f gundermann artwork kinoplakat a din a4 tSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. August 2018, Teil 6

N.N.

Berlin (Weltexpresso) - Gerhard „Gundi“ Gundermann wird 1955 in Weimar geboren. Die Eltern ziehen mit ihm nach Hoyerswerda, ins Zentrum des Lausitzer Kohlereviers zwischen Dresden und Cottbus. Nach dem Abitur beginnt er ein Studium an der Offiziershochschule Löbau. Er wird exmatrikuliert, arbeitet zunächst als Hilfsarbeiter und erwirbt sich dann die Qualifikation zum Maschinist für Tagebaugroßgeräte in der Lausitzer Braunkohle. Schon in dieser Zeit ist er Texter und Schlagzeuger der Band „Brigade Feuerstein“ – allerdings ohne Mitgesangserlaubnis. Nach der Auflösung der „Feuersteine“ folgen ab 1986 erste Soloauftritte und -projekte.

Die Arbeit als Baggerfahrer im Braunkohletagbau und sein Alltag liefern Gundi die Ideen für seine Songs und Stücke, die sich oft mit dem Leben der Arbeiter und der „einfachen Menschen“, mit seiner Familie, mit Umweltproblemen und seiner Heimatstadt Hoyerswerda („Hier bin ich geboren“, „Hoywoy“) beschäftigen. In der Wendezeit 1989/90 mischt er sich aktiv in die Ereignisse des politischen Umbruchs ein. 1992 gründet er seine Band mit dem bewusst provokanten Namen „Seilschaft“, mit der er bis 1998 seine Auftritte bestreitet und unter anderem als Support bei Konzerten von Bob Dylan und Joan Baez auftritt. Mit der Album-Tournee „Einsame Spitze“ (1992), deren Einspielung die Musiker der Band „Silly“ übernehmen, erreicht Gundermann schlagartig erstmals eine größere Öffentlichkeit.

Neben seiner musikalischen Karriere arbeitet Gundermann immer parallel als Baggerfahrer. Er tut das bewusst, um sich seine Unabhängigkeit von der Musikindustrie zu bewahren. 1997 wird auch er arbeitslos, ebenso wie Tausende vor ihm. Die Grube Brigitta ist schon lange geschlossen, Gundermann hat nicht mal mehr einen Beruf: Maschinist für Tagebaugroßgeräte steht auf der Liste von 160 Berufen, die im Westen gar nicht existieren. Er beginnt eine Umschulung zum Tischler, tritt mit seinem neuen Soloprogramm auf und spielt die CD „Engel über dem Revier“ ein. Dies sollte sein letztes Projekt sein. Die jahrelange Doppelbelastung durch Schichtarbeit und Konzerte fordern ihren Tribut. Am 21. Juni 1998, im Alter von nur 43 Jahren, stirbt er in Spreetal (bei Hoyerswerda) an einer Gehirnblutung.

Politisch war Gundermann (und ist es bis heute) umstritten: Er war Mitglied der SED, wurde allerdings 1978 „wegen unerwünschter eigener Meinung“ ausgeschlossen. Nach Protesten wurde dieser Ausschluss in eine strenge Rüge umgewandelt. 1976 wurde er vom Ministerium für Staatssicherheit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) unter dem Decknamen Grigori angeworben. 1984 folgte ein erneuter Ausschluss aus der SED, im gleichen Jahr auch von der Stasi wegen „prinzipieller Eigenwilligkeit“. 1995 wurde Gundermanns Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit öffentlich. Gundermann selbst stellte sich seiner Vergangenheit, outete sich auf der Bühne während eines Konzerts und setzte sich in einem Interview mit seiner Rolle als Spitzel auseinander („Nie mehr: Der Zweck heiligt die Mittel“, Lausitzer Rundschau, Mai 1995).

Gundermann gehörte – immer im Spagat zwischen Bagger und Bühne – zu den prägenden wie populärsten Künstlern und Musikern der Nachwendezeit. Sein plötzlicher Tod löste tiefe Trauer und Fassungslosigkeit aus. Die Kulturfabrik Hoyerswerda widmete ihm anlässlich seines zwanzigsten Todestages ein eigenes Gundermann Archiv, die sogenannte „Gundermann-Schaltzentrale“, die mit Texten, Videos, Musikdateien und Fotografien an seine Musik und seine Bedeutung weit über die Stadtgrenzen hinaus erinnert.


