Vor 80 Jahren: Arabischer Aufstand in Palästina, Teil 3

 

Matthias Küntzel

 

Hamburg (Weltexpresso) - Auf der anderen Seite mischte sich die arabische Welt erstmals in die Auseinandersetzungen im Mandatsgebiet ein. Was bis zum Arabischen Aufstand ein Streit zwischen Zionisten und palästinensischen Arabern war, weitete sich nunmehr zu einem Machtkampf zwischen dem Zionismus und der arabischen Welt aus.

 

Zwar diente die von London gebilligte Einmischung von Saudi-Arabien, Irak, Jemen und Transjordanien anfänglich dem Ziel, den Streik zu beenden, was Ende 1936 auch gelang.

Doch hatte sie schon damals auch eine militante Dimension. 1936 strömte erstmals eine große Menge Freiwilliger aus Syrien, dem Irak und Transjordanien ins Land, um die Kämpfe gegen Briten und Juden zu unterstützen.

 

Im September 1937 kamen über 400 arabische Aktivisten in dem syrischen Ort Bludan zusammen, um über eine Ausweitung des Aufstands zu beraten, darunter 160 Syrer, 128 Palästinenser, 65 Libanesen, 30 Transjordanier, zwölf Iraki, sechs Ägypter und ein Vertreter aus Saudiarabien. [10] Im Oktober 1938 fand in Kairo eine „Islamische Parlamentarierkonferenz zugunsten von Palästina“ statt, bei der erstmals auch der ägyptische Premier Muhammad Mahmud auftrat und eine pro-palästinensische Rede hielt.

 

Die Tatsache, dass es während dieser Konferenz die Muslimbrüder waren, die den Ordnerdienst stellten, für die Trennung von Männern und Frauen sorgten und nebenbei auch Kopien von „Mein Kampf“ und den „Protokollen von Zion“ verteilten, verweist auf einen weiteren Aspekt: Der Aufstand in Palästina war der Auslöser, der aus der 1928 gegründeten Sekte der Muslimbrüder eine Massenbewegung machte.

 

In Moscheen, Schulen und Betrieben alarmierte sie die Gläubigen mit der frei erfundenen Behauptung, dass Juden und Briten die heiligen Stätten des Islam in Jerusalem zerstören und den Koran in Stücke reißen und zertrampeln würden. Zwischen 1936 und 1938 stieg ihre Mitgliederzahl von 800 auf 200.000 an. [11]

 

 

Nazideutschland kommt ins Spiel

 

Für die Erfordernisse und Ziele der deutschen Propaganda kam die Palästina-Frage wie bestellt“, schrieb der Nahost-Historiker Lukasz Hirszowicz über diese Jahre. [12] Auf der einen Seite bot der Aufstand Gelegenheit, den Hass auf Juden unter Arabern zu schüren. Auf der anderen Seite standen mit dem Mufti und den Muslimbrüdern willige, von Berlin finanzierte Nazi-Helfer bereit.

 

So diente während des Arabischen Aufstands das Hakenkreuz als Erkennungssymbol: Wer in jenen Jahren durch die aufständischen Gebiete Palästinas fahren musste, befestigte an seinem Fahrzeug ein Hakenkreuz, um vor den Überfällen arabischer Freischärler geschützt zu sein. [13] Arabischen Kinder hießen sich mit dem „deutschen Gruß“ willkommen, und bei Feiern aus Anlass von Mohammeds Geburtstag wurden deutsche Fahnen und Hitlerbilder gezeigt.

 

Nachdem die Peel-Kommission, im Sommer 1937 aufgrund der Unruhen zu dem Urteil kam, dass Palästina geteilt und 20 Prozent des Landes an die Juden gehen sollte, erhöhte sich der deutsche Einsatz zugunsten der Aufständischen enorm.

 

Der Mufti gab selbst zu“, schreibt Klaus Gensicke, „dass es seinerzeit nur durch die ihm von den Deutschen gewährten Geldmittel möglich war, den Aufstand in Palästina [weiter] durchzuführen. Von Anfang an stellte er hohe finanzielle Forderungen, denen die Nazis in sehr großem Maße nachkamen.“ [14]

 

In London, wo man im Vorfeld des sich anbahnenden Weltkrieges auf gute Beziehungen zur arabischen Welt angewiesen war, löste die zunehmende Kooperation zwischen Deutschland und den arabischen Aufständischen Besorgnis aus.

