„Der Staat gegen Fritz Bauer“ in Sondervorführung mit Publikumsgespräch im Frankfurter Cinema am 12. März um 11.30 Uhr, Teil 3: Vorstellung

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Welch eine Freude. Um 11.30 Uhr an einem Sonntag, der strahlend und warm den Frühling einläutet, ist dennoch die von der SPD-Westend initiierte Vorführung von DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER im Cinema Frankfurt gerammelt voll.

Genau so wichtig, daß sich die über hundert Zuschauer auch nach der Vorführung sicher waren, an diesem Sonntagvormittag die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Kaum glaublich auch, daß diese Vorstellung für diesen Sonntag die meistbesuchte blieb! Doch, solche Erfolgserlebnisse braucht man auch, wenn man parteipolitische Arbeit macht. Und der Film ist ja nur der Punkt auf dem I, der der Anbringung der Fritz Bauer Gedächtnistafel an seinem Wohnhaus folgt, worüber wir berichteten. Die Links dazu unten.

Gut, direkt nach der Vorstellung, es war nach 13 Uhr, sind einige gegangen. Aber das wundert auch nicht, daß nicht jeder sonntagmittags die Zeit hat, der anschließend gut halbstündigen Diskussion, die angekündigt war, zu folgen. Auf dem Podium saßen mit Hermann-Josef Birk der Stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende der SPD Westend, der Tafel und Filmvorführung auch angeregt hatte, und mit Werner Konitzer der derzeitige Direktor des Fritz Bauer Instituts (FBI), das sich von der Leitung her in einem Zwischenstadium befindet.

Der vorherige Direktor Raphael Gross, mit dessen Namen die bisherigen Konflikte um die Wahrung des Ansehens von Fritz Bauer verbunden bleiben und der nach Leipzig ging, ist in Siebenmeilenstiefeln als Direktor ans Historische Museum Berlin geeilt, die designierte Direktorin Sybille Steinbacher  aus Wien wird zum 1. Mai nach Frankfurt kommen und mit ihrem Kommen verbinden sich viele Hoffnungen in der Stadt, daß die undurchsichtige und nur Kennern verständliche Ignoranz, ja sogar Verfolgung des Dokumentarfilms FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN ein Ende hat, der 2010 auf der Berlinale als Weltpremiere gleich hochgelobt deutlich gemacht hatte, daß Fritz Bauer nun dem geschichtlichen Vergessen entrissen ist und daß das Fritz Bauer Institut zwar seinem Auftrag gemäß Holocaustforschung betrieben hat, sich aber um seinen Namensgeber nicht gekümmert hatte.

Das wurde nun auf Teufel komm raus nachgeholt und als eigene Zutaten des Instituts zur Deutung des deutschen Sozialdemokraten Bauer eine angebliche Homosexualität, ein Verrat und sein Jüdischsein angedichtet. Warum wir letzteres so ernst nehmen, hat damit zu tun, daß wir Deutschen die Terminologie des Dritten Reiches an manchen Stellen ungebrochen fortsetzen. So auch, wer Jude ist. Auf jeden Fall hat Fritz Bauer immer betont, Jude sei er nur im Sinne der Nürnberger Rassegesetze, er war nicht nur nicht gläubig, sondern auch kulturell kein Jude, geschweige denn beschnitten. Stattdessen gründete er als Freidenker die Humanistische Union. Soviel Vorrede war nötig, immer wieder von vorne, weil dies noch kein Allgemeingut ist. Und weil das Fritz Bauer Institut genau dies in den letzen Jahren propagiert hat.

