angesichts der jüngsten geschichtsrevisionistischen Beschlussfassung wird man darauf jedoch wohl vergeblich warten.


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Quelle FIR Newsletter 2025-10 dt.