Frank Walter Steinmeier: „Noch immer können sie ihn nicht in Ruhe lassen.“
Thomas Gehrke
Donauwörth (Weltexpresso) - Noch vor dem eigentlichen Vortrag der bekannten Historikerin kam als Impuls aus dem Präsidium, wie wichtig es sei, auch mit der Arbeit über Fritz Bauer ein Gegengewicht zum gegenwärtigen Hitler-Hype zu schaffen.
Der Film „Er ist wieder da“ gehört zu den meistgeschauten Filmen; der Wiener Hitler-Darsteller Oliver Masucci tourt in Deutschland und erweckt Interesse und Heiterkeit im Volk.
Das Münchner Institut für Zeitgeschichte publiziert „Mein Kampf“ mitsamt gelehrten Fußnotenapparat, damit das Volk „den rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Irrsinn“ auch verstehen möge.
Wider Erwarten verkauft es sich sehr gut. Dazu Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München:“ Von dieser extrem starken Nachfrage waren wir allerdings selbst überrascht.“
Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte zu diesem „Weltereignis“ am 09./10. Januar im Feuilleton, Seite 17, das dazu notwendige Journalistische.
Hier eine Auswahl von Überschriften dieser erhellenden Seite: „Wirrnis und Trübsal“, „Scholastik des Irrsinns“, „der umzingelte Text“ oder - besonders tiefgründig - „Morphologie und Physiognomik waren Hitler zu anspruchsvoll. Er blieb lieber im Bildfeld von Tierzüchtung und Bakteriologie.“
So wird Aufmerksamkeit für das überflüssigste und zugleich erbärmlichste Buch der Welt geschaffen.
Und, nicht zu vergessen, in Schulen soll es ja wohl auch gelesen werden.
Aber zurück zum Vortrag.
Wojak, international anerkannte Biographin von Fritz Bauer, brachte in ihrem Vortrag die historische Person, aber auch den Menschen Fritz Bauer den Zuhörer*nnen nahe.
Gesetz ist Gesetz, Gehorsam wird immer geschuldet, Ruhe ist des Bürgers höchste Pflicht. Diesen deutschen Tugenden setzte Bauer sein … “wo Unrecht geschieht, tut Widerstand Not“ entgegen.
Wie kann nun das Vermächtnis dieses großen Deutschen mit Leben erfüllt werden?
Wojak berichtete von einer Schulklasse, die Auschwitz besucht hatte. Sie waren erschüttert, auch über das, was ein Zeitzeuge ihnen erzählt hatte. Zitat:“ Der Besuch der NS-Gedenkstätte bewirkte, dass die meisten Jugendlichen vorerst nichts mehr mit dieser Geschichte zu tun haben wollten. Sie suchten nach positivem Ausgleich, nach Anknüpfungspunkten für das eigene Leben. Erst als wir über Fritz Bauer und die Möglichkeiten sprachen, Widerstand zu leisten und einen Standpunkt einzunehmen, sich für Recht und Gerechtigkeit zu engagieren, veränderte sich die Stimmung. Fragen kamen auf, wie menschliches Überleben überhaupt dauerhaft möglich ist, was eigene Kraftquellen sind und was möglicherweise die von Anderen. So konnten sie dem Besuch langsam einen positiveren Sinn abgewinnen.“
Es ist höchste Zeit, dass die Schriften von Fritz Bauer wieder öffentlich zugänglich werden und auch als Lehrstoff in den Schulen verwendet werden.
Und noch ein besonders wichtiger und oft übersehener Gedanke an diesem Abend: „Ursachen und Folgewirkungen der NS-Herrschaft sind tiefer verwurzelt, als manche heute noch wahr haben wollen.“
An dieser Stelle soll das Zitat der Woche aus der Jüdischen Allgemeine Nr. 9/16 noch erwähnt werden, weil es mit dem Thema zu tun hat.
„Es soll nicht die ganze deutsche Geschichte davon abhängen, dass wir zwölf Jahre üblen Unfug gemacht haben.“
So Dr. Thomas Goppel (CSU) kürzlich in einer Sitzung des Wissenschafts- und Kulturausschusses im Bayerischen Landtag.
