Forum Neues Frankfurt opt 26 10 2018Nach der Ausstellung ‚Utopien des Neuen Frankfurt‘ (2015), dem Buch ‚Akteure des Neuen Frankfurt‘ (2016) das Forum Neues Frankfurt (2018) 

Heinz Markert
 
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das am Jahresbeginn 2018 aus der Taufe Gehobene Dritte platzt der Situation angemessen in die unfassliche Tristesse des ausbleibenden, weil verhinderten und ausgebremsten Wohnungen Bauens für eine erforderliche große Menge hochwertigen bezahlbaren Wohnraums in Frankfurt. Dieser rechnet sich durch eine zeitlich gestreckte, konservative Finanzierung wohl, entgegen anderslautenden irrigen Meinungen.
 
93 Jahre Baustelle Frankfurt
 
Einer legendären exemplarischen architektonischen Moderne, „die unvorstellbar war“, wie Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt, zur Vorstellung der Kooperation seines Hauses mit dem Museum für Angewandte Kunst und dem Historischen Museum Frankfurt im neugegründeten Forum für das Neue Frankfurt, etabliert in der Hadrianstraße 5 (Siedlung Römerstadt), in seinen einführenden Beitrag einflocht. À propos Baustelle Neues Bauen Frankfurt: Die zum Anlaß ‚Das Neue Frankfurt im Bauhausjahr 2019‘ herbeigerufen hatten, waren sich einig, dass das Dessauer Bauhaus im Unterschied zur Frankfurter Baustelle Neuen Bauens einen mehr akademischen Charakter aufwies. Ohne lange überlegen zu müssen, setzt man voraus, dass etwas so Intensives wie damals heute nicht mehr möglich wäre.
 
Und trotz allem Geleisteten dennoch kein bisschen weiser, geschweige denn weiter, so muss ergänzt werden, bezogen auf das heutige Frankfurt, in dem die menschenfeindliche, profitgetriebene Investorenarchitektur unförmige Klotzarchitektur, Verwahrarchitektur auf die Stadt verteilt, obgleich die Architektur des weit vorausblickenden Ideengebers des Neuen Frankfurt, Ernst May, um das Jahr 1925 sich zum Ziel setzte, für einen Neuen Menschen Neue Wohnungen zu schaffen, hochwertig, menschenfreundlich und für ein Existenzminimum weit hinreichend. May holte sich die Besten von weit her, in die architektonisch und sozial inspirierte Stadt Frankfurt. Das Buch zum Neuen Frankfurt verzeichnet 150 Biographien von den in den 20er Jahren in verwandtem Geist Tätigen.

 
Zur Sonne, zur Freiheit, das stak schon dahinter
 
Mit der Architektur des Neuen Frankfurt ging es raus aus Wohnungen des miesesten Standards, der stickigen Wohnung, rein in die helle Wohnung des modernsten Gepräges, wie sie in der originalen Ausführung jener - ausgegliederten - Muster-Wohnung in der Siedlung Römerstadt (Frankfurt), Im Burgfeld 136, besichtigt werden kann. Sie schließt auch die legendär gewordene Frankfurter (Einbau)-Küche mit ein, die die Architektin und Designerin Margarete Schütte-Lihotzky in die Reihenhäuser des großen Römerstadt-Ensembles eingebracht hat. Mit Schütte-Lihotzky verbindet sich der Fall einer persönlichen Herabsetzung im liberalen Frankfurt. Noch immer wird sie von konservativen Inquisitoren unerbittlich geschmäht und gebrandmarkt, weil sie auch Kommunistin war, ähnlich Anna Seghers übrigens, der trotz aller Leistung immer noch der Ruch der Kommunistin anhängt. Margarete Schütte-Lihotzky wird die Würde als Ehrenbürgerin der Stadt Frankfurt bis dato verweigert.

Die Protagonisten wollten auch, dass in den Siedlungen, die nicht von der Formgebung der Bauhausarchitektur sind, angegliederte Gemüsegärten eine vierköpfige Familie ernähren sollen. Spiel- und Erholungsflächen waren nicht als bloßes Beiwerk hinzugefügt. Es galt bereits das Konzept der integrierten Stadt- und Grünplanung, denn Erholung war auf den umgebenden Grün- und Freiflächen großzügiger Weise möglich. Auch dies wäre heute noch jederzeit als eine normative Bedingung ausnahmslos vorzuschreiben.
 
Die Bauhausler wurden nach Amerika vertrieben, wurden dort berühmt, machten Karrieren. Das Neue Frankfurt wurde im Nachhinein erst berühmt. Die Nazis begannen es umgehend zu verfolgen, diffamierten es vorher schon als Kulturbolschewismus.

 
Das Kooperationsprojekt dreier Frankfurter Museen (2019)
 
Plakat forum 960x400 V61Das Forum will jegliche Akteure für ein im Anschluss an die May-Ära inspiriertes Bauen vernetzen, es ist eine Anlaufstelle, eine Stätte für Veranstaltungen, für jeweils kommende Formate und auch für ein monatliches Abendforum. Damit sollen nötige Impulse für das der Zeit und ihren Anforderungen angemessene Bauen gesetzt werden. Der Slogan, der sich auch gegen eine ABG, die sich der Befriedigung des eigentlichen Bedarfs an Wohnungen in Frankfurt verweigert, lautet: ‚Wohnen für alle: Neues Frankfurt 2018‘. Es war nämlich letztjährig schon der Architektur-Preis des DAM unter dem gegebenen Motto ausgelobt worden, für den über 130 realisierte Projekte eingereicht wurden, die bis zum 9. September 2018 zu sehen waren. Der gemachte Anfang von 2018 wird 2019 weiterverfolgt.
 
