Neu 0871aDie 59. Biennale in Venedig, Teil 5

Hanswerner Kruse & Hannah Wölfel

Venedig (Weltexpresso) - Es ist nun an der Zeit, etwas über den Besuch einiger nationaler Pavillons zu erzählen, von denen 28 in den Giardini stehen. Die übrigen, mehr als 50 Objekte, sind im Arsenale oder in ganz Venedig verstreut.




IMG 0787Natürlich gibt es auch langweilige oder theoretisch überladene Länderbeiträge, doch die meisten sind interessant, fröhlich oder einfach fantastisch. Es ist erstaunlich, mit welcher unverschämten Arroganz sich beispielsweise Moderator Dieter Moor anmaßt, in der ARD-Sendung „titel-thesen-temperamente" ein "Ranking der schlechtesten Pavillons" aufzustellen: „Die Zeit ist knapp in Venedig, diese Ausstellungen brauchen Sie nicht zu besuchen!" Zur Sendung

Wir haben viel Zeit und sind da ganz anderer Meinung, ausdrücklich empfehlen wir den schrägen österreichischen Beitrag des queeren Künstlerinnen-Paares Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl. Im Sinne des allgemeinen Ausstellungsthemas, „Die Milch der Träume“, inszenieren sie poppige Fabelwesen in grellen Farben (Foto). Die Grenzen zwischen Skulptur und Mensch, Mann und Frau, Kunst und Alltag schwinden im Ambiente der 1970er-Jahre: „Transgender, Transgenre, Transmedium!“ lautet ihr fröhliches Credo, ohne die knochentrockene Attitüde der Gender-Bewegung.




Neu 0779aSimone Leigh ist die erste schwarze Frau, die den US-Pavillon gestaltete und zugleich den Goldenen Bären für ihre riesige Skulptur einer schwarzen Göttin erhielt (wir berichteten). In ihren Arbeiten verwendet sie traditionelle afrikanische Elemente mit Figürlichem. Spaßmacher Moor kann damit leider überhaupt nichts anfangen und kommentiert gehässig Ihre Arbeiten: Leighs kritische Hommage an eine schwarze Wäscherin wird ihm zur „extraschwarzen Putzfrau“ (Foto), der umgestaltete US-Pavillon zur „Schilfhütte“ und das Ganze ein „Rückblick auf 100 Jahre Zirkus Hagenbeck“ (in dem seinerzeit schwarze Menschen ausgestellt wurden).

Lassen wir den Moor mal Moor sein, mit „Schluss mit Moor“ beendet er ja immer seine Sendungen, und widmen uns weiteren Pavillons. Die Belgier zeigen in Videoclips Kinderspiele der Welt: hüpfende, quietschende, tanzende, fröhliche Kids in allen Hautfarben mit zum Teil abenteuerlichen Spielideen. Manche quetschen sich in Lastwagenreifen und rollen hohe Berge herunter. Wenn man aktuelle TV-Bilder von Flüchtlingskindern sieht, merkt man, dass selbst sie noch hüpfen, quietschen, spielerisch kreativ sind.


Der dänische Pavillon ist zu einem Stall mit viel Mist für verendete Zentauren umgestaltet. Ein Pferd mit männlichem Oberkörper hat sich an der Decke erhängt, eine Zentaurin liegt nach der Geburt eines Fohlens tot im Stroh (Foto oben). Die Figuren sind hyperrealistisch gestaltet, immer wieder versucht man sie beim Atmen zu erwischen. Jedoch sie sind wirklich tot - oder eben Kunst! In der griechischen Mythologie galten diese Mischungen zwischen Pferd und Mensch oft als unbeherrschte und lüsterne Wesen. Was will der Künstler uns mit dieser Installation sagen?

Nicht nur Moor, auch viele andere Kommentatoren - etwa der Frankfurter Rundschau oder der Zeitschrift Monopol - beantworten solche Fragen nicht. Stattdessen hasten sie durch die Biennale, geben sich offensichtlich keine Mühe, genau hinzuschauen und nölen respektlos herum. Statt herauszuposaunen, was sie alles besser machen würden, könnten sie wenigstens die Ansprüche der jeweiligen Kuratoren mit deren Realisierung vergleichen. So viel Zeit muss sein!

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Hanswerner Kruse in der Installation der queeren Künstlerinnen Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl

Fotos:
(c) Hanswerner Kruse / Hannah Wölfel

Info:
Die 59. Biennale dauert noch  bis zum 27. November 2022.
Weitere Infos

Bisherige Berichte:
Zum vierten Teil
Zum dritten Teil
Zum zweiten Teil
Zum ersten Teil