Goppel, auf telefonische Nachfrage am 04.03.2016:„ Ja, ich habe diesen Satz so gesagt. Er sei vielleicht unglücklich formuliert, aber ich stehe dazu.“
Das ist nun Politik. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, so könnte man sagen und es dabei bewenden lassen. Aber es brennt.
Noch etwas aus dem Alltag von nebenan und das gehört auch dazu.
Eine ältere Dame beabsichtigte, nach Israel zu reisen - „Da wollte ich schon immer mal hin.“ Die Nachbarn erfuhren davon und fragten sie: „ Was willst du denn bei den Juden?“
Das brennt bis ins Innerste!
Noch einmal zurück zum Vortrag.
Ein weiterer Punkt an diesem Abend; welche Rolle spielt gegenwärtig das Fritz-Bauer-Instituts (FBI) in Frankfurt am Main, 1995 unter einer SPD-geführten Regierung in Hessen gegründet.
So versteht sich das Institut als interdisziplinär ausgerichtete und unabhängige Forschungs-, Dokumentations- und Bildungseinrichtung zur Geschichte der nationalsozialistischen Massenverbrechen – insbesondere des Holocaust – und deren Wirkung bis in die Gegenwart.
Es trägt nicht umsonst den Namen Fritz Bauers und sollte natürlich seinem positiven Andenken verpflichtet sein.
Und hier setzte klare Kritik an der Arbeit des FBI ein.
So versäumt oder verhindert das Institut die Veröffentlichung der Schriften von Fritz Bauer seit Jahren.
Dazu zwei Beispiele: Bauer war der Autor eines Werkes zum Problem Internationales Strafgericht. Der Titel lautete: „Die Kriegsverbrecher vor Gericht,“ verlegt im Europa-Verlag Zürich, 1945. In Deutschland nie erschienen.
Eine andere, besonders wichtige Schrift Bauers: „Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns.“ Zuerst als Referat Bauers auf Veranlassung des Landesjugendrings Rheinland – Pfalz im Rahmen einer Arbeitstagung über „Rechtsradikalismus“ gehalten, wurde die Auslieferung von 2000 Exemplaren dieser Broschüre des Landesjugendrings an Oberstufen höherer Schulen und Berufsschulen durch das Kultusministerium verhindert. Übrigens auf Weisung des späteren Bundeskanzlers Kohl. Das war 1962.
Der Text erschien dann 1965 in der Europäischen Verlagsanstalt, ist aber derzeit nicht auf dem Markt.
Was aber kommt aus dem Institut gegenwärtig? Bis zum Erbrechen läuft diese widerliche Kampagne, die seit einiger Zeit auf verschiedene Art transportiert wird: Der Jude ist schwul, er hätte Deutschland verraten, aber auch seine Partei - die SPD - und natürlich sein Judentum.
Diese verleumderischen Inhalte findet man in der Bauer–Biografie von Ronen Steinke. Aber auch in Spielfilmen der jüngsten Vergangenheit werden diese Aussagen verwendet.
Das FBI war bei jedem dieser Projekte beratend zur Stelle.
Ursprünglich hatte das Fritz-Bauer-Institut den verbindlichen Auftrag, das Andenken Fritz Bauers positiv zu fördern. Dazu wird es mit öffentlichen Geldern ausgestattet.
Der Stiftungsrat des FBI ist wohl gefordert, eine weitere Beschädigung der historischen Persönlichkeit Fritz Bauers zu unterbinden.
Foto: Irmtrud Wojak (c) br
Info:
Es gibt eine Neuausgabe der Biographie von Irmtrud Wojak über Fritz Bauer, die im Artikel von Conrad Taler der gerade erschienen Ausgabe von MEIN KAMPF gegenübergestellt wird.
http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6667:der-alltaegliche-wahnsinn&catid=78:buecher&Itemid=470
Irmtrud Wojak, Fritz Bauer. 1903-1968. Eine BiographieBUXUS EDITION, München 2016, 614 S., 28,00 € plus Versandkosten
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