DER SOUNDTRACK ZUM FILM

Gerhard Gundermann hat Songs geschrieben. Im Osten als Lebensmittel gebraucht und erhältlich, sind sie im Westen nur in einigen „Feinkostabteilungen“ zu entdecken. Manche sind fast schon Volkslieder, einzelne schafften es neuerdings in Schulbücher, mehrere in Lehrmaterial für den Gesangsunterricht an Schauspielschulen.

Vor allem jedoch haben sie einen Weg in die Köpfe und Herzen von mittlerweile zwei Generationen gefunden und sind dort nicht mehr herauszubekommen: Erdig, zerbrechlich, existentiell, manchmal treibend, manchmal innehaltend, auf singuläre Art kreisend zwischen fröhlicher Anarchie und wenn, dann tief wirkender Melancholie. Es sind zumeist Geschichten vom flachen Land, den Badlands.

Ein Baggerfahrer aus der Lausitzer Tagebaulandschaft, der Lieder schrieb. Diese führten ihn durchs Land, an ganz unterschiedliche Orte: oft Studentenklubs, Tagebaukonzerte, große Säle, kleine Säle, bis hin ins Vorprogramm der DeutschlandTourneen von Joan Baez und Bob Dylan 1994 oder in die Berliner Volksbühne, gewünscht als deren Neujahrskonzert des Jahres 1995. Sie führten ihn jedoch immer von der Bühne zurück in die kleine, enge Kabine eines mächtigen Schaufelradbaggers, auf dem Zeilen und Refrains entstanden.

Anderthalb Dutzend Lieder von Gundermann hat Alexander Scheer für den Kinofilm komplett neu eingesungen, unterstützt von jener Band, die unter anderem Gisbert zu Knyphausen seit vielen Jahren auf Konzertbühnen und in Studios musikalisch zur Seite stand.

Gemeinsam greifen sie Gundermanns poetische Kraft, den Geist, die Haltung auf, treffen den Kern und finden klare, heutige Arrangements und Sounds. Das Ergebnis ist herzzerreißend wie herzerwärmend in einem. Man wird es sehen und hören.


Die Redaktion:
Weltexpresso hatte schon verschiedentlich über den Film GUNDERMANN, seine 2. Weltpremiere, das dazugehörige Konzert und auch ein Interview mit Andreas Dresen veröffentlicht. Hier die Links:

https://weltexpresso.de/index.php/kino/13660-gundermann

https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/13592-gundermann-film-hommage-an-den-leidenschaftlichen-singer-songwriter

https://weltexpresso.de/index.php/musik/13659-da-geht-was-ich-spuer-s

https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/13593-interview-mit-andreas-dresen


Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller
Gerhard Gundermann       Alexander Scheer
Conny Gundermann         Anna Unterberger
Helga                                Eva Weißenborn
Führungsoffizier                Axel Prahl
Puppenspieler                  Thorsten Merten
Wenni                                Benjamin Kramme
Parteisekretär                   Bjarne Mädel
Irene                                 Kathrin Angerer
Volker                                Milan Peschel

Abdruck aus dem Presseheft


Zum Kinostart am 23. August 2018 erscheint bei BuschFunk der Original-Soundtrack: Alle Songs des Kinofilms als vollständige Tracks auf CD, als Download und auf einer limitierten Doppel-LP überall erhältlich. www.BuschFunk.com: Künstler + Konzerte + Konsum. Natürlich mit allen CDs, DVDs und (Song-) Büchern von und über Gerhard Gundermann

Außerdem gibt es das Buch zum Film
Andreas Leusink (Hg.) GUNDERMANN Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse Briefe, Dokumente, Interviews, Erinnerungen Ch. Links Verlag, 184 Seiten, ca. 80 Abb. Klappenbroschur ISBN 978-3-96289-011-7 20,00 Euro (D), 20,60 Euro (A)