Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wer von den Letzthinzugekommenen weiß schon, was es an historischen Abgründen in einer Weltmetropole wahrzunehmen gibt. Doch selbst die Alteingesessenen dürften das Thema eher umschiffen.
Dem entgegen aber standen bislang schon Initiativen, die der Stadtteil Gallus seit mindestens 30 Jahren zu dieser nicht schließbaren Wunde des ehemaligen KZ-Standorts hervorgebracht hatte.
Lange wurden ‚die Vorgänge‘ um das KZ-Außenlager ‚Katzbach‘ in der Stadt verdrängt und beschwiegen
Indessen hat sich nun eine entscheidende Wende begeben. Die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig konnte am 18.02.2021 in der Übertragung zur Sache verkünden, dass seit Januar 2021 der Förderverein für die Errichtung einer Gedenk- und Bildungsstätte KZ Katzbach in den Adlerwerken und zur Zwangsarbeit in Frankfurt am Main zusammen mit dem Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 vom städtischen Kulturamt im Rahmen des Projektes der Erinnerung gefördert wird. Diese leisteten schon jahrelang Vorarbeiten und begingen Aktivitäten zur Forschung und Gedenkkultur. Sie stellen die Basiskultur zur angemessenen Erinnerung aus dem Stadtteil der Ereignisse selbst heraus.
Das offizielle Frankfurt hatte sich bis dato nicht gerade mit Ruhm bekleckert, denn es war unverkennbar, dass weder den Dezernaten noch dem offiziellen Frankfurt in Politik und Ämtern gar viel an einer Aufarbeitung des Grauens mitten in einer Stadt gelegen gewesen wäre. Selbst die arbeitende Klasse, die hier noch lange nach den Ereignissen tätig war, schien einer Aufarbeitung der Vergangenheit nicht gerade zugetan gewesen zu sein. Man sah sich in der Ehre verletzt, der des Unternehmens und der sensiblen eigenen.
Seit 2016 setzte sich die Kulturdezernentin gemeinsam mit den Stadtteilinitiativen für eine dauerhafte Erinnerungs- und Bildungsstätte zum KZ Katzbach in den Adlerwerken und hinsichtlich der den Lagerhäftlingen abgepressten Zwangsarbeit ein. Mit am Tisch saßen und gaben ihre Beiträge ab: der Vorsitzende des Vereins Leben und Arbeiten im Gallus und in Griesheim (LAGG), Lothar Reininger, und der Vorsitzende des Fördervereins für die Errichtung einer Gedenk- und Bildungsstätte KZ-Katzbach in den Adlerwerken und zur Zwangsarbeit in Frankfurt am Main, Horst Koch-Panzner.
So kam es endlich zur letzten Meldung:
Die Erinnerungsstätte zum KZ ‚Katzbach‘ wird eingerichtet
Damit gehen die Planungen „in die entscheidende Phase“, weil auch das Kulturdezernat nun unmittelbar vor der Unterzeichnung eines Mietvertrags „für geeignete Räumlichkeiten“ steht. Die Dezernentin ließ wissen: „Die Erinnerung an das Konzentrationsaußenlager ‚Katzbach‘ am Ort des Verbrechens im Gallus zu verankern, war und bleibt meine Intention. Jetzt sind wir endlich so weit: Die Gedenkstätte kommt“.
„Die mittlerweile über 30 Jahre alte Idee einer Erinnerungsstätte für die Opfer des Konzentrationslagers und der Zwangsarbeit muss endlich Wirklichkeit werden. Es ist ein entscheidender Schritt, den wir nur mit Unterstützern machen konnten. Aufgabe der nächsten Monate ist es, ein zukunftsfähiges Konzept zu erarbeiten mit der Hilfe der zahlreichen Engagierten.
Wir schulden den Opfern, ihren Familien und uns selbst einen Ort des Erinnerns.
Dieses grausame Kapitel der Frankfurter Stadtgeschichte darf kein Expertenwissen bleiben und erst recht nicht in Vergessenheit geraten", sagte Hartwig.
Bislang disparate Sammlungen erhalten eine gemeinsame Geborgenheit
Zunächst muss in den kommenden Monaten ein nachhaltiges Konzept erarbeitet, die Engagierten müssen einbezogen werden. Den unmittelbaren Opfern und ihren noch lebenden Angehörigen wie Nachfahren soll endlich ein Ort des Erinnerns und Gewahr-Nehmens geschaffen werden. Es darf sich kein Vergessen mehr einschleichen. Zum Konzept gehören die authentischen Objekte und Informationstexte, die sich schon in der Warteschlage befinden sowie auch digitale Medien, die 2019 offiziell über eine digitale Plattform zu sehen waren. Dazu kommen die ohnehin bereits digitalen Techniken der Vermittlung und die immer mehr sich etablierenden interaktiven Ansätze mit erwachsenem als auch jungem Publikum.
Es darf als lang erwartetes Signal betrachtet werden, dass die Existenz eines Konzentrationslagers nun „endlich erstmals ernsthaft anerkannt wird“. Besonderer Dank gelte Horst Koch-Panzner, dem Vorsitzenden des Fördervereins. Geplant ist, nach Angaben der Kulturdezernentin, ein Betrieb der zukünftigen Erinnerungs- und Bildungsstätte durch den Förderverein. Dieser plane Vermittlungsangebote für Jugendliche und Erwachsene und Veranstaltungen, die historische Hintergründe „des dunklen Kapitels der Frankfurter Geschichte beleuchten“.
In Anbetracht des grassierenden Rechtsextremismus: habt acht
Besonders noch wies die Dezernentin darauf hin, dass in Anbetracht des sich hartnäckig bis ins 21.Jahrhundert haltenden Rechtsextremismus unsere Demokratie und offene Gesellschaft abermals verteidigt werden müsse. Und weiter erklärte sie: je größer der zeitliche Abstand zu den historischen Ereignissen im Nationalsozialismus ist und je weniger Zeitzeugen es gibt, desto mehr gewännen Erinnerungs- und Bildungsstätten an Bedeutung.
Eine für die Entstehung der Erinnerungs- und Bildungsstätte erforderliche Stadtverordnetenbeschlussvorlage sei auf den Weg gebracht. Und dass im Stadtparlament eine große Mehrheit das Projekt beschließe, davon sei auszugehen.
Schließlich startete die Kulturdezernentin einen Aufruf:
Gesucht sind Zeitzeugen und Dokumente wie beispielsweise Fotoaufnahmen oder Tagebucheinträge, die Aufschluss über das Konzentrationslager in den Adlerwerken und die Zwangsarbeit in ganz Frankfurt geben. Sie sollen in die Konzeption der Erinnerungsstätte einfließen.
Foto ©
Kulturdezernentin Ina Hartwig an den Adlerwerken © Kulturdezernat der Stadt Frankfurt am Main, Foto: Salome Roessler
Info:
der Beitrag knüpft an den Kurz-Abriss zum Gegenstand vom 30. März 2019 an:
https://weltexpresso.de/index.php/heimspiel/15675-unfasslich-ein-kz-mitten-im-brodelnden-industriequartier-der-stadt-frankfurt_556_544