Kahlschlag fur Profit greenpeace.de iurDie Streichpläne von Siemens gleichen einem alten Muster, sie erfüllen nur, was die neoliberale Wende propagiert hat Teil  2/4

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die von der Politik bevorzugten produzierenden Firmen haben die steuerlichen Begünstigungen und Erleichterungen der Schröderjahre, die Folgen aus Privatisierung und Deregulierung mitgenommen, aber trotzdem gemacht, was sie wollten. Zum Beispiel der Politik eine lange Nase gezeigt.

Sie haben nicht genügend in neue, hochwertige Produkte und Dienstleistungen (auch Kundenfreundlichkeit) investiert, Innovationen in Gang gesetzt und Arbeitsfelder geschaffen, sondern gespielt, das Kapital sich selbst vermehrend eingesetzt, also aus Geld selbst nur wieder Geld zu machen versucht. Finanztöchter und Finanzportfolios wurden zur präferierten Gewinnquelle im Siemenskonzern. Karstadt ist als Objekt von Spekulation runtergewirtschaftet worden, das Tafelsilber, die Immobilien, wurde verzockt. Was davon blieb, kommt immer wieder ins Gerede, Thomas Middelhoff sitzt nun.

Der nachhaltigen und umsichtigen Wertschöpfung wurde abgesagt

Investieren in intelligente Produkte (Volker Hauff), Arbeit und „Humankapital“ wurde seit den Siebzigern uncool, doof. Gesellschaft wurde abgeblockt. Zu den Opfern von Lehman gehörte auch Siemens mit 142 Millionen Dollar (n24-Text 31.12.2009). Diese Entwicklung wurde von der Politik nicht nur begleitet, sondern von dieser sklavisch mitbetrieben.

Die Politik hat nicht nur atmosphärisch dazu beigetragen, die Privatschatullen der Industrieführer und Lenker in dekadentem Umfang aufzublähen (gespeist durch die Degradierung der Arbeitskraft), wobei der wirtschaftliche Erfolg der Beschäftigten vornehmlich in die Finanzindustrie oder in die Steuerfluchtlöcher strömte (denn der Privatverbrauch der Kapitäne ist Peanuts). Wenn denen, die ohnehin schon haben, immer wieder gegeben wird, wächst die Gefahr, dass die Bubble-, die Blasen-Ökonomie, die Gesellschaften weiter abwärts zieht und den Gesellschaften ein finales Kapitel einläutet, was nicht auszuschließen ist. Beim letzten Crash (2008) sind wir nur knapp am Desaster vorbeigeschlittert. Nach dem nächsten kann sich die Systemfrage stellen. Das Final Chapter könnte kommen.

Auch die kleineren und mittleren Firmen sind seit den Achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dem Zeitgeist hinterher geäfft, sind teils ebenso hündisch in die spekulationsgetriebene Finanzmarktfalle gegangen. Sie haben sich in New York ein Büro genommen und gemeint, auch sie zählten jetzt zu den großen Playern. Dadurch haben sie ihr eigentliches Geschäft: Forschung, Entwicklung und Orientierung an Qualität und Solidität aus den Augen verloren. Die Technologie-Konzerne hatten sie leider auch immer mehr düpiert, ihnen herrisch Bedingungen diktiert und ihnen die Aufträge immer unsicherer gemacht.

Heiner Flassbeck ist zuzustimmen, wenn er schreibt: „Wirtschaftsfreundliche Politik ist das Ende der Marktwirtschaft“ (‚Gescheitert, Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert‘, 2009). Schlichte Wirtschaftsfreundlichkeit ist übrigens nicht ordo-liberal, denn der Ordo-Liberalismus wollte wirtschaftliche Machtgebilde nicht erst im nachhinein begrenzen, sondern sie im vorhinein verhindern (vergl. die Schriften von Walter Eucken und Wilhelm Roepke) und richtete sich gegen Subventionen an Günstlinge. In dem legendären Interview mit Ludwig Erhard lautete das Diktum von Erhard: Was eine Partei auf keinen Fall tun darf ist: Wahl- und Steuergeschenke verteilen. Das wollen aber CDU/CSU und FDP im Hinblick auf mächtige Interessen gegenwärtig immer noch. 

Menschen

Ab 1971 war aus kritischem Blick zu bemerken, wie Menschen tendenziell für die Wirtschaft erst unversehens, dann wachsend abgewertet und herabgestuft wurden. Es wurde ihnen das Etikett Schrott, Abschaum und Müll angeheftet. Das griff auch auf Ämter über. Seit dieser Wende ist es nie mehr bergauf gegangen. Dem Rheinischen Modell wurde abgesagt. Die Sockelarbeitslosigkeit verfestigte sich. Heute wird sie durch prekäre Jobs verunklart. Die Wirtschaft der Industriekonzerne hat sich von der Gesellschaft der meisterlichen Arbeit, ihren Potentialen, Fähigkeiten und Vermögen, abgewendet. Die Abwertung des Menschen (nach einer Formulierung von Eugen Kogon) griff Platz. Es wurde Mode, Arbeitende zu prä-denunzieren, die FDP war darin Meister in den Talkshows. Helmut Schröder war der Pate. Er hat die, die ihn ahnungslos gewählt hatten, gelinkt und fallen gelassen. Die politisch-gesellschaftliche Elite war seit den Siebzigern erschöpft, gemäß ihrer Dürftigkeit und Erlahmtheit verlegte sie sich auf die Virtualität der Finanzmärkte. Die Gesellschaft bekam den Laufpass.

