Die Blogs der 'pamphletischen' Rechten in der Westschweiz macht tachles, das jüdische Wochenmagazin, zum Thema


Hans Stutz


Fribourg (Weltexpresso) - In der Westschweiz sind mehrere Blogs aktiv, die von rechten Aktivisten betrieben werden, die sich als «Dissidenten» verstehen. Der Blog «Les observateurs» von Uli Windisch ist das erfolgreichste Medienprojekt der sogenannten Westschweizer «pamphletistischen» Rechten.


Die Berichterstattung der Westschweizer Tageszeitung «Le Temps» über den Unterwalliser Kunststudenten, der unter dem Pseudonym Artiste Mal Pensant antisemitische, islamophobe, freimaurer- und schwulenfeindliche Cartoons verbreitete, sei «mediale Lynchjustiz». Dies behauptet zumindest Uli Windisch, einst Professor der Soziologie an der Universität Genf, nun Chefredaktor des Blogs «Les observateurs».

Der Blog soll gemäss Windisch bereits 28 000 Texte veröffentlicht haben, darunter sind viele von anderen Websites übernommen, darunter auch rechtsextremen. Auch soll der Blog täglich bis zu 50 000 Zugriffe verzeichnen können. Sie würden, so Windisch, «Gegeninformation» betreiben und über das berichten, was andere Medien verschweigen, verharmlosen oder manipulieren würden. Windisch argumentiert damit ähnlich wie «Weltwoche»-Chefredaktor und SVP-Nationalrat Roger Köppel. Gemeinsam ist den beiden auch: Sie erhielten finanzielle Schützenhilfe von Tito Tettamanti.



Ein erfolgreiches Medienprojekt


Windischs Blog ist das erfolgreichste Medienprojekt, das von der Journalistin Céline Zünd zur Westschweizer «pamphletistischen» Rechten («droite pamphlétaire») gezählt wird. Es sei, so Zünd Ende 2015 in einem viel beachteten Bericht in der Tageszeitung «Le Temps», ein informelles Netzwerk voneinander unabhängig agierender Personen und spiegle den Aufschwung einer reaktionären Dynamik, mit Nähe zur SVP. Ihnen gemeinsam sei das Mißtrauen gegen die großen Massenmedien, die sie als zu links und «gutmenschlich» einschätzen würden. Gemeinsam sei ihnen auch die Überzeugung, dass sie aufdecken würden, was «die Eliten» unter dem Deckel behalten wollten. In einem Punkt würden sie sich unterscheiden, die einen schrieben gegen «den Islam», die anderen beklagten eine «amerikanisch-jüdische Verschwörung».

Mit der letzten Einschätzung zielte Zünd auf den Blog «La Pravda», betrieben vom freischaffenden Genfer Journalisten Alimuddin Usmani und von Joseph Navratil, ehemaliger SVP-Sekretär, der im vergangenen November aus der JSVP ausgeschlossen wurde. Usmani hatte Artiste Mal Pensant bereits Anfang Januar 2015 nachsichtig interviewt und gelobt, der schere sich nicht um politische Korrektheit und hätte «grossen Erfolg in der Welt der Dissidenten».

Auch dieser Blog unterstützt den Cartoonisten Artiste Mal Pensant, gegen den die Coordination intercommunautaire contre l’antisémitisme et la diffamation eine Strafanzeige wegen Widerhandlung gegen die Antirassismus-Strafnorm eingereicht hat. «La Pravda»-Mitbegründer Alimuddin Usmani befragte dazu den französischen Rechtsextremisten Alain Soral, einen französisch-schweizerischen Doppelbürger und Mitbegründer der auch in der Westschweiz aktiven Gemeinschaft Egalité et réconciliation, die sich unter anderem als «antizionistisch» versteht. Im La-Pravda-Interview malt Soral antisemitisch das Gespenst einer Diktatur jüdischer Organisationen in Frankreich. Er behauptet weiter, dies habe «mit einer zunehmenden Vorherrschaft einer Gemeinschaft, die sich auf ihre internationale finanzielle Macht abstützt, um ihre alttestamentlichen Vorstellungen durchzusetzen» zu tun. Nach kurzer Zeit verschwand das Soral-Interview allerdings wieder vom La-
Pravda-Blog, nicht jedoch von der Site von Egalité et réconciliation.



