Vor 80 Jahren: Arabischer Aufstand in Palästina, Teil 1
Matthias Küntzel
Hamburg (Weltexpresso) - Am 15. April 1936 geschah es, vor genau achtzig Jahren, am Abend um halb neun.
Drei Araber hielten in der Nähe von Nablus Fahrzeuge an: Einer beobachtete die Straße, ein anderer hielt die Passagiere der gestoppten Fahrzeuge mit der Waffe in Schach, und der Dritte nahm ihnen ihr Geld ab. Dann wurden die Opfer gefragt, ob sich Engländer oder Juden unter ihnen befänden.
Der Lastwagenfahrer und sein Begleiter, beide Juden, wurden an Ort und Stelle erschossen. Ebenfalls anwesend war ein Mann, der behauptete, dass er Deutscher und Hitleranhänger sei. Die drei ließen ihn „Hitler zuliebe“ mit 35 Pfund Sterling in der Tasche laufen. [1]
Mit diesem Vorfall begann der Arabische Aufstand im britischen Mandatsgebiet für Palästina. Und so ging es weiter: Am 17. April ermordeten radikale Juden in Vergeltung zwei Araber. Am 19. April töten Araber in Jaffa 9 Juden und verletzten zehn. Nun verhängte die britische Mandatsmacht eine Ausgangssperre und rief den Notstand aus. Am 20. April begann gleichzeitig in Nablus, Jaffa und Jerusalem ein Streik. Am 25. April entstand zur Leitung des „Generalstreiks“, wie man ihn nun nannte, das überparteiliche „Arab Higher Committee“ unter Führung von Amin el-Husseini, dem Mufti von Jerusalem.
„Schon im Mai lagen Handel und Gewerbe bei den Arabern im wesentlichen still“, heißt es im Bericht der britischen „Peel-Kommission“, die die Unruhen untersuchte. „Der Hafen von Jaffa war überhaupt nicht in Tätigkeit. Die arabischen Läden in Jerusalem und anderswo waren geschlossen. … Dann und wann begleiteten örtliche Demonstrationen den Streik. Juden wurden in verschiedenen Teilen des Landes angefallen und mit Steinen beworfen.“
Im Juni verschärfte sich die Situation. Araber, die sich vom Streik fernhielten wurden bedroht. „Gewalttätigkeit und Sabotage nahmen zu“, so die Peel-Kommission. „Zwei Züge wurden zur Entgleisung gebracht und ein Brücke in die Luft gesprengt. Straßen wurden verbarrikadiert und Telephondrähte durchschnitten. Aber die ernsteste Erscheinung war das Auftauchen von Banden bewaffneter Araber in den Bergen, darunter Freiwillige aus Syrien und Irak.“ [2]
Auslöser für den Aufstand war die rapide Zunahme der jüdischen Einwanderung nach der Machtübernahme der Nazis in Berlin. 1933 kamen 30.327 Jüdinnen und Juden ins Land, 1935 waren es bereits 61.854. [3] Die Aufständischen forderten deshalb, die jüdische Einwanderung zu verbieten, jedwede Übertragung arabischen Bodens an Juden zu untersagen und eine nationale Regierung einzurichten.
Doch die Hände der Briten waren gebunden. Auf sie hatte der Völkerbund, der den Umgang mit der Erbmasse des zerschlagenen Osmanischen Reichs regelte, das Mandat für Palästina übertragen. Primärer Zweck des britischen Mandats war die Förderung des Jüdischen Nationalheims, wie man es den Juden in der Balfour-Erklärung von 1917 versprochen hatte. So forderte Artikel 4 des Mandatsvertrags von der Mandatsmacht, die „jüdische Einwanderung unter geeigneten Bedingungen (zu) erleichtern und … eine geschlossene Ansiedlung von Juden auf dem Lande … (zu) fördern.“ [4]
Der Arabische Aufstand dauerte mit Unterbrechungen bis zum Frühsommer 1939. Er prägte wie kaum ein zweites Ereignis die weiteren Verläufe des Nahostkonflikts. Doch erreichte er auch sein Ziel? Fortsetzung folgt.
Anmerkungen:
[1] So der Bericht des palästinensische-arabischen Nationalisten Akram Zu’aytir, zit. nach Gilbert Achcar, Die Araber und der Holocaust, Hamburg 2012, S. 133.
[2] Königliche Palästina-Kommission unter dem Vorsitz von Earl Peel, Bericht über Palästina, Berlin 1937, S. 111f.
[3] Königliche Palästina-Kommission, a. a. O., S. 94ff.
[4] Königliche Palästina-Kommission, a. a. O., S. 38f und S. 44.
Info:
Abdruck aus MENA-Watch mit freundlicher Genehmigung des Autors