Das DAM-Programm für 2019 lautet: ‚Neuer Mensch, Neue Wohnung. Die Architektur des Neuen Frankfurt 1925 -1933‘. Es ergeht die Ankündigung: „Ab dem März beleuchtet das Deutsche Architekturmuseum die gemeinsame Vision des Oberbürgermeister Ludwig Landmann und seines Stadtbaurats Ernst May, die 1925 auf nicht weniger als die Umgestaltung der Stadt zur exemplarischen Metropole der Moderne abzielt, sowohl baulich als auch gesamtkulturell“. Diese Siedlungen und solitäre Bauten haben den Ruhm der Stadt als Hochburg der Moderne begründet. Solche Ausführungen lassen spüren, woran es in Frankfurt nach den ehemals mehr als 10 000 in sieben Jahren errichteten Wohnungen erster Güte heutzutage mangeln könnte. Es wurde bislang genug Zeit vertan.
 
Die kommunizierten Anmerkungen besagen auch: Die Architekten leisteten Pionierarbeit im Hinblick auf Typisierung des Bauens, Familiengerechtheit, bezahlbare Grundrisse für das Existenzminimum, die erste Standardküche, industrielle Vorfertigung im Rohbau, funktionales Mobiliar, kindgerechter Schulbau und integrierte Stadt- und Grünplanung. Möbel-Entwürfe avantgardistischer Möbel brachte das Hochbauamt heraus! Es lag damals so etwas wie eine Bauhütten-Atmosphäre in der Luft. Der Direktor des Museums für angewandte Kunst, Matthias Wagner K., erinnerte wieder daran, dass der Direktor der ehemaligen Frankfurter Kunstgewerbeschule (heutigentags Städelschule), Fritz Wichert, künstlerische Schwergewichte wie Max Beckmann und Willi Baumeister zu sich holte. Man traf sich in Kronberg, der Treffpunkt dort lautete witzig: ‚Heimatmuseum of Modern Art‘.
 
Für das Museum für Angewandte Kunst wird sich der Schwerpunkt gemäß jener 20er Jahre - mit der vom universalen Anspruch begleiteten Großstadt-Utopie - in den Bereichen Mode-, Interieur-, Industrie-, Produkt- und Kommunikationsdesign bewegen. Es ging damals um die ästhetische und gleichzeitig gesellschaftliche Neugestaltung, die von der Moderne am Main ausgehen sollte. Der 2. Internationale Kongress für moderne Architektur (CIAM) wurde nicht in Berlin oder Dessau, sondern in Frankfurt abgehalten. Die Messe war auch wieder neu etabliert.
 
Das Motto des Historischen Museums Frankfurt begibt sich ebenfalls in die Nachfolge des umtriebigen Neuen Frankfurt, wenn es zeitgemäß fragt: ‚Wie wohnen die Leute? Mit dem Stadtlabor unterwegs in den Ernst-May-Siedlungen‘. Damals lautete es noch weiter: ‚Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?‘ - Dieser erweiterte Zusatz prägte den Titel einer Filmreihe, „die von 1926 an in Frankfurt entstand und bei der Ernst May beratend mitwirkte“.
 
Stadtlaboranten schwärmen im Auftrag des Museums in die Siedlungen des Neuen Frankfurt. Das Team fragt "nach dem Nutzen der damaligen Vorstellungen für die heutige Zeit“, fragt, was ist von der damaligen Reformbewegung geblieben, wie sieht das tägliche Leben heute dort aus?
 
Neben Workshops am Museum gibt es Aktionen vor Ort in den Siedlungen, „um die Nachbarschaften miteinzubeziehen“, die Wiederbelebung des Gesellschaftlichen ist der dahinter verborgene Sinn. Das Neue Frankfurt wurde zur damaligen Zeit mit einem ganz außerordentlich gelungenen Logogramm bedacht, das sich von der Schnörkelhaftigkeit alteingeführter Zeichen und Symbole abhob (vergl. Foto 2).
 
Fotos:
© Heinz Markert
© Forum Neues Frankfurt
 
Info:
Anlaufstelle Forum Neues Frankfurt, Frankfurt am Main, Hadrianstraße 5, 069 15 34 38 83 · Am Frankfurter Museumsufer gelegen: Deutsches Architekturmuseum · museum angewandte kunst · Historisches Museum · ernst-may-gesellschaft e.v., Siedlung Römerstadt, Im Burgfeld 136, Tel. 069 15 34 38 83 · Buch ‚Akteure des Neuen Frankfurt‘, herausgegeben von Evelyn Brockhoff, Direktorin des Instituts für Stadtgeschichte der Stadt Frankfurt, Frankfurt am Main, Societäts Verlag, 2016 · ISBN 978-3-95542-160-1
 
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