Macht- und Geldelite

Im Verlauf der Siebziger Jahre setzte sich die neue, schäbige Losung einer selbsternannten, dürftigen Macht- und Geldelite durch: Erhöhung der Kapitalrendite hat Vorrang. Diese schien durch Finanzmarktaktivitäten unschwerer optimierbar zu sein als durch Investitionen in neue, nachhaltige Produkte, in Arbeit – Wissen - Menschen. Nachhaltiges Investieren, bedeutsam auch für die Versöhnung mit der gestressten Alten Natur, wurde mehr oder weniger out. Mit dem Rendite-Vampyrismus, der die Untersten am schlimmsten trifft, hub das schleichende Niederlegen auch der gesellschaftlichen Mitte an. Eben diese erodiert nun. Schon Studierende bekommen davon einen Vorgeschmack, wenn sie sich von Praktikum zu Praktikum hangeln müssen. Die Technik-Konzerne machten sich zu Spielmarken der Renditementalität, wurden zu Cash-Cows. Es war das Projekt jener Lenker, die dem angelsächsischen Ökonomiemodell hündisch nacheiferten

Produzierende Firmen haben immer weniger in Arbeit, Produkte und Real-Innovationen investiert, sondern Firmengelder auf die Finanzmärkte geschleust und in den „Finanzmarktinnovationen“ arbeiten = spekulieren lassen. Sie haben Geld - den Erfolg der Beschäftigten - lieber in Luftbuchungen gelenkt und im Casino spielen lassen. Der damit verbundene sozialwahnsinnige Schwindel kollabierte im Herbst 2008. Indem auch Firmen der Spekulation dienten, haben sie ihre eigene Überlebens- und Erfolgsbasis untergraben (Folge: Fusionen und feindliche Übernahmen, Ausgründungen und Verkäufe, d.h. Kaputt-Umstrukturieren mit „Hüh & Hott“ - durch Rot/Grün/Schwarz vorangetrieben) und die Gesellschaften praktisch überall dem Rand des Abgrunds näher gerückt. Und besonders durch rigiden Personalabbau (50-jährige Telekom-Beschäftigte wurden ausgemustert und aufs Altenteil geschickt) haben sie die Kapitalisierung rücksichtslos nach oben gejagt. Börsenkapitalisierung ist noch immer das Zauberwort, besonders jetzt, wo Siemens abbaut, um die Börsenkapitalisierung auf höchste Höhen zu treiben.

Die um sich greifende Privatisierung ist ein weiterer Schauplatz jenes Drangs zur Erhöhung der Kapitalrendite. „Durch Senkung von Spitzensteuersätzen, Privatisierungen, Entlastung von Investoren und die Schwächung von Gewerkschaften, haben Regierungen...den Zuwachs der Ungleichheit befördert" (‚Die große Spaltung‘, FR 15.12.2017). Menschen müssen sich in irregulären Arbeitsverhältnissen zu Tode mühen und sind u.a. mafiösen Paketdiensten und ihren Subunternehmern ausgeliefert. Hier ist Florian Gerster (SPD), Vorsitzender Bundesverband Paket- und Expresslogik, der Mann, der sich aus der Entwertung der Eigenen gesundgestoßen hat. Er ist ein trauriges Beispiel des Verrats an den eigenen Genossen.

Vornehmlich industrielle Wirtschaftsführer, die 17600 Leute (Siemens 2008, lt. Financial Times von damals) oder 2000 ‚Köpfe‘ (FR 27.01.2010) immer-weiter-und-sofort ‚freisetzen‘, um die kurzfristige Aktienrendite hochzutreiben und dem entsprechend Vorstandgehälter, Boni und Aktienoptionen zu bedienen, also primär um das Goldene Kalb des eigenen Egos tanzen, sind destruktiv gestört. Die Politik hat diese Entwicklung über Jahre begünstigt und diesen Herren die Ehre und das Geleit gegeben, ihnen Förderung erteilt. Und dies aus Autoritätsgläubigkeit und Ergriffenheit vor tatsächlicher oder eingebildeter Macht, an der teilzuhaben die politische Klasse sich nicht zu schade war (Beispiel: Gerhard Schröder, Aufsteiger vom Dienst und die um ihn aufgestellte Kamarilla, die noch heute fortwirkt).

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