Anna 2250Eine neue Tagesmutter in Ost-Hessen

Hanswerner Kruse

Schlüchtern/Sinntal - Vor kurzem beendete Anna-Maria Henfling (31) die Ausbildung zur Tagesmutter und betreut derzeit Ein- bis Zweijährige in ihrem Haus „Sinn-Wichtel.“
Es ist hell und gemütlich, weiche Teppiche liegen auf dem Boden, dicke Kissen lehnen an der Wand. Vier Kinder beschäftigen sich mit anregendem Spielzeug, die neue Fachkraft hockt mittendrin und strahlt. Man möchte sich sogleich dazusetzen, doch die Kleinen fremdeln noch etwas, Jasper verzieht sich ins Bett im Nebenzimmer.

Als die stellvertretende Filialleiterin eines Schlüchterner Supermarktes ihren Sohn bekam, war es schwierig seine Betreuung und die Arbeit zu verbinden. Mit zwei Jahren kam Bastian  zur Tagesmutter „Gritt“ nach Weiperz, erzählt Henfling. Beim Abholen des Sohnes spielte sie gerne mit allen Kindern, bereits früher hatte sie oft mit Vergnügen die Kids der Nachbarn betreut. Irgendwann kam sie durch „Gritt“ auf die Idee, ebenfalls Tagesmutter zu werden. Dazu belegte sie beim Main-Kinzig-Kreis Kurse, musste eine Prüfung ablegen und die Kellerwohnung entsprechend den Anforderungen des Jugendamtes umbauen.

Anna 2200



Die Tagesmütter sind keine Babysitterinnen, ihre Arbeit ist Teil des vorschulischen Bildungssystems in Hessen. Die Ausbildung war inhaltlich nicht schwer für Henfling, doch es gab viele „trockene“ formale und rechtliche Grundlagen zu lernen, aber auch spannende pädagogische Anregungen und Analysen für den Umgang mit kleinen Kindern. Lachend erzählt sie vom MKK-Eimer, mit dem man spielen und dadurch eine Menge pädagogische Ziele erreichen kann. Als sie einen holt, fangen die Kids sofort an darauf zu trommeln, sich reinzustellen oder damit zu balancieren. Sogar die einjährige Lia nutzt ihn als Laufhilfe, später zieht sie ihn über den Kopf. David streckt die Arme aus und will sich auch im Eimer verbergen.




Zur Ausbildung gehörten Praktika, die durch Corona bedingt schwer zu organisieren waren. Anstrengend waren die Fahrten zur Ausbildung nach Gelnhausen, die Beachtung aller Corona-Regeln, sowie die Obhut ihres Sohnes am Samstag und anderen Unterrichtstagen. Der beklagte sich, „Mama, Du hast ja gar keine Zeit mehr für mich.“ Aber jetzt, wo sie entspannt zu Hause arbeiten kann, kommt Bastian nachmittags gerne zu den Kleinen, welche die Mama von 7 bis 15 Uhr betreut. Jedoch zu Hause bleiben möchte er nicht, sondern in die Kita zu Gleichaltrigen.

Henfling hat wieder Zeit für die Familie, ist zufrieden in ihrem neuen Beruf und will „nie wieder im Einzelhandel arbeiten“: „Wenn ich die Kinder beobachte wie sie spielen, dann kommt manchmal eins und kuschelt mit mir: Das ist so ein tolles Glücksgefühl.“ Für die Kleinen ist das gemeinsame Frühstück um 8.30 Uhr, danach werden die Zähne geputzt und sie können frei spielen. Um 9.30 Uhr gehen alle bei jeder Witterung raus, außer wenn es regnet. Im Bollerwagen zieht sie die Kids durch das hügelige Mottgers, das ist schwer, aber die Gruppe will dahin, wo keine Autos mehr fahren. Gerne besuchen sie die Tiere auf den Bauernhöfen, doch Jasper interessiert sich vor allem für Schnecken und David für Laster.

Anschließend essen alle gemeinsam zu Mittag und legen sich danach schlafen. Henfling kocht abends vor und legt viel Wert auf gesunde Ernährung, etwa durch eigenes Öko-Gemüse. Mit den Kindern überlegt sie, wo kommen denn eigentlich Staecks oder Kartoffeln her?

Tagespflege ist manchmal für ängstliche oder sensible Kinder durch überschaubare Gruppen und eine konstante Bezugsperson förderlicher als eine Kita. Die Eingewöhnung geht meist schnell und es besteht die Möglichkeit zu flexiblen Absprachen mit den Eltern. Auch in Coronazeiten konnten die Kids länger bleiben und wieder früher betreut werden. Aufgrund des entwickelten Sozialverhaltens übernehmen die Kitas gerne Tagespflegekinder: „Die können schon abwarten und teilen, Händewaschen und selbständig essen ist für sie bereits selbstverständlich.“

Es ist spät geworden, längst ist Jasper von selbst zurückgekommen, die Kleinen werden unruhig. „Die sind hungrig“, meint Henfling, „gestern Abend habe ich Gemüsesuppe mit Würstchen vorbereitet, die gibt es jetzt.“

Drei Fragen an Katja Stange

Katja Stange

In der Kinder-Tagespflege ist das Jugendamt
als Aufsicht zuständig für Ausbildungen und Prüfungen der Tagesmütter, sowie für die Abnahme der Räume. Dagegen ist Sozialpädagogin Katja Stange („Haus Petra“) konkret verantwortlich für die Organisation in Schlüchtern und Sinntal sowie die zusätzliche Beratung und Qualifizierung der Tagesmütter. „Wie gut, dass wir die Katja haben“, meint Tagesmutter Henfling...


Sie organisieren die vom Jugendamt geforderte Weiterbildung und den Erfahrungsaustausch der Tagesmütter?

Jährlich müssen sie 20 Stunden Fortbildung nachweisen, alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs am Kind. Einen Teil davon bieten wir an, gemeinsam mit den Kitas habe ich im Frühjahr einen dreiteiligen Workshop  „Kinder unter drei Jahren - was können sie, was brauchen sie?“ organisiert. Vor Kurzem gab es unsere Tagung „Sprachentwicklung und Sprachstörungen.“ Im Gegensatz zu den Kitas arbeiten die Tagesmütter ja nicht im Team, deshalb machen wir regelmäßig Gruppenabende zum Erfahrungsaustausch und zur anonymen Fallarbeit.

Mittlerweile gibt es 12 Tagesmütter in Sinntal und Schlüchtern, die 60 Kinder betreuen. Ist damit der Bedarf abgedeckt?
Nein, nach wie vor steigt das Interesse der Eltern an Tagespflege, deshalb suchen wir weiterhin neue Tagesmütter für beide Kommunen. Ende März 2022 beginnt der nächste Kurs zur Qualifizierung in Gelnhausen. Weitere ausführliche Infos gibt es in unserer Broschüre „Kindertagespflege Schatztruhe.“

Gibt es die Betreuung durch fachliche Leitungen vor Ort im Main-Kinzig-Kreis in jeder Gemeinde?
Nein. Das ist eine Besonderheit, die sich einige Kommunen leisten. Wegen der damit verbundenen Qualitätssicherung vor Ort wird das Ganze vom Land Hessen gefördert und unterstützt

Info: 
Katja Stange 06661 - 962721 Webseite

Foto:
Hanswerner Kruse / privat porträt Katja Stange

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