KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für Juni 2012, Teil 1/2
Elisabeth Römer
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Unsere Begeisterung über DIE NACHT DES ZORNS von Fred Vargas aus dem Aufbau Verlag und unsere Genugtuung, daß sie längst Platz 1 einnimmt, wird nur geschmälert davon, daß dieser lesenswerte Krimi nun das vierte Mal dabei ist – und das nächste Mal Platz machen muß für die nächsten guten Krimis.
Auf Platz 2 ist auf Anhieb Peter Temple mit TAGE DES BÖSEN aus dem Verlag C. Bertelsmann gelangt. Er ist kein Unbekannter, wurde für WAHRHEIT 2012 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet und ist wohl in der ganzen Welt zu Hause, auch wenn der in Südafrika Geborene heute in Australien lebt. Sein Held heißt Niemand. Das liest sich erst einmal immer wieder sperrig, wenn Niemand da ist, Niemand kommt. Aber er ist auch ein Niemand, so wie er fast gesichtslos durchs Leben kam, als Soldat diente und als Sicherheitsfachkraft, wie das heute heißt, in Südafrika sein Leben ständig dafür einsetzt, daß seine Schutzbefohlenen leben bleiben.
Aus der Situation, in der dies nicht gelang und die sehr unsympathischen Klienten tot sind, entwickelt sich dieser Roman, der einen zweiten Helden hat. Das ist John Anselm, ein Deutscher in Hamburg, der in einer internationalen Detektei in Hamburg arbeitet und in der feudalen Familienvilla alleine lebt, dessen emotionale Beschädigungen bekannt, aber geduldet sind. Schließlich weiß man, daß er die Geiselhaft im Gegensatz zu einem Mitentführten überlebte. Was erst einmal nebeneinander herläuft, zwei Lebensgeschichten auf der Suche nach dem Ort, wo ein Gräuelvideo gedreht wurde, das wohl amerikanische Soldaten beim Massaker an einem afrikanischen Dorf zeigt und Ursache des Mords an Niemands Klienten in Johannesburg war, bewegt sich unaufhaltsam aufeinander zu.
Erst sind sie Gegner, die beiden Helden. Niemand ist auf der Suche nach dem Video, Anselm will und kann nicht helfen, bis er die Zusammenhänge erkennt und mit den beiden auch der Leser, der atemlos der Geschichte folgte. Daß zum Schluß, beide emotional lädierten Männer auch noch wundervolle Frauen finden, ist fast ein Tick zu viel, aber Peter Temple gelingt es, in diesem Roman aus dem Jahr 2002 das Nahe und das Ferne zusammenzubringen, also die globale Welt und ein globales Problem wie die Kriegsverbrechen amerikanischer Special Forces in Angola zur Sache der in Hamburg und London Lebenden zu machen. Im übrigen macht er das überzeugend bodenständig. Man ist, wenn man die Schauplätze kennt – was für uns nur für London und Hamburg gilt – ständig mit dem Stadtplan im Kopf dabei. Ein spannender Krimi.
Matthew Stokoe ist vom fünften auf den dritten Platz gelangt. HIGH LIFE aus dem Arche Verlag lehrt einen das Fürchten. „Diese Obdachlosen, die Säufer und Junkies, die kaputtgefickten Nutten und ausgerissenen Teenager, die Ex-Knackis und zukünftigen Knackis – allesamt von der Patina ihrer brutalen Verzweiflung überzogen – verbrachten ihr ganzes Leben auf diesem Grasstreifen voller Hundescheiße. Sie lebten, tranken, fixten und fickten hier und fragten sich, was aus ihnen hätte werden können, wenn die Umstände andere gewesen wären.“ Was hier auf Seite 6 steht, klingt nach dem literarischen Personal, das heutzutage die meisten Kriminalromane bevölkert. Sicher sind deshalb solche andersartigen oder tiefer gehenden Romane wie die Nummer 1 und 2 auf der KrimiListe nicht nur eine Abwechslung, sondern eine seelische Wohltat, auch wenn es dort ebenso um Mord und Totschlag geht. Aber es geht auch um etwas. Fortsetzung folgt.
KrimiZEIT-Bestenliste für Juni 2012
Info:
Rund 1200 neue Kriminalromane erscheinen pro Jahr in Deutschland. Selbst ausgefuchste Leser verlieren angesichts dieser Masse den Überblick. Orientierung bietet aktuell die Mai Ausgabe der KrimiZeit-Bestenliste von ZEIT und NordwestRadio.
Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.
Vorgestellt wird sie ab 6. Juni in den Literatursendungen des NordwestRadio ( mit Tobias Gohlis)
http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html unter www.zeit.de mit Kurzrezensionen der Juroren, Kommentaren des Jurysprechers („What’s New?“) und weiteren Informationen zu Büchern und Autoren („Krimiautoren A-Z“)
in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 6. Juni 2012
Monatlich wählen achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 1200 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.
Die Jury setzt sich zusammen aus:
Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt
Volker Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, Berg, „Druckfrisch“, Dlf, BRGunter Blank, Sonntagszeitung
Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau
Jochen Vogt, Elder Critic, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Bremen, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist, Plärrer , culturmag, DRadioKultur
In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie unter Kultur. Bücher oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Viermal darf inzwischen ein Buch einen Platz bekommen, dann scheidet es aus und hat nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die Ende Dezember herauskommt und die wir für 2011 ebenfalls kommentierten.
Die Einzelbesprechungen zu Fred Vargas:
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/546-wir-sind-suechtig
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/547-mehr-vom-skurrilen-personal
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/590-wer-sie-ist-und-was-die-anderen-ueber-fred-vargas-und-ihre-kriminalromane-sagen
www.zeit.de/krimizeit-bestenliste
http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html
T