Davide Zecca
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Aber nicht nur in der Luft agierte der Poet propagandistisch, sondern ebenfalls auf dem Wasser. In der Nacht vom 10. auf den 11. Februar 1918 kam es durch Luigi Rizzo, Costanzo Ciano und Gabriele D'Annunzio in einer Überraschungsaktion zur Zerstörung der in der Bucht von Buccari befindlichen Militär- und Handelsschiffe. Dabei feuerten sie sechs Torpedos ab, wobei nur ein Geschoss aufgrund der umfangreich eingesetzten Torpedoschutznetze der Österreicher sein Ziel erreichte.
Neben dem Abfeuern der Torpedos wurde D'Annunzio seiner Rolle gerecht und hinterließ im inneren Teil der Buccari-Bucht drei versiegelte Flaschen in den Farben der Trikolore mit einer Botschaft. Diese sog. „Beffa di Buccari“ („Spott von Buccari“) hatte aus taktisch-operativer Sicht keinen Wert, sondern diente vielmehr als überdimensionierte propagandistische Aktion der psychologischer Kriegsführung, zwang die Österreicher mehr Energie und Kosten für neue Verteidigungs- und Wachsamkeitsanpassungen aufzuwenden und beeinflusste zudem negativ die österreichische Moral. Für die Moral der Italiener, die im Zuge der „Katastrophe von Caporetto“, einen niederschmetternden Tiefpunkt erreicht hatte, strahlte diese Aktion von D'Annunzio positiv auf den Kampfgeist der italienischen Soldaten aus, vor allem bei den Piaveschlachten.
Die d'annunzianischen Propagandaaktionen in Dauerschleife hätten jedoch ohne französische und britische Verstärkung gegen die harten deutsch-österreichischen Vorstöße am Piave, später auch als „Heiliger Fluss des Vaterlandes“ verehrt, nie im Sieg geendet. Nach der entscheidenden Schlacht von Vittorio Veneto wird am 3. November der Waffenstillstand unterzeichnet – und Triest und Trento wurden eingenommen. Mit der Annexion von Triest und Trento ist der vierte Unabhängigkeitskrieg Italiens, so sehen manche (italienische) Historiker den Ersten Weltkrieg und somit der Einigungsprozess des „langen Risorgimento“ vollbracht.
Feierlaune lag für die Italiener, die zwischen den Großmächten standen, nicht in der Luft: Der anfängliche „Sacro egoismo“ der Italiener in der „Grande Guerra“ endete im Jahre 1918 als Fiasko: Sie waren noch schwächer, noch zerrissener, noch ärmer als 1915. 1,2 Millionen Italiener sind gestorben, davon mehr als die Hälfte Soldaten. Die Wirtschaft liegt am Boden: Das Defizit hat sich im Vergleich zu 1915 vervierfacht, die Inflation verzehnfacht. Die territorialen Vereinbarungen aus dem Londoner Geheimvertrag vom 26. April 1915 wurden nur teilweise eingelöst. Weitergehende Forderungen, mit den Gebieten wie Fiume (Rijeka) und Teile Dalmatiens, die Italien gerne zusätzlich bekommen hätte, wurden nicht erfüllt, da US-Präsident Wilson die Expansionspolitik eindämmen wollte und sich für das Selbstbestimmungsrecht der Völker ausspricht.
Als dies im Vertrag von Saint-Germain am 10. September 1919 ratifiziert wurde, war das letzte Wort nicht gesprochen. Der „poeta soldato“, ab nun auch als Kriegsheld verehrt, wird dank seiner sprachschöpferischen Kraft aus Militär und Sprache ein geflügeltes Wort der Nachkriegszeit prägen: „La Vittoria mutilata“ (den „verstümmelten Sieg“). Ein Slogan, der als einschneidende Symbolik für die allgemein empfundene Ungerechtigkeit in Italien wird.
Foto:
Zeichnung:
Gerd Kehrer - MEMORANDUM - 3/6
Zu den Kriegen sowie der Zerstörung der Umwelt im 21. Jahrhundert.
Kohle und Tusche auf Karton, 30 x 30 cm. (C) 2021 Gerd Kehrer
Info:
Zweitveröffentlichung vom 30. März 2024
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