Zur US-Wahlnacht 2016 des Frankfurter Generalkonsulats im Gibson Club
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nein, die Überschrift bezieht sich nicht auf den Ausgang der Wahl. Der läßt sich mit solchen Worten nicht beschreiben. Aber beschreiben läßt sich, wie eine ehedem respektable, ja innigliche Wahlnacht zu einem lauten, schrecklichen, unpolitischen Getöse verkommt.
In so deutlichen Worten muß beschrieben werden, was dann noch für die an der Wahl und dem Wahlausgang wirklich Interessierten – kurz und knapp - mit einem Rauswurf durch den amerikanischen Generalkonsul, James W. Herman persönlich, kurz vor 4 Uhr endete. Damit man sehen kann, von welcher Fallhöhe hier gesprochen wird, sind die Artikel der letzten Wahlnacht im Frankfurter English Theatre, der zweiten Wahl von Obama im November 2012, hier als Links angehängt. Noch intensiver wurde in Frankfurt Obamas erste Wahl 2008 in einem Hotel an der Konstablerwache begleitet, wo ich zu den letzten Dreien gehörte, die um 9.45 nach dem gemeinsamen Frühstück die Stätte verließen. Mindestens bis 8 Uhr – auch zu einem Frühstück – war auch die Wahlnacht von 2012 verlaufen. Dies zur Kenntnis, warum sich einige verwundert, erstaunt, empört anschauten, als sie kurzfristig aus dem Gibson, dem angesagten Club unter der Zeil, um vier Uhr herauskomlementiert wurden. Übrigens: bei google wird der Club beschrieben als: „Stylisher, urbaner Club der After-Work-Partys, Livemusik und DJs Partyhungrige anlockt.“
Davon noch mehr. Festzuhalten bleibt, daß im Vorfeld keine Rede davon war, daß anders als guter Brauch die Wahlnacht keine Wahlnacht war, sondern vor schon vor einem aussagekräfitgen Ergebnis dicht gemacht wurde. Daß man um 4 Uhr morgens überhaupt noch kein Ergebnis haben kann, sollte gerade das Generalkonsulat wissen. Vor acht Jahren war es gegen 5 Uhr, als sich ein Wahlsieg Obamas abzeichnete! Das hat man nun davon, wenn das Generalkonsulat aus einer früher aus Verbundenheit und Interesse geplanten Veranstaltung eine Party, eine geschäftliche Runde macht. Nicht für die eigenen Finanzen, sondern für die des Clubs, vermuten wir mal. Denn im guten alten Sinn eingeladen war niemand, die Getränke waren ganz schön teuer und an den mitternächtlichen gespendeten Kuchen kam man leider nicht ran.
Daß alles anders ist, als bisher konnte man schon an der Wahl der Ortes festmachen. Wer das Gibson kennt, fragte sich, wo die über 1200 Menschen, die dabei sein wollten und durften, überhaupt unterkommen sollten. So stapelten sie sich, mit dem Ergebnis, daß die im hinteren Rund befindlichen Sitzplätze zwar eingenommen werden konnten, von ihnen aus aber weder die Bühne einsichtig war, noch die an der Stirnwand bis zur Decke gestapelten Monitore. Es standen einfach die Leute davor. Kurzfristige Lösung war, sich auf den Sitzplatz zu stellen. Das ist natürlich geradezu pervers.
Man vernahm erst einmal akustisch, daß der Hessische Rundfunk dabei sei und den einen Moderator Jan Tussig, den kennen wir als zuverlässig aus vielen Bereichen. Er kam hier allerdings überhaupt nicht zum Zuge. Wenigstens nicht für uns. Denn zunehmend verstand man auch nicht mehr, was über das Mikrophon tönte, weil die Privatgespräche viel zu laut geworden waren. Es waren hauptsächlich junge Leute, die herumstanden. Eine neue Zielgruppe, warum nicht? Aber, als mir der fünfte erzählte, er sei hier, weil er noch nie im Gibson war, wofür man sonst Eintritt zahlen muß, konnte ich mir das Verhalten so mancher erklären.
Bis weit nach 1 Uhr nämlich gab es so ohrenbetäubende, die erlaubten Dezibel weit übersteigende Musik von einer Band und einer Sängerin, daß man die auf den Monitoren laufenden politischen Wahlnachrichten nicht hören konnte. Da man sie wegen der vielen Menschen auch nicht sehen konnte, gab es hier also an dem Ort, wo das Wahlgeschehen in den USA gemeinsam geschaut werden sollte, weder Bild noch Ton.
