Staat gegen Fritz Bauer“ in Sondervorführung mit Publikumsgespräch im Frankfurter Cinema am 12. März um 11.30 Uhr, Teil 4: Diskussion

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Initiator der Gedenktafel am Wohnhaus von Fritz Bauer, Hermann-Josef Birk (SPD), Stellvertretender Ortsvereinsvorsitzender der SPD-Westend, die diese Filmvorführung, unterstützt vom Fritz Bauer Institut, zu Bauers Ehren unternahm, gab für die folgenden Diskussion über Fritz Bauer noch weitere biographisch-politische Informationen vor.


Dabei bezog er sich vor allem auf die Rückkehr Bauers aus dem schwedischen Exil, ging auf den Remerprozeß von 1952 in Braunschweig ein und die bisherigen fünf Filme, die es mit Ilona Zioks Film  FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN („früher Tod im Mittelpunkt“) nach und nach gab. Sein Gesprächspartner Werner Konitzer, derzeit Leiter des Bauer Instituts, sprach davon, daß er sich noch am Morgen einen weiteren Spielfilm mit Bauer angesehen habe, ABSCHIED VON GESTERN von Alexander Kluge, der, damals mit Bauer in Frankfurt politisch und menschlich verbunden, Fritz Bauer in seinem Film besetzte - als sich selbst sozusagen in seiner beruflichen Position als Hessischer Generalstaatsanwalt.  Es stimmt, worauf Konitzer weiter einging, daß es ins Bild passe, daß sich im Film die straffällig gewordene junge Jüdin aus der DDR dringend an den Hessischen Generalstaatsanwalt als eine Institution von Recht und Gerechtigkeit wenden will.

Er ging auch auf die öffentliche Wirkung von Bauer ein, die ja in den ersten Jahren in Hessen weniger durch die Juristerei als durch die Fernsehsendungen wie seine Gespräche im Kellerclub bestimmt war. Interessant war die kurze und heftige Diskussion um das Sexualstrafrecht, das Bauer - wie andere - massiv ändern wollte, unter anderem die Abschaffung des § 175, was tatsächlich erst am 11. Juni 1994 geschah. Der These von Konitzer, daß Homophobie bei den Nazis besonders virulent und sozusagen affin gewesen sei, wurde widersprochen, daß nämlich homophob zu sein der gesellschaftliche Ausdruck eigentlich aller Diktaturen sei und damit nicht speziell deutsch oder faschistisch.

Daß der Film DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER so viele und so mehr als deutliche Anspielungen auf eine heimliche Homosexualität Bauers enthalte und in Szenen gipfele, wo Bauer, der merkt, in welche Ecke er gesteckt werden soll, dann geradezu hysterisch von sich gibt: „Der Jude ist schwul.“, wurde in der Publikumsdiskussion mehrfach kritisiert. Gerade weil das Gesprächsverhalten von Bauer ein völlig anderes war, passen alle diese Bezüge auf einen einsamen, sich nur verfolgt fühlenden Bauer überhaupt nicht. Ganz abgesehen davon, daß bei der Überwachung des politisch Unbequemen in der jungen Bundesrepublik durch die Geheimdienste, die dieser Film ja auch zum Thema habe und dokumentiere,  Homosexualität sein politisches Aus gewesen wäre. Wenn aber im Film dann ein Geheimdienstler von sich gibt: „Wenn wir ihn mit irgendeinem Kerl erwischen, ist er erledigt.“, ist das so vorverurteilend wie platt und löst Fremdschämen aus – über diese Filmfigur und den Filmemacher.

Eine Zuschauerin meinte, sie habe im Film nur den einsamen Kämpfe erlebt, der allein auf der Welt gegen alle Widerstände kämpfen muß, aber wo denn seine Freunde gewesen seien, diejenigen, mit denen er die junge Bundesrepublik in eine rechtsstaatliche Richtung habe führen wollen. Fritz Bauer war ja nicht nur Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und als Genosse in Frankfurt und Hessen Ansprechpartner für viele, er war als kritischer Intellektueller in der BRD angesehen, hatte als Freigeist die Humanistische Union gegründet und stand als Strafrechtsreformer in enger Diskussion mit weiteren Reformern. Er war auch als Privatmensch in ständigem Austausch mit Freunden und ein emsiger Teilnehmer Frankfurter Kultur, insbesondere von Oper und Theater. Er hatte sehr enge Freunde und Menschen, die ihn bewunderten; genau das zeigt der Dokumentarfilm von Ilona Ziok, wo ja die Zeitgenossen zu Wort kommen und über Bauer sprechen.

Und genau dies zeigt dieser Spielfilm nicht, der Bauer zu einem verbitterten Alten  macht – und das ausgerechnet Ende der 50er Jahre, wo er tatendurstig in Frankfurt gerade angefangen hatte. Was richtig bleibt, das ist, daß die Justiz und auch die hessische Justiz, wie andere Behörden auch, personell weithin ans Dritten Reich anschloß und die Altnazis sich dort dicke taten. Dort war einer wie Bauer, der die Jugend über Aufklärung der faschistischen Verhältnisse von gestern zu einem wahren demokratischen Morgen orientieren wollte, selbstredend isoliert. Aber doch nicht im Leben, was DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER oktroyiert.

Es war eine lebhafte über 40minütige Diskussion, die aufhören mußte, weil der nächste Film folgte. Und trotz der vorgerückten Mittagsstunde und des schönen Sonnenscheins draußen, standen einige in Grüppchen noch eine geschlagene Stunde lang und diskutierten weiter.

Die SPD Westend hat in Frankfurt eine Diskussion angefangen, die sicher weitergeht und mit dazu beiträgt, daß neben dem Denkmal auf der Zeil und der Gedenktafel am Wohnhaus von Bauer in der Feldbergstraße, Fritz Bauer in der Stadt seines Wirkens wieder zu Hause sein wird.  Und zwar zu seinen und der Sozialdemokraten Konditionen und nicht zu denen seiner Gegner.

Foto: Fritz Bauer (Burghart Klaußner) mit 'seinem' Staatsanwallt Karl Angermann  (Ronald Zehrfeld) (c) Verleih


Info:

Artikel in WELTEXPRESSO im Kontext von Tafel und Filmvorführung

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Ankündigung:

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Der Artikel, in dem Filmkritiken zu DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER aufgelistet sind:
https://www.weltexpresso.de/index.php/kino/9341-der-uebelste-verrat

Vorstellung:

https://weltexpresso.de/index.php/kino/9430-hier-stimmt-was-nicht