Der Film DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER ist nämlich der dritte Streich des FBI, der sich mit der Beratung  durch das Institut direkt gegen die Person Bauers richtet. Vorangegangen war die Verkündung der drei Thesen zu Bauer durch das FBI mit Hilfe einer Auftragsarbeit, der Erstellung einer genehmen Biographie über Fritz Bauer (nachdem die offizielle und anerkannte wissenschaftliche Biographie von Irmtrud Wojak genau diese neuen Bestandteile: schwul,verräterisch, jüdisch nicht enthält), einer Ausstellung und drei Filmen, zwei Spielfilmen und einem Fernsehfilm, die alle von Werner Renz  betreut wurden. Es ist eigentlich nicht richtig, dieses als Konkurrenz zum Dokumentarfilm von Ilona Ziok erfundene Bauerbild dem gesamten FBI in die Schuhe zu schieben. Eigentlich ist es nur eine Person, die hier liebdienerisch tätig wurde und seinem damaligen Chef den jüdischen und schwulen Bauer servierte. Aber, da das Institut den Archivar Werner Renz wirken ließ, fällt das halt auch auf die anderen verdienten Mitarbeiter zurück.

Wetten, daß Sie mit dieser Vorrede den Film von Lars Kraume DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER mit ganz anderen Augen sehen?! Lars Kraume ist ein begabter Regisseur, das merkt man an vielen Stellen dem Film auch an. Aber er hat sich eben von Werner Renz beraten lassen und das merkt man eben leider auch. Wenn man wie ich diesen Film ein viertes oder fünftes Mal gesehen hat, verdichten sich Eindrücke. Das ging mir diesmal ganz stark mit der Darstellung der Person Fritz Bauers von Beginn an. Seine Verkörperung ist ob ihrer  Knorrigkeit, seinem leicht obsessiven Verhaltens sehr gelobt worden  – aber auch kritisiert.

Diesmal wußte ich noch stärker als zuvor: hier stimmt was nicht. Der Film fußt auf falschen Voraussetzungen und verführt dadurch den Zuschauer zu falschen Schlüssen zur Person Bauers. DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER  beginnt nämlich, nachdem Ende der 50er Jahre als Titel (Zeitangabe)  erscheint, mit einer Szene, wo Fritz Bauer unter fließendem Wasser  in der Badewanne liegt, ein Rotweinglas daneben und Tabletten intus. Man sieht, wie sein Kopf langsam unter Wasser sinkt – eine Szene, die eine der Lesarten über seinen Tod 1968, zehn Jahre später also, sein könnte. Hier allerdings wird er von seinem Chauffeur gerettet.

Was daran grundfalsch ist, ist einfach die Darstellung eines alten kaputten, von den Widerständen zermürbten Bauer Ende der Fünfziger Jahre. Ein derartiges Persönlichkeitsbild ist ja sogar zu seinem wirklichen Tod in der Badewanne zehn Jahre später - nach dem Auschwitzprozeß und inmitten der Vorbereitungen zu seinem eigentlichen Lebenswerk, dem Euthanasieprozeß - umstritten. Fritz Bauer war ein positiver, nach vorne denkender und handelnder Mensch, der von der Jugend und der Zukunft erwartete, daß sie aufräumen mit dem nationalsozialistischen Spuk und deutschem Untertanengeist. Er war eine ganz andere Persönlichkeit, als der Film uns hier weismachen will. Das war interessanterweise auch die Meinung des Publikums in der Diskussion. Fortsetzung folgt

 

Foto: Burghart Klaußner als Fritz Bauer (c) Verleih


Info:

Artikel in WELTEXPRESSO im Kontext von Tafel und Filmvorführung

https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/9329-gedenktafel-fuer-fritz-bauer-an-seinem-ehemaligen-wohnhaus

https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/9338-frankfurt-verneigt-sich-vor-seinem-mut-und-seiner-entschlossenheit


https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/9339-ina-hartwig-den-namen-fritz-bauer-sollte-jedes-schulkind-kennen


Ankündigung:

https://www.weltexpresso.de/index.php/kino/9340-eine-filmmatinee-zur-erinnerung-an-fritz-bauer


https://weltexpresso.de/index.php/kino/9342-schiefes-bild

https://weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/9343-ist-es-geschichtsvergessenheit-oder-populaerer-mainstream

Der Artikel, in dem Filmkritiken zu DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER aufgelistet sind:
https://www.weltexpresso.de/index.php/kino/9341-der-uebelste-verrat

 

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