Leider können wir deshalb auch nichts zu dem Ratespiel sagen, das kniffelig ausgedacht worden war. Da gab es Fragen, die man zuvor hatte schriftlich beantworten können. Fragen zur Geschichte der Wahlen in den USA oder der Geschichte schlechthin. Das war bestimmt spannend. Wenn man aber die Fragen an den Monitoren weder lesen noch hören kann, was für die Antworten genauso gilt, dann bleibt das leider ein Unsinnsunternehmen. Wie schade! Wir hätten gerne dazugelernt.
Der eigentlich Skandal wurde dann allerdings die Behinderung, in der Wahlnacht die Wahlsendungen aus Amerika auch sehen und hören zu dürfen. Wieso jemand eine Band spielen läßt, wenn auf den Bildschirmen die ersten verläßlichen Zahlen erscheinen – zumindest ab und zu konnte man inzwischen durch die weniger gewordenen Besucher hindurchsehen - , und man des Krachs wegen kein einziges Wort versteht, bleibt unerfindlich. Es dauerte ca. 40 Minuten, bis aus den ersten Vorstößen beim Generalkonsul persönlich, der mit seinen VIPs in der Galerie saß, doch bitte das Hören möglich zu machen, dann eine echte Wahlnacht wurde und tatsächlich die Wahl im Mittelpunkt des Interesses stand und verfolgt werden konnte. Daß die Zielgruppe an diesem Abend aber eine andere war, konnte man genauso schnell verfolgen. Kaum war die Musik aus, war der Großteil der jungen Leute verschwunden. Vorschlag: Die sollen doch vielleicht besser an normalen Abenden und Nächten ins Gibson kommen.
Endlich waren also Ton hörbar und Bild sichtbar geworden. Die Wahlergebnisse zu verkraften, war schwierig genug. Deshalb war es so gut, daß endlich die Übriggebliebenen, also die wirklich Wahlinteressierten, sich über die Ergebnisse austauschen konnten. Mein Nachbar, im Brotberuf Investor (ja, was ist das genau?), trug interessante Aspekte vor – und nur dank seiner Mitteilungsfreude war dann der Abend, die Nacht nicht gänzlich verloren. Das gehört nämlich auch zu einer Wahlnacht, der Austausch über das, was man erwartet und die Diskussion über das, was da kommt.
Am stärksten hatte mich beeindruckt, was mein Nachbar als das große kulturelle MISSVERSTÄNDNIS bezeichnete. Es ging um Donald Trump, den späteren Sieger. Seine Wähler nähmen dessen Person ernst, hielten aber seine Aussagen nicht für wahr wie Mauerbauen etc….
Seine Gegner allerdings nähmen genau diese Absichtsaussagen für wahr, hielten sie für gefährlich, ihn selbst aber nähmen sie nicht ernst.
Das ist eine richtig gute Analyse, die später, als Trump seine Dankesrede hielt, sofort zur Wahrheit wurde. Kein Wort von seinen vorigen Plänen, sei es die Mauer zu Mexiko oder die Rücknahme des Iranvertrags…
Interessant auch, wie mein Nachbar schneller als das Fernsehen aus den USA anhand der Börsenkurse auf seinem Handy den Sieger bestimmen konnte. Einzig die japanische Börse war tätig und die folgte in jeder Bewegung dem diskontinuierlich verlaufenden Stimmanteil der beiden Bewerber in Florida. Kaum kam Trump nach oben, sank der Kurs ins Bodenlose, kaum war Clinton vorne, zog er nach oben an. Darüber wird noch zu reden sein, wenn die Hamburger Berenberg Bank für den Mittwoch um 11 Uhr eine Pressekonferenz zu den Auswirkungen der Wahl auf die internationale und nationalen Wirtschaften gibt. Schnell geschaltet.
Alte Wahlartikel in Weltexpresso
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https://weltexpresso.de/index.php/buecher/1098-rendevouz-mit-amerikas-praesidenten-unterwegs-zu-den-orten-ihres-lebens-aus-dem-primus-verlag
Das auch:
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Foto: Der Pappkamerad Trump (c) hessenschau.de