Doch wäre es angesichts solcher Begehrlichkeiten nicht besser, auf ein Verbot der politischen Dummheit zu dringen - und dieses durchzusetzen?

 

Klaus Philipp Mertens

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die AfD möchte den Islam in Deutschland verbieten lassen, da er nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Beatrix von Storch der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeit“ (Ausgabe vom 17. April 16). Unterstützt wird sie dabei von dem anderen stellvertretenden Parteivorsitzenden, Alexander Gauland (Spitzname „Gauleiter“).

 

Der ist der Ansicht, dass „der Islam keine Religion wie das katholische oder protestantische Christentum“ sei, „sondern intellektuell immer mit der Übernahme des Staates verbunden“ wäre.

 

Deswegen sei „die Islamisierung Deutschlands eine Gefahr“. Gauland wandte sich auch gegen die Vorstellung, dass es einen aufgeklärten Islam gebe. Vor allem einen, der mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sei.

 

Solche Meinungen bestätigen den Eindruck, dass bei der AfD selbst elementarste Allgemeinbildung kleingeschrieben wird. Denn bekanntlich predigt das Christentum seit seiner Entstehung ein „Reich Gottes auf Erden“. Im Lukas-Evangelium heißt es in diesem Zusammenhang: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen [...]. Meint ihr, ich sei gekommen, um Friede auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.“ (Kapitel 12, Verse 49-51). Die Christen sind, wenn man sie beim Wort nimmt, richtige Systemveränderer!

 

Und in der Bundesrepublik streitet seit langem ein „Liberalislamischen Bund“ gegen orthodox-konservative Islamverbände und mahnt überfällige Reformen an. Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün zählt zu seinen prominenten Mitgliedern.

 

Es scheint so, als wäre die Sache mit den Religionen nicht so einfach, wie sich das die selbsternannten Verteidiger der abendländischen Kultur gemeinhin vorstellen. Denn ausgerechnet mit der Kultur tun sie sich extrem schwer. Und so ist ihnen ganz offensichtlich eine kulturpolitische Streitschrift aus den frühen 50er Jahren völlig entgangen. Gemeint ist ein Essay des Mediziners Horst Geyer, der 1954 unter dem Titel „Über die Dummheit“ erschien und den Konrad Adenauer zu seinen Lieblingsbüchern zählte.

 

Der Autor zitiert darin eingangs einen Abschnitt aus „Meyers Großem Konversationslexikon“:

Dummheit ist die mangelhafte Fähigkeit, aus Wahrnehmungen richtige Schlüsse zu ziehen. Dieser Mangel beruht teils auf Unkenntnis von Tatsa­chen, die zur Bildung eines Urteils erforderlich sind, teils auf mangelhafter Schulung des Geistes oder auch auf einer gewissen Trägheit und Schwer­fälligkeit des Auffassungsvermögens.“

 

Damals gab es die AfD noch nicht, aber irgendwie scheinen die Definitionen besonders auf sie zugeschnitten zu sein.

Es wäre auch interessant zu erfahren, wie sich die AfD zu Schopenhauers Bemerkung verhält: „Ich lege hier für den Fall meines Todes das Bekenntnis ab, dass ich die deutsche Nation wegen ihrer überschwänglichen Dummheit verachte und mich schäme, ihr anzugehören.“ Doch mutmaßlich ist Schopenhauer in diesen Kreisen kein Begriff.

 

Und auch mit Friedrich Nietzsche, dem vielleicht deutschesten unter den deutschen Philosophen, könnte die AfD vermutlich keinen Frieden schließen. Denn der sprach von „Deutschland als dem geistigen Flachland Europas“:

Die meisten Menschen haben, wenn auch nicht mit deutlichem Bewusst­sein, doch im Grunde ihres Herzens, als oberste Maxime und Richtschnur ihres Wandels den Vorsatz, mit dem kleinstmöglichen Aufwand von Ge­danken auszukommen, weil ihnen das Denken eine Last und Beschwerde ist. Demgemäß denken sie nur knapp so viel, wie ihr Berufsgeschäft schlechterdings nötig macht, und dann wieder so viel, wie ihre verschie­denen Zeitvertreibe, sowohl Gespräche als Spiele, erfordern, die dann aber beide darauf eingerichtet sein müssen, mit einem Minimo von Ge­danken bestritten werden zu können. Fehlt es jedoch, in arbeitsfreien Stunden, an dergleichen, so werden sie stundenlang am Fenster liegen, die unbedeutendsten Vorgänge angaffen, eher als dass sie ein Buch zur Hand nehmen sollten, weil dies die Denkkraft in Anspruch nimmt.“ (Parerga und Paralipomena)

 

Apropos Nietzsche: Selbst auf die Gefahr hin, ein sexistisches Schwein genannt zu werden: Frauke Petry und Beatrix von Storch erinnern mich immer, wenn ich ihrer auf dem Bildschirm angesichtig werde, an einen Abschnitt aus „Zarathustra“: »Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!«

 

Aber besser als jede Peitsche wäre ein Verbot der (politischen) Dummheit. Formulierte doch vor ca. 1.900 Jahren der römische Satiriker Juvenal sehr treffend: „Wir wollen beten, dass in ei­nem gesunden Körper auch endlich einmal ein gesunder Geist wohnen möge.“ Ein Gebet wird nichts nützen, wir müssten das schon ins Grundgesetz und ins StGB schreiben.

 

Foto: Plakat mit Beatrix von Storch (c) "Die Partei"

 

 

Info:

 

Horst Geyer:

Über die Dummheit.

Ursachen und Wirkungen der intellektuellen Minderleistung des Menschen

Göttingen 1954, Verlag Musterschmidt

Diverse Nachdrucke, der letzte von 1999