red carpet RWD 1780Die 75. Internationalen Filmfestspiele, BERLINALE 2025, Wettbewerb Teil 23

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Am Donnerstag liefen die letzten zwei Filme des Wettbewerbs im Berlinale-Palast, die aber andere Kinos noch am Wochenende präsentieren werden. Heute Abend verkünden die Jurys  die Gewinner der Gold- und Silberbären sowie weitere Preisträger. 

 

Welche Wettbewerbsbeiträge haben denn Chancen auf einen Bären? Vielleicht einige Familienfilme. Im österreichischen „Mother’s Baby“ kann die Mutter ihr Neugeborenes nicht annehmen, doch die Handlung schlägt in einen Krimi um. Im zweiten deutschsprachigen Film „Was Marielle weiß“, sieht ein Mädchen plötzlich telepathisch, was ihre Eltern tun, wenn sie nicht da sind und hört, was diese sprechen. Diese „Überwachung“ stellt die Familie auf den Kopf. Oder zwei chinesische Werke, die Gegensätzliches zeigen: „Sheng“ das Landleben  Anfang der 90er Jahre, wie bei uns in früheren Jahrhunderten in der tiefsten Provinz. „Girls on Wire“ ist dagegen ein Drogenthriller in einer chinesischen Metropole.

Im US-Beitrag „Dreams“ migriert ein mexikanischer Tänzer illegal in die USA, um seine reiche Geliebte zu treffen. Wird die Beziehung halten? Ein berühmter Songtexter des Broadways stürzt in eine Lebenskrise, im ebenfalls amerikanischen Film „Blue Moon“. Zwei Stunden lang bringt er, wie ein Stand-up-Comedian, das Kino-Publikum zum Lachen. In der dystopischen Erzählung „The Blue Trail“ flieht die 77-jährige Tereza ins Amazonasgebiet, um ihrer Deportation in eine Altensiedlung zu entfliehen. Ein Hamburger mit syrischem Migrationshintergrund, löst im Film YUNAN seine Alters-/Migrationskrise auf einer überfluteten Hallig. Sie haben alle einen Bären verdient und wurden alle in WELTEXPRESSO besprochen. 

Und der Diamantenfilm "Reflet dans un diamant mort" mit seiner waghalsigen Ästhetik allemal, der hier besprochen wurde: Besprechung im Weltexpresso

In der Weinwirtschaft existiert der Qualitätsbegriff des Jahrgangs, es gibt Spitzenjahrgänge, durchschnittliche oder schlechte. Das gilt auch für die Berlinale – der 2025er-Jahrgang ist eher mittelmäßig. Im Wettbewerb liefen, nach Meinung der Medien, viele schwache, aber auch einige herausragende Werke. Seit 75 Jahren werden die Festspiele jedoch zu Unrecht immer wieder in Zweifel gezogen, wenn ein Jahrgang mal nicht erstklassig ist. 

Bei der Beurteilung der Güte des Festivals muss man die Qualität aller Filme, also auch die der anderen Berlinale-Sektionen berücksichtigen. In diesem Jubiläumsjahr werden 240 Filme mit erstaunlicher Vielfalt vorgeführt, davon insgesamt 162 (!) Welturaufführungen. Darunter sind viele gute Arbeiten, die bereits woanders liefen und nicht in den Wettbewerb konnten. Deshalb gab es in Berlinale Special „Mickey 17“, den fantastischen Science-Fiction mit Robert Pattinson (Foto rechts) und den genialen Bob-Dylan-Film mit Timothée Chalamet; beide wurden auf dem roten Teppich gefeiert. Doch nicht nur sie, sondern viele weitere Stars verbreiteten reichlich Glamour.

Die Reihe Special zeigte den Film „Köln 75“, der eine unerwartet spannende Geschichte des legendären Konzerts von Keith Jarrett erzählt. Im Panorama feierte der Dokumentation „Ich will alles“ das illustre Leben Hildegard Knefs. Es wurden sowohl palästinensische als auch israelische Beiträge gezeigt, deshalb forderte die antisemitische Bewegung BSD, das Festival zu boykottieren. Dem kamen aber keine Kinoschaffenden nach, nicht einmal Tilda Swinton, die jedoch erklärte mit dem Boykottierern zu sympathisieren. Zwei kleinere israelfeindliche Vorfälle sind allerdings kein Grund, die Berlinale grundsätzlich als antisemitisch infrage zu stellen. 

Bis Mittwochfrüh, zur Hälfte der Berlinale, wurden bereits 285.000 Tickets verkauft. Das seien knapp 14.000 mehr als im letzten Jahr zu diesem Zeitpunkt, berichtete die Festival-Intendantin Tricia Tuttle: „Wir haben über 1.000 Vorführungen während des Festivals, und wir erfahren dabei viele verschiedene Perspektiven auf die Filme und die Welt als Ganzes. Das Kino kann ein so großes Vergnügen bieten - Spiel, Staunen und Träumen, aber auch Reflexion, Erinnern und Widerstand.“

Fotos:
Promifrau auf rotem Teppich © Sandra Weller / Berlinal
Team von „Mickey 17“ mit Robert Patterson © Alexander Janetzky / Berlinale