hwk kosslikDieter Kosslicks letztes Festival - eine Hommage

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Ein letztes Mal posierte Festivalleiter Dieter Kosslick (70) auf der Pressekonferenz zur 69. Berlinale mit den verkäuflichen Devotionalien, knutschte mit dem Teddy-Bär, zeigte seine roten Berlinale-Socken und witzelte gut gelaunt mit den Presseleuten.

Dann holte er die mehr als zwanzigköpfigen, stark weiblich besetzten Kuratoren-Teams der verschiedenen Sektionen auf die Bühne. Kosslick war zwar 18 Jahre lang das Gesicht der Berlinale und prägte sie stärker als seine drei Vorgänger. Doch er war kein Alleinherrscher, sondern überließ die Auswahl vieler Filme und die Gestaltung des Programms auch seinen Teams.

Als er 2001 die Leitung übernahm, waren (wieder einmal) die Filmindustrie und auch das Festival in der Krise. Doch der charismatische Kinoliebhaber schaffte es mit seinen engagierten Ideen und behutsamen Erneuerungen, bei guten Kontakten zu Sponsoren, das Publikum fast zu verdoppeln. Die Berlinale ist mit derzeit 340.000 zahlenden Besuchern das größte Publikumsfestival der Welt. Die ewigen Vergleiche mit Cannes oder Venedig hinken schon deshalb, weil diese elitären und „schlankeren“ Events vielleicht glamouröser, aber für normale Besucher gar nicht zugänglich sind.

Kosslick öffnete dieses „Schaufenster der freien Welt“, wie die Berlinale einst hieß, für vielfältige Publikumsinteressen: Die bereits breiten Festspiele mit Wettbewerb, Kinder- und Jugendfilmen, experimentellen Streifen usw. wurden von ihm NICHT breiter gemacht, sondern differenzierter: Er förderte das deutsche Kino im Festival, regte das Kulinarische Kino an oder ermunterte dazu, im experimentellen Bereich Grenzen zur Bildenden Kunst zu überwinden. Wichtig waren ihm die Unterstützung kleinerer Programmkinos in der Stadt sowie die noch stärkere Kommunikation zwischen Publikum und Filmschaffenden, die zu jeder Premiere in die Kinos kommen. Eine bedeutende Erneuerung ist der Dialog zwischen „talentiertem“ Nachwuchs und erfahrenen Fachleuten in vielen Workshops.

„Ich bin ja kein Multiplexbetreiber“, sagte Kosslick spöttisch - aber allemal kann er auch roten Teppich: Alle Leinwandstars bringt er im Berlinale-Palast persönlich an ihre Plätze. Cathrin Deneuve, Bill Murray oder George Clooney sind Dauergäste, die Rolling Stones waren auch schon mal da. Einst war Meryl Streep, jetzt ist Juliette Binoche Leiterin der Wettbewerbsjury.

„Kino für alle“ ist Kosslicks Anspruch, den er in seiner Ära durchhielt und - trotz Netflix und Serienboom - weiterentwickelte. Daneben setzte er sich auch noch beharrlich für Minderheiten, Flüchtlinge oder ökologische Probleme ein und unterstützte einen höheren Frauenanteil bei den Filmschaffenden, die zur Berlinale eingeladen werden. Das ist keine Attitüde, kein Anschleimen an den Zeitgeist, denn bereits in seinen vorigen Jobs in Film-Förderung, Verleih und Stiftungen engagierte er sich bereits für diese Themen. Für alle hier genannten Leistungen - und noch viel mehr - wurde der Mann immer wieder kritisiert. Doch die Anwürfe einzelner Filmschaffender vor einem Jahr, radikal aufgebauscht von einigen Medien, wurden nicht mehrheitsfähig und spielen heute keine Rolle mehr.

Der scheidende Direktor hinterlässt - ohne rote Zahlen (!) - ein beliebtes, erfolgreiches Filmfestival, das für neue filmpolitische und cineastische Herausforderungen gewappnet ist.

Foto:
 Kosslick posiert für die Presse
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