 

 

Großbritannien resigniert

 

Allein zwischen April und Oktober 1936 wurden drei Offiziere und 34 Soldaten oder Polizisten der britischen Mandatsmacht getötet sowie 32 Offiziere und 174 Soldaten oder einfache Polizisten verletzt. [15] Überrascht von der Wucht des Aufstands bestellte die britische Regierung den Bericht der Peel-Kommission, die Mitte 1937 die Teilung des Landes empfahl. Parallel dazu gab sie Weisung, den Mufti zu verhaften, was dank dilettantischer Vorbereitung jedoch misslang.

 

Im Ergebnis führte der Teilungsplan aber nicht zur Beruhigung. Er stachelte ganz im Gegenteil die Aufständischen weiter an. Die gesamte arabische Welt drohte sich gegen London zu verbünden, um den jüdischen Teilstaat zu verhindern. Sie wurde hierbei von den Nazis unterstützt.

 

Zwar gelang es den Briten, den Aufstand in der zweiten Hälfte 1938 mit harter Hand zu unterdrücken. Gleichzeitig aber zog London am 9. November 1938, als in Deutschland die Synagogen brannten, den Vorschlag zur Teilung Palästinas zurück.

 

Doch damit nicht genug: Seinen größten Triumph erzielte der Arabische Aufstand, als London im Mai 1939 – die Wehrmacht war in Prag gerade einmarschiert – das sogenannte „Weißbuch“ veröffentlichte. Darin wurde die jüdische Einwanderung nach Palästina für die folgenden fünf Jahre auf 75.000 Menschen beschränkt. Nach Ablauf der fünf Jahre sollte laut „Weißbuch“ die jüdische Einwanderung von der Zustimmung der Araber abhängig – also de facto unmöglich – gemacht werden und jüdischer Landkauf so gut wie unterbunden werden. [16]

 

Dies widersprach nicht nur dem Mandat des Völkerbundes, es ließ auf empörende Weise auch den laufenden Krieg der Nazis gegen die Juden außer Acht.

 

Der eigentliche Auslöser dieser Entscheidung war freilich Berlin: Der Zweite Weltkrieg zeichnet sich deutlich ab; da galt es, sich mit den Arabern gutzustellen – auf Kosten der Juden.

 

Die Bilanz des Arabischen Aufstands ist somit negativ – und zwar für alle Beteiligen. Er hat erstens die radikal-islamistischen Kräfte um den Mufti gestärkt und die kompromissbereiten Araber ermordet, eingeschüchtert oder vertrieben. Er hat zweitens den ersten Versuch einer Zwei-Staatenlösung für Palästina zunichte gemacht. Drittens erreichte der Aufstand zwar teilweise sein Ziel: Er veranlasste die britische Regierung, die jüdische Einwanderung zu drosseln. Mit der Sperrung des Zugangs nach Palästina lieferte London jedoch zahllose Juden den Nazis aus. Viertens hat sich seit dem Aufstand die von den Nazis forcierte antisemitische Deutung des Konflikts weiter durchgesetzt.

 

Aus diesem Schatten Adolf Hitlers trat das Gros der arabischen Palästinenser bis heute nicht heraus.

 

 

Anmerkungen:

 

 

[10] Elie Kedourie, The Bludan Congress on Palestine, September 1937, in: Middle Eastern Studies, Vol. 17, Jan. 1981, No. 1, S. 109.

 

[11] Matthias Küntzel, Djihad und Judenhass, Freiburg 2002, S. 29f.

 

[12] Lukasz Hirszowicz, The Third Reich and the Arab East, London 1966, S. 27.

 

[13] Ralf Balke, Die Landesgruppe der NSDAP in Palästina, Diss. Düsseldorf 1997, S. 214 und 216. Iwo Jordan, Araberaufstand. Erlebnisse und Dokumente aus Palästina, Wien/Leipzig 1943, S. 3 und 97. Jordan hat ein arabisch-palästinensisches Flugblatt mit Hakenkreuzen als Faksimile dokumentiert.

 

[14] Gensicke, a. a. O., S. 234,

 

[15] Königliche Palästina-Kommission, a. a. O., S. 121.

 

[16] Hermann Meier-Cronemeyer, Geschichte des Staates Israel, Schwalbach 1997, S. 107.

 

Info:

Abdruck aus MENA-Watch mit freundlicher Genehmigung des Autors