Im Dunstkreis von Macht und Einfluß


Nicht in der Nähe der Subkultur der Rechtsextremen bewegt sich das jüngste Projekt dieser Medien-Rechtaussen. Im Gegenteil, die beiden Gründer von «Antipresse» bevorzugen die Nähe der Macht und der Einflussreichen: Slobodan Despot, auch Leiter eines Verlages und serbischer Nationalist, ist teilzeitlich persönlicher Mitarbeiter des Walliser SVP-Regierungsrates Oscar Freysinger. Sein Kollege Jean-François Fournier war einst Chefredaktor der Tageszeitung «Le Nouvelliste» und Strippenzieher in der katholisch-konservativ dominierten Walliser Kantonspolitik. Seit Anfang Dezember 2015 betrieben sie einen wöchentlichen Newsletter, der inzwischen an rund 2500 Adressen gehen soll. Auch sie trieb die Rechtsaussen-Unzufriedenheit mit der Medienwelt. Diese sei, behaupteten sie allen Ernstes, «heute vergleichbar mit der Parteipresse der Sowjet-Union». Aber sonst sind die «Antipresse»-Beiträge meist sachlich und argumentativ, wenn auch langfädig. Unklar ist die Zukunft des Projektes der beiden «Antimodernisten» (Eigeneinschätzung), Fournier verlässt die Redaktion, weil er zum Direktor und Verwalter eines Theaterhauses gewählt wurde.



Im internationalen Netzwerk der 
Muslimfeinde


Weitere Vertreter dieser Pamphlet-Rechten agieren im internationalen Geflecht der französischsprachigen Muslimfeinde, deren Plattform die Site Riposte Laïque ist. Sie wird heute von den meisten Beobachtern als rechtsextremistisch eingestuft. Nicht aber von Uli Windisch, er nennt ihr Wirken «Gegeninformation», um auf die «grossen Gefahren des Islams» hinzuweisen. In Tat und Wahrheit bestreiten diese Aktivisten die Existenzberechtigung des Islams in Europa. Sami Aldeeb, ein Schweizer Jurist christlich-palästinensischer Herkunft und fleißiger Blogschreiber, erklärte unlängst, er sei bereits gegen die Minarette gewesen, heute würde er gleich die Moscheen verbieten. Er will die Migration nach Europa von muslimischen Flüchtlingen verunmöglichen und stattdessen, ein «internationales Protektorat» in Saudi-Arabien einrichten.

Eines ist den rechten Pamphletisten gemeinsam. Für ihre diffamierenden Aussagen über Minderheiten und ihre diskreditierenden Pöbeleien gegen politische Gegner beanspruchen sie Meinungsäusserungsfreiheit, auf Widerspruch reagieren sie mit diffamierenden Angriffen auf die Person. Mireille Vallette, Betreiberin eines islamophoben Blogs und Präsidentin des Vereins «gegen die Islamisierung der Schweiz», sieht sich von einem «Gesinnungsgericht» verfolgt. Uli Windisch macht sich umstrittene Positionen von Rechtsextremisten oder Rassisten nicht zu eigen, attackiert aber deren Kritiker als frustrierte «Linksextreme» oder «Gutmenschen». Auch zur Selbstverteidigung. Windischs Blog publizierte mehrere Karikaturen von Artiste Mal Pensant. Eine davon stellt die «Le Temps»-Redaktorin Céline Zünd als «neue Wachhündin des Schweizer Journalismus» dar, eine andere verunglimpft die Waadtländer SP-Nationalrätin Cesla Amarelle als islamistische Terroristen säugende Muttersau.



Militärische Karriere geknickt


Die Westschweiz hat eine lange Tradition von intellektuell auftretenden Rechtsaußen. Am bekanntesten und einflussreichsten waren die Männer der Ligue Vaudoise, die in der Zwischenkriegszeit auch antisemitisch auftraten, aber nicht um ihre gesellschaftliche Reputation fürchten mussten. Anders das Ehepaar Claude und Mariette Paschoud, das seit 1970 das Blättchen «Le Pamphlet» verbreitet. Mariettes Paschouds Unterstützung eines französischen Holocaust-Leugners behinderte die Fortsetzung ihrer militärischen Karriere. Auch «Le Pamphlet» erscheint seit Anfang 2016 nur noch im Internet. Das Blättchen verlor viele Abonnenten aus Altersgründen.

 

Foto: Der Blog «Les observateurs» von Uli Windisch ist das erfolgreichste Medienprojekt der sogenannten Westschweizer «pamphletistischen» Rechten (c) tachles

Info: Nachdruck aus dem Newsletter von Tachles